Gedanken zum HVV-Projekt "Einstieg vorn" vom zahlenden Fahrgast Jan-Geert Lukner.

Gleich vorneweg: Ich als zahlender Fahrgast bin auch daran interessiert, dass Schwarzfahrten eingeschränkt werden. Und ich finde das Gebot, vorn einzusteigen und seine Fahrkarte dem mehr oder minder interessierten Fahrer zu zeigen, nicht grundsätzlich verkehrt. In ländlichen Gegenden und selbst auf mancher Stadtlinie ist dies ein sinnvolles Mittel, separates Kontrollpersonal einzusparen.

Aber der HVV geht weiter: Er hat am 07.03.2011 den "Einstieg vorn" in den Pilot-Gebieten südlich der Elbe (Harburg) und im Raum Bergedorf für alle Linien und zu allen Zeiten verordnet. Ab dem 05.03.2012 sogar im ganzen HVV (außer Linien 4-6). Im innenstädtischen Bereich sind überfüllte Busse jedoch nicht nur im Berufsverkehr an der Tagesordnung. Die Gründe, weshalb das Zusammentreffen von vollen Bussen und dem neuen Projekt in meinen Augen zu einigen untragbaren Zuständen führt, werde ich hier darlegen.

Was möchte ich jetzt eigentlich?

Wie gesagt: In Außenbereichen ist das "Einstieg vorn"-Konzept ja durchaus in Ordnung. Nachts und sonntags klappte es ja bisher auch schon mehr oder weniger. Der HVV muss jetzt dringend die Bereiche, in denen "Einstieg vorn" gilt, herunterfahren. Gelenkbus-Linien und erfahrungsgemäß stark frequentierte Innenstadtbereiche müssen ausgeklammert werden.

In Diskussionen zu diesem Thema wird übrigens häufig angemerkt, dass das Verfahren "Einstieg vorn" in anderen Großstädten doch auch klappt. Die Frage ist nur, ob in Städten wie Berlin und London mit sehr engmaschigem Schnellbahnnetz die Busse überhaupt eine derartige Hauptlast des öffentlichen Verkehrs tragen wie in Hamburg. Hamburg nennt sich "Umwelthauptstadt", verweigert sich aber der Stadtbahn und sorgt von daher für einen Run auf Linienbusse, der in anderen Städten durch Bahnen abgefangen wird. Dass Busse in Berlin oder London jedenfalls in dieser Häufung so überfüllt sind wie in Hamburg, habe ich dort noch nicht beobachtet.

Daran, dass HVV-Busse einfach nur unbequeme und all zu häufig überfüllte Fortbewegungsmittel sind, habe ich mich ja gewöhnt. Aber in diesen schlechten Zustand auch noch neue Spannungen in Form des "Einstieg vorn" Projektes hineinzubringen, geht in meinen Augen gar nicht. Ich frage mich, ob die Erfinder dieses Projektes jemals auf stark frequentierten HVV-Linien im Bus unterwegs sind oder ob dieses Konzept von Betriebswirtschaftlern mit glänzenden Augen in einer "Hurra-Runde" am grünen Tisch beschlossen wurde.

Diese Herren sollten sich lieber mal fragen, weshalb ich in den letzten fünf Jahren außer zu "Einstieg vorn"-Zeiten als regelmäßiger Buskunde in Harburg noch nie im Bus kontrolliert worden bin. Meines Erachtens gehört zu einem funktionierenden Verkehrsbetrieb auch eine wirksame Methode zur Einnahmesicherung. In einer Presseerklärung vom 18.03.2011, in der der HVV die ersten Wochen des "Einstieg vorn" Konzeptes als gelungen "feiert", wird bezüglich des Grundes für die Einführung des "Einstieg vorn" Projektes verwundert festgestellt: "Anlass waren Kontrollen auf verschiedenen Buslinien im Großbereich Hamburg, bei denen deutlich überdurchschnittliche, teilweise sogar zweistellige Schwarzfahrerquoten festgestellt wurden." Offensichtlich hat es hier in der Vergangenheit immense Versäumnisse bei der Fahrgeldsicherung gegeben. Die Abstellung dieser Versäumnisse wird jetzt auf "Deubel komm' raus" auf dem Rücken der Fahrgäste ausgetragen.

Lieber HVV, lasst den Fahrer in den Außenbezirken prüfen und setzt auf den stark belasteten Strecken massiv Prüfdienst ein - und alles wird gut.

Nun bin ich an den Erfahrungen anderer HVV-Kunden interessiert. Haben Sie auch Erfahrungen mit dem neuen "Einstieg vorn" im innerstädtischen Bereich gemacht? Bitte berichten Sie mir davon, ich würde die Erfahrungen gern sammeln und zu gegebener Zeit veröffentlichen. Bitte nutzen Sie dazu die Poststelle. Vielen Dank!

Hier folgen einige Erlebnisse aus dem Mai 2011:

Mit Stand Januar 2012 hat sich noch immer kein Fahrer über meine Jahreskarte aus 2008 gestört. Ich glaube allerdings auch ein zunehmendes Desinteresse seitens der Fahrer festzustellen. Am Bf Harburg und an anderen Stationen, wo viel los ist, wird schon wieder fleißig hinten eingestiegen. Ach ja, von den versprochenen Kontrolleuren habe ich seit März 2011 keinen einzigen zu Gesicht bekommen.

Allerdings muss ich feststellen, dass ich zunehmend auf die Busnutzung verzichte und innerhalb Harburgs 20minütige Fußwege lieber in Kauf nehme als die Tortur, mit dem Bus fahren zu müssen. Kommt es mir nur so vor, dass die Busse leerer geworden sind? Offenbar hat die "Umwelthauptstadt" es geschafft, mit "Einstieg vorn" manchen ÖPNV-Fahrgast ins Auto zu treiben. Schade...

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