Nordskandinavien 1993 (1)

Copyright by Jan-Geert Lukner

Über eine Reise von Michael Fleddermann und Jan-Geert Lukner.
+12=12 Minuten Verspätung
Zu diesem Reisebericht gibt es eine Übersichtsskizze.

Sonntag, 11. Juli 1993: Hamburg - Helsingborg (im Nachtzug)

Um 14.11 kam Michael im Hamburger Hauptbahnhof an. Damit wir nicht mit knurrenden Mägen die Reise antreten mussten, versuchten wir, in Altona in die Kantine zu gelangen. Es blieb beim Versuch. Also im Bahnhof mit dem Notwendigsten eingedeckt und los ging es.

EC 190 Hamburg Hbf 15.19 > København 20.20

Der Eurocity wurde bis zur Fähre mit einer 234 befördert. Ab Puttgarden übernahm die Carl Carstens die Traktion oder besser: die Trajektion.

Nt 382 København 21.45 > Sarpsborg 05.37+12

Der Zug bestand aus viiiielen norwegischen Schlafwagen, viiielen norwegischen Sitzwagen und einem schwedischen Liegewagen. Auf den stürzte sich bei der Bereitstellung eine Riesen-Meute. Wir auch. Glücklicherweise steht der Beginn einer Skandinavienreise eigentlich immer fest, so daß ich grundsätzlich bis Oslo alle Züge im Voraus reserviere. Der weitere Fahrtverlauf richtet sich dann nach der Wetterkarte...

Schon Tradition hat es, die Rangiermanöver in Helsingör aus dem Fenster hängend und die Fährüberfahrt an Deck der Tycho Brahe in der Abenddämmerung zu genießen; dann begann die Nachtruhe. Leider bin ich in der Nacht häufig aufgewacht, obwohl die Luft im Abteil dank eines Spaltbreit geöffneten Fensters angenehm war.

Montag, 12. Juli 1993: Helsingborg (im Nachtzug) - Levanger

Warum sollten wir auch ausschlafen? Jeder normale Mensch steigt aus diesem Nachtzug in Oslo aus. Wir nicht. Da führt von Sarpsborg nämlich noch eine andere, nur zweimal am Tage bediente Strecke über Mysen nach Oslo. Irgendwie hatte ich das Gefühl, auch dort einmal in meinem Leben gefahren sein zu müssen. Die Hauptstrecke kannte ich ja zur Genüge. Michael hat sich freundlicherweise über diesen Wunsch nicht beschwert, der uns dann im strömenden Regen in Sarpsborg zunächst zum Bahnhofsgebäude hetzen ließ.

Nachdem unser Nachtzug ausgefahren war, konnten wir auch unseren Anschlußzug auf einem der hinteren Gleise durch den Regen ausmachen. Stand da nicht eine blau gekleidete Gestalt am Zug, die gerade eine Pfeife an den Mund führen wollte? Offensichtlich verläßt man den Nachtzug auf der EG-abgewandten Seite, wenn man den Anschluß nach Mysen haben möchte. Wir konnten dann aber doch noch schnell in die aus dreimal drei Wagen bestehende Bm69-Garnitur hineinsprinten.

Lt 166 Sarpsborg 05.50 > Oslo 07.40

Zunächst schien es, dass wir die neun Wagen für uns hätten. Spätestens hinter Mysen saßen wir zu fünft nebeneinander gequetscht in einer Sitzreihe auf Plätzen, bei denen man großzügig auf jede Kopfstütze verzichtet hatte (ist halt ein Osloer S-Bahn-Triebwagen).

In Oslo konnten wir den Regen besonders gut durch die großen Scheiben der Halle beobachten. In Ruhe bei Burger King gefrühstückt, dann schon mal erste Postkarten geschrieben.

Rt 301 Oslo S 09.55 > Trondheim 18.20 über Røros

Eine lange Fahrt, die chaotisch begann. Wir hatten keine Platzkarten mehr bekommen. Zwar waren die nicht obligatorisch, doch muß man in Norwegen ohne Platzkarte ständig damit rechnen, den Platz wechseln zu müssen, da theoretisch überall bis vor Zugabfahrt reserviert werden kann. So wurden wir gleich in Oslo von unseren Plätzen weggescheucht, fanden aber im ersten Wagen reichlich Platz, der für eine Reisegruppe ab Røros reserviert war. In Røros war dann der letzte Wagen so leer geworden, daß wir (und einige andere) dort bequem Platz fanden. So hatte wir eine herrlich angenehme Fahrt. Zwischendurch im Buffet mal einen Hotdog für gut 17 NOK erstanden (ca 4,40 DM).

Unser Zug war auf dem gesamten Laufweg mit einer Diesellok der Reihe Di3 bespannt, die in Hamar beim Fahrtrichtungswechsel an das andere Zugende umsetzen musste.


Unser Zug auf der Rørosbahn in Atna

Die Rørosbahn ist landschaftlich nicht ganz so eindrucksvoll wie die parallele Dovrebahn (die elektrifizierte Hauptstrecke Oslo - Trondheim), doch von langweiligen Strecken kann man in Norwegen nirgends sprechen.

Da wir keine Lust auf Großstadt hatten, haben wir uns in Trondheim nicht weiter aufgehalten. Mit einem Anschlußzug ging es noch ein Stück in Richtung Norden.

Rt 445 Trondheim 18.40 > Levanger 19.59

In Levanger gab es ein Bild vom ausfahrenden VT, dann fragten wir uns zur Jugendherberge (wörtlich übersetzt wäre "Wandererheim" richtiger) durch. Diese lag am Ortsrand zwischen verschiedenen Schulgebäuden. Wir bekamen ein Vierbettzimmer mit zwei anderen Deutschen zusammen. Sie machten ebenfalls auf der Durchreise gen Norden hier Halt. Allerdings waren sie auf der E6 unterwegs...

Dienstag, 13. Juli 1993: Levanger - Mo i Rana

Sehr gut geschlafen. Morgens zu unserem Erstaunen festgestellt, daß keine Wolke am Himmel war. Also nix wie raus... Wir fuhren ein kleines Stück in die Richtung zurück, aus der wir gekommen sind.

Rt 432 Levanger 08.10 > Skogn 08.17

Unsere großen Rucksäcke durften wir mit Erlaubnis des Fahrdienstleiters im Warteraum abstellen. In Norwegen klaut ja bekanntlich niemand etwas... Zudem erhielten wir von ihm dann noch Informationen über das Verkehren von Güterzügen.

Auf der alten Straße ein Stück nordwärts aus dem Dorf hinausgegangen, bis wir an einen Streckenabschnitt gelangten, auf dem man Züge wunderbar aus den Feldern oberhalb der Bahn mit dem Trondheimsfjord im Hintergrund ablichten konnte. An einem Knick am oberen Rand eines Feldes machten wir nun einige Stunden Rast. Immer, wenn sich ein Zug näherte, standen wir kamerazückenderweise auf. Irgendwie tauchten einige Güterzüge dennoch zu plötzlich auf... Bei einem mit einer leihweise hier eingesetzten schwedischen T44 bespannten Güterzug hatte ich die Belichtung falsch eingestellt (aber wozu gibt es gute Scan-Programme?).

Über eine Nebenstraße, die die kleinen Bauernhöfe hier auf dem Hügelrücken mit dem Ort Skogn verband, wanderten wir mit ständigem Ausblick auf den Fjord zurück zum Ort. Dort suchten wir einen Riesen-Supermarkt auf (erschien uns für den kleinen Ort völlig überdimensioniert), wo wir unsere Vorräte an Knäckebrot und Frischkäse (was besseres hatten wir nichtmal zum Abendessen) auffrischten. Für ein Mittagsmahl nahmen wir auch noch eine Dose Sardinen mit. Die verspeisten wir oberhalb des Bahnhofs im Gras sitzend, wo wir dann ebenfalls einen Zug mit Fjord knipsen konnten. So konnte das Wetter gerne bleiben...

Rt 438 Skogn 14.27 > Stjørdal 15.01

Stjørdal ist ein ödes Kaff. 1995 sollte sich meine Meinung über Stjørdal ändern, aber das konnte ich 1993 noch nicht wissen. Jedenfalls kurbelten wir während des kurzen Aufenthaltes die örtliche Wirtschaft an, indem wir auch hier einen Supermarkt aufsuchten.

Rt 457 Stjørdal 15.39+10 > Mo i Rana 21.35+12

Der Zug bestand aus einer Di3, vier Wagen und war angenehm leer. So konnten wir die Fahrt durch die wildromantischen Täler so richtig geniessen. Es ging vorbei an Stromschnellen und zwischendurch konnten wir immer wieder weite Blicke über Gebirgswälder oder später über Vefsn- und Ranafjord werfen. Bei der klaren Abendsonne wünschten wir uns allerdings, lieber an der Strecke zu stehen und den Zug zu fotografieren.


Jetzt müsste man an der Strecke stehen!

Die Jugendherberge Mo ("Fageråsen-YH") lag hoch oben am Hang des gleichnamigen Berges. Nach einigem Herumfragen wurde uns das Gebäude vom Bahnhof oben am Hang gezeigt. Vier Minuten vor Rezeptionsschluß kamen wir an und bekamen ein Vierbettzimmer für uns. Vor der JH stand ein Bus mit der Aufschrift "Der Natur auf der Spur - Kneisel-Reisen". Abends genossen wir auf der Treppe vor unserem Wohngebäude sitzend die Abendstimmung und den weiten Blick über die Stadt mit der Eisenhütte, über den Fjord und die Berge. Einen mitternächtlichen Güterzug drunten im Bahnhof einfach von oben fotografiert; das Licht reichte gerade so.

Zwei ca 17-jährige Mädels aus dem "Kneisel-Reisen-Bus" saßen mit uns draußen. Sie erzählten, dass ihre Eltern nicht gewollt hätten, dass sie auf eigene Faust per Interrail Skandinavien erkunden. Daher mussten sie zusammen mit der fast nur aus Senioren bestehenden Reisegesellschaft ständig irgendwelche Wanderungen im Schneckentempo unternehmen. Entspannung gäbe es nicht; im Gegenteil: oft werde schon um 6 Uhr aufgebrochen...

Mittwoch, 14. Juli 1993: Mo - Elsfjord - Mo

Rt 458 Mo i Rana 08.30 > Drevvatn 09.12

Wir hatten wunderprächtig geschlafen. Im Zug gab es mit Fjordblick erstmal wieder Knäckekost mit irgendeiner Gummiwurst. Da in Drevvatn erstmal irgendwelche Lokprobleme beseitigt werden mussten, konnten wir ein Stück bis zu einer Wiese vorlaufen und unseren Zug dort bei der Ausfahrt aufnehmen. Der Fahrdienstleiter verriet uns, daß wir mit drei Güterzügen zu rechnen hätten. Er nannte uns die Durchfahrzeiten, die sich später als sehr präzise herausstellten. Das Wetter war herrlich; was will man mehr.

Wegen der vielen Hochmoore hier in der Gegend hatte ich heute Gummistiefel angezogen. Man will ja schließlich jeden Fotostandpunkt erreichen können. Leider sollte ich diese Entscheidung bitter bereuen. Wir mussten nun sieben Kilometer auf einem Fahrweg parallel zur Bahn nach Elsfjord gehen. Schon nach wenigen Kilometern hatte ich Blasen an den Füßen.

Bevor es steil an den Fjord hinabging, fotografierten wir einen Güterzug im Hochmoorbereich, wobei ich den Fotoausschnitt so gewählt hatte, daß ich nur eine Lok draufbekam. Leider hatte der Zug zwei Loks vor... Ja, Michael, Deine Standortwahl war besser!!!. Danach ging es den Fahrweg zum Ort hinab.

Elsfjord liegt einsam-verschlafen am gleichnamigen Fjord und kann nur über eine Nebenstraße und unseren Fahrweg erreicht werden. Im örtlichen Laden literweise Milch gekauft und diese oben am ex-Bf mit Aussicht auf den Ort mit der hübschen Holzkirche am Fjord getrunken. Dabei ließen wir uns auch von einem durchkommenden Skl nicht stören. Einen Güterzug fotografierten wir nun im Bahnhof und einen weiteren ein Stück südlich, wo die Strecke aus einem Tunnel kommt und gleich darauf einen Wasserfall quert. Die zwei Mittagsschnellzüge gab es dann von oberhalb an derselben Stelle mit Dorf und Fjord dahinter.

Mittlerweile konnte ich wegen der Blasen kaum noch auftreten. Langsam gingen wir die Serpentinen zum Ort wieder hinunter. Dort noch mehr Milch gekauft und an einen Fluß gesetzt, der hier in den Fjord mündet. Um meine wunden Füße zu kühlen, habe ich sie in das eiskalte Wasser gehalten. Das tat gut! Leider rückte die Abfahrtszeit des Nachmittagsbusses nun näher. Eine Haltestelle gab es nicht; im Laden hatten wir erfahren, daß der Bus direkt vor der Tür halten würde. Tat er auch.

Bus Elsfjord 16.55 > Mosjøen 17.50

Der Bus befuhr bis Drevvatn den Fahrweg, den wir auf dem Hinweg benutzt hatten. Ab Drevvatn stiegen sogar noch andere Reisende in diesen nur einmal am Tag verkehrenden Bus ein. Leider vergaßen wir, dem Fahrer zu melden, daß wir in Mosjøen [sprich: Muschön] am Bahnhof raus wollten. Na ja, zum Zug hatten wir eh noch arg viel Zeit und so lernten wir wenigstens mal die aus netten Holzhäusern bestehende Stadt kennen. Allerdings waren meine Füße damit gar nicht einverstanden. Auf die Fersen konnte ich nicht mehr aufsetzen und an den Ballen hatte ich auch Blasen. Für die nächsten Tage sah ich furchtbar schwarz...

Rt 457 Mosjøen 20.25+15 > Mo i Rana 21.35+15

Auf dem Weg zur JH öffneten sich sowohl beide Fersen als auch der rechte Ballen. Ich konnte also mit einem Fuß theoretisch nicht mehr auftreten. Irgendwie sind wir dann aber doch angekommen. Nach einer Dusche Füße hochgelegt und paar Scorpa gemampft.

Donnerstag, 15. Juli 1993: Mo - Dalselv - Mo - Bodø

Diesmal mussten wir einfach etwas länger schlafen. Dann leisteten wir uns das teure JH-Frühstück. Für 50 NOK bekamen wir allerdings nur Durchschnittsware angeboten. Nun Fuß mit tausend Pflastern vollgeklebt, dann zum Bahnhof aufgebrochen. Dabei spürte ich die Füße zwar deutlich, doch bei gleichmäßigem Schritt tat's nicht weh. Am Bahnhof eine T44 fotografiert und beim Fahrdienstleiter Güterzugzeiten erfragt.

Nach einigen Supermarkt-Einkäufen versuchten wir, unsere großen Rucksäcke in ein Schließfach zu packen, bevor wir mit dem Bus ein Stück südwärts zur Dalselv-Mündung fahren wollten. Das Schließfach klemmte. Die Busabfahrtzeit rückte näher. Zur Gepäckabfertigung gegangen. Der Mann dort war sehr freundlich und begann, das Schließfach auseinanderzunehmen. Die Bus-Abfahrtzeit war da. Michael versuchte, den Busfahrer zum Warten zu überreden. Schnell die Rucksäcke in der Gepäckabfertigung hinterstellt und rausgerannt. Glücklicherweise hatte der Bus bei der Abfahrt eine Ehrenrunde um den ganzen Bahnhofsvorplatz fahren müssen, so daß er von uns an der Ausfahrt abgefangen werden konnte.

Bus Mo 12.30 > Dalselv 12.48

In Dalselv führt die Bahn auf einem Damm durch eine Fjordbucht. Daneben gibt es einen herrlichen Strand. Dort auf einen Felsen gesetzt und der Züge geharrt, die da kommen sollten. Einen Güterzug mit Strand und den Dagtog auf der Dalselv-Brücke geknipst, dann zurück zum Bahnhof gefahren.

Bus Dalselv 14.50 > Mo 15.10

Dt 451 Mo 15.51 > Bodø 19.15

Eine phantastische Fahrt. Ganze Zeit am Fenster gehangen. Unsere Di3 (NoHAB) hatte auf der Steigung hoch auf das Saltfjell, wo der Polarkreis bei einigen Steinpyramiden gequert wird, kräftig zu arbeiten. Ein akustischer Hochgenuß! Unser Wagen war netterweise schön leer. Am Polarkreis hielt der Zug sogar für einen Wanderer an. (Anno 1995 fanden wir dort einen Bahnsteig und einen Vermerk im Fahrplan vor).

Die heutige JH Bodø liegt praktischerweise im Bahnhofsgebäude. Wir mussten jedoch 1993 ein bis zwei Kilometer parallel zur Bahn zurückgehen. Da wir mal was Warmes zu essen brauchten, wärmten wir uns in der JH-Küche zur Abwechslung mal eine Tütensuppe auf. Dazu gab es für 12 NOK aus einem nahegelegenen Mini-Market eine Flasche Lettøl. Was für eine Delikatesse! Bei uns im Zimmer war noch ein anderer deutscher Eisenbahnfreund untergebracht. Er erzählte uns, daß der deutsche VT 610 am Montag in Hamar und Trondheim gewesen sei...

Freitag, 16. Juli 1993: Bodø - Narvik

In der Nacht haben wir sehr gut geschlafen. So waren wir gerüstet für die nun folgende lange Busfahrt.

Bus Bodø 07.30 > Narvik 14.35

Als gute Idee stellte es sich heraus, daß wir am Vorabend im Bahnhof Bodø gezielt die Plätze 1 und 2 im Bus reserviert hatten. So saßen wir (zumindest ab Fauske, wo die endgültige Platzvergabe stattfand) in der ersten Reihe, allerdings hinterm Fahrer, dessen Jacke etwas störte. Danke, Michael, daß Du mir den Gangplatz mit der besseren Frontsicht überlassen hast!. Ober-optimal wären die Plätze 3 und 4 (hinterm Einstieg) gewesen.

Obwohl im Fahrplan etwas von Togbuss (Bahnbus) stand, wurden unsere Ermäßigungskarten nicht anerkannt. Die Vollpreiskarte für 305 NOK (78,30 DM) stellte einen schweren Schlag für unsere Geldbeutel dar. So nutzten wir den Aufenthalt in Fauske, um bei der Post "Geld zu machen". Das ging damals noch per Postsparbuch; oftmals war die Hauptsache einer Geldabhebung der Stempel des Postamtes im Sparbuch...

Als wir und die aus dem Trondheimer Nachtzug strömenden Massen uns auf die vier ab Fauske bereitstehenden Busse verteilt hatten, ging es los. Schon nach einer halben Stunde wurde die E6 zu einer regelrechten Gebirgsstraße. Es reihte sich Tunnel an Tunnel. Vor den längsten Tunneln standen Warnlichter, die bei überhöhtem CO2-Gehalt im Tunnel den Autoverkehr stoppen sollten. Die Luft in den Naturfels-Tunneln war meist so schlecht, daß man trotz der abgeschalteten Lüftung starken Abgasgeruch roch. Unterwegs gab es eine Mautstelle. Rings um die Straße herum zeigten sich markante und steile Felsformationen. Dazwischen gab es Wasserflächen in allen Höhenlagen. Eine unwirkliche Welt ohne viele Bäume. In Innhavet gab es einen Rasthalt. Schöner war allerdings die Fahrtunterbrechung durch die Fähre über den Tysfjord. Vom Schiff aus konnten wir einen ganzen Schwarm Wale beobachten. Dann bin ich erst wieder in Narvik aufgewacht...

Zunächst verstauten wir unsere Rucksäcke im Busbahnhof von Narvik in Schließfächern. Denn nun hatten wir uns noch einen kleinen Abstecher per Bahn ins Gebirge ausgedacht. Leider hatte der Sonnenschein mittlerweile geschlossener Bewölkung Platz gemacht.

Lt 7989 Narvik 15.05 > Katterat 15.40+5

Der Lt (Lokaltog) bestand aus einem einteiligen Bm67. Leider sind die innernorwegischen Lt-Fahrten ein Jahr später ganz aus dem Fahrplan gestrichen worden. 1993 fuhr immerhin noch dieses eine Zugpaar. Auf dem kurzen Streckenstück kamen uns zwei Erzzüge entgegen. Die Erzzüge wurden von uralten dreiteiligen Stangenelloks befördert. Im Bahnhof von Katterat und in dessen Umgebung konnten wir einige Züge fotografieren. Allerdings fehlte uns der Sonnenschein; dafür plagten uns erstmalig in diesem Urlaub die Mücken.


Unser Zug zur Rückfahrt nach Narvik nähert sich.

Rt 980 Katterat 17.03+15 > Narvik 17.34+15

Uns schien, daß die Erzzüge den Fahrplan gehörig durcheinanderbrachten. Vom Busbahnhof unsere großen Rucksäcke aufgelesen, dann zur JH am anderen Stadtrand gegangen. Es wurde mal wieder Zeit, meine Blasen zu versorgen, die mir den Tag über allerdings kaum Probleme bereitet hatten. Von der direkt am Wasser gelegenen JH hatte man einen schönen Ausblick auf den Erzhafen. Wir nutzten das Angebot, warm zu Abend essen zu können. Für 87 NOK (22,40 DM) erhielten wir das typisch norwegische Abendessen: Hamburger und Pommes; dazu ein Lettøl (ich mag süße Getränke a la Cola und Co abends nicht so gern). Danach im JH-Garten eine ganze Weile am Fjord gesessen und mit einigen anderen JH-Insassen gequatscht.

Samstag, 17. Juli 1993: Narvik - Abisko

Da wir genug von Knäckebrot und Frischkäse hatten, haben wir in der JH das Frühstück mitgenommen. Als wir so dasaßen, tauchte plötzlich ein Freund von Michael auf, der ebenfalls auf Fotojagd nach Di3 und Erzloks war. Er war allerdings mit dem Auto unterwegs.

Auf dem Weg zum Bahnhof schauten wir kurz in einem Supermarkt vorbei. Als ich dort vor dem großen Kühlschrank stand und zwischen Erdbeer- und Blaubeerjoghurt abwägte, tauchte plötzlich eine Hand im Kühlfach auf. Erst jetzt sah ich, daß die Kühlschränke nach hinten offen waren und dort jemand aus dem Kühlraum heraus die Bestände auffüllte...
Am Bahnhof konnten wir einige Erzloks fotografieren und Postkarten schreiben.

Et 903 Narvik 13.15 > Abisko Touriststn 14.51

Der Haltepunkt "Touriststation" (kurz "Abisko T") ist für einen Fremdenverkehrskomplex eingerichtet worden, in dem sich mitten in der Pampa oberhalb des riesigen Sees Torneträsk und zu Füßen von Lapplands Wahrzeichen, der "Lapporte" (zwei torartige Felsformationen) ein Hotel, eine JH, Campinghütten und ein Zeltplatz befinden. Grund für den Tourismus ist das hier befindliche nördliche Ende des Kungsleden, schwedens längstem Wanderweg, der das gesamte Gebirge von Süd nach Nord durchschreitet.

Nach dem Einchecken liefen wir an die Bahnstrecke hinaus und fotografierten einige Züge. Gelegentlich kam sogar die Sonne durch. Als Motive dienten uns die Stromschnellen des Abiskojåkka. Danach probierten wir den Kungsleden mal für ein Stück aus. Hier wären allerdings Gummistiefel notwendig gewesen, da der Weg sehr aufgeweicht war. Nahe der Bahnstrecke nahmen wir nun ein Samenlager unter die Lupe. In der Form eines Freilichtmuseums war dargestellt, wie die Samen früher so gelebt haben. Dann oberhalb des Hp Abisko T auf Züge gewartet, da man hier einen wunderschönen Weitblick über die Wildnis hatte. Doch es kam nichts. Die Mücken schickten uns bald in die JH. Dort gab es einen kleinen Supermarkt und eine großzügige Selbstversorgerküche (diese Küchen sind Standard in skandinavischen JHs), wo wir uns eine Suppe kochten. Über dem Torneträsk stiegen Abendnebel in der Sonne auf.

Sonntag, 18. Juli 1993: Abisko - Bjørnfjell - Abisko

Erstmal genossen wir in aller Ruhe das phantastische Frühstücksbuffet. Für 55 SEK (12,90 DM) gab es einfach alles, sogar frische Brötchen. Und Rømmegrøt (mit Marmelade gesüßt ein Gedicht). Nach dem Frühstück gingen wir zum "Canyon". Unterhalb von Bahn und Straße hat sich der Abiskojåkka in eine tiefe Schlucht hineingespült. Diese Schlucht scheint nach oben keinen Eingang zu haben. Der ursprüngliche Eintritt des Flusses wurde nämlich zur Zeit des Bahnbaus zwecks Stromgewinnung zugemauert. Für das Kraftwerk wurde der Fluß durch einen Stollen geleitet, aus dem sich heute der gewaltige Wasserschwall in die Schlucht ergießt. Dies konnten wir sogar mit Zug fotografieren. Dann fuhren wir nochmal für den Nachmittag nach Norwegen zurück:


Aus einem Stollen ergießt sich der Wasserschwall in die Schlucht.

Et 904 Abisko T 12.38 > Bjørnfjell 13.33+13

In Bjørnfjell ein schnelles Bild von unserem Zug gemacht, dann begannen wir unsere Wanderung auf dem Rallarveien, einem Verbindungsweg zu den einzelnen Bauabschnitten aus der Anfangszeit der Erzbahn. Unterwegs fanden wir einige schöne Motive, wo wir auf Züge warteten. Meist ließ sich dann bald von oben das starke Quietschen eines abwärts stark bremsenden Erzzuges oder von unten der laut arbeitende Motor einer Erzlok hören. Der Rallarveien schlängelte sich gut befestigt zwischen kleinen Seen und großen Felsen durch die z.T. hochmoorige Landschaft und war - auch wenn einige Schneefelder gequert werden mussten - gut zu begehen. Es regnete nicht und zwischen den dicken Wolken kam häufig die Sonne durch.


Der Rallarveien

Beim Hp Søsterbekk führte der Weg an zwei höhere Brücken ran, über die die Bahn die Talseite wechselte. Die Brücken selbst waren neue Betonbrücken. Weiter unten im Tal konnte man noch den mächtigen Stahlviadukt in Wildwestbauweise erkennen, über den die Bahn bis vor einigen Jahren noch geführt hatte. Auf der einen Brücke den Lt nach Vassijaure fotografiert, dann zum Haltepunkt hochgegangen. Michael war begeistert von dem anheimelnden Warteraum, der auch bei kleinen NSB-Haltepunkten Standard ist. Und das Häuschen war wichtig; plötzlich fing es an, in Strömen zu gießen.

Rt 3583 Søsterbekk 16.15+14 > Abisko T 17.17+13

Als Abendessen kombinierten wir heute mal eine Pilzsuppe mit Scorpa und Philadelphia. Auch legger. Nach dem Abendessen gingen wir an den Stromschnellen des Flusses entlang zum See hinunter. Von dort hatte man einen wunderschönen Blick zur Lapporte mit interessanter Beleuchtung. Leider piesackten uns die Mücken sehr aggressiv.

Montag, 19. Juli 1993: Abisko - Abisko Nationalpark - Abisko

Nach dem guten Frühstück bin ich mit einem älteren Schweden aus unserem Zimmer einen Rundweg durch den Abisko-Nationalpark gegangen. Michael wollte wegen der Mücken lieber nicht mitkommen. Zum Glück waren die Mücken dann nicht ganz so schlimm. Zunächst ging es auf dem Kungsleden ca 4-5 km entlang des Abiskojåkka [sprich: Abiskojokka] aufwärts. Auf halbem Wege kamen wir am Mamorbrottet vorbei; einem interessanten Felsen am Ufer des Flusses. Der Weg führte teils als Naturpfad, teils als Bohlenweg durch Wälder sowie über Sümpfe und Bäche hinweg. Über eine Hängebrücke wurde ein Nebenfluß gequert, der sich in den reißenden Abiskojåkka ergoß.

Nach einer kurzen Rast querten wir die Hängebrücke erneut und zweigten auf einen Wanderweg nach Abisko Östra (so heißt der eigentliche Bahnhof von Abisko, der "zentral" in Abisko liegt). Dieser Wanderweg führte durch offenere, moorige Gegend. Nicht mehr alle Bäche wurden per Bohlenbrücke gequert. Einige Bäche mussten mit den Gummistiefeln durchwatet werden. Ich hatte es gewagt, diese Stiefel nochmals anzuziehen, nachdem ich die einschlägig bekannten Stellen mit reichlich Pflaster versorgt hatte. So konnte ich tatsächlich recht mühelos gehen. Und nötig waren die Stiefel allemal. Wir kamen an Stellen, wo der Weg so aufgeweicht war, daß wir durch tiefen Schlamm waten mussten. Die unberührte Natur, die wir zu sehen bekamen, lohnte den Aufwand. Der Pfad führte über einige Anhöhen, von denen man einen weiten Blick in Richtung Torneträsk hatte. An einer Stelle konnte ich sogar von weit oben einen Erzzug vor dem Torneträsk fotografieren.


Nur die Konturen der Erzwagen sind vor dem Torneträsk zu sehen.

Am Bahnhof von Abisko Östra hatten wir uns mit Michael verabredet, mit dem ich dann noch die paar Häuser des Ortes inspiziert habe, bevor wir in Richtung Abisko T zurückmarschiert sind. Unterwegs haben wir mit einigen Zügen Fototermine wahrgenommen. Abends entspannten wir dann rund um die JH. Das Wetter hatte uns heute nicht gerade Lust auf weitere Aktionen gemacht.

Dienstag, 20. Juli 1993: Abisko - Vassijaure - Abisko

Wir hatten wieder mal das Problem, daß der erste Zug in Richtung Grenze einfach zu früh, der Mittagszug leider etwas zu spät fuhr. Die Entscheidung fiel allerdings dann doch zugunsten eines entspannten Frühstücks (das Buffet war halt eine Klasse für sich...) für den zweiten Zug. So zogen wir erneut in Richtung Abisko Östra und fotografierten paar Züge, wobei wir mit der Sonne sogar etwas Glück hatten. Dann vor Einfahrt unseres Mittagszuges zu meinem Standpunkt oberhalb des Hp Abisko T geklettert, damit ich wenigstens unseren Et hier fotografieren konnte. Der kam jedoch zunächst nicht. Nach einiger Wartezeit kam erstmal ein Erzzug in Richtung Kiruna. Dieser hatte in Abisko Östra Kreuzung. Allerdings erstmal nicht mit unserem Et (Expresstog). Zehn Minuten später sah ich gerade durch mein Teleobjektiv den Et hinten auf Abisko Östra zufahren, da tauchte plötzlich unter mir ein vor dem Et herfahrender Erzzug auf! Dann kam bald unser Zug.

Et 904 Et 904 Abisko T 12.38+50 > Vassijaure 13.20+50

Eigentlich hatten wir vor, von Katterjåkk nach Vassijaure zu gehen. Doch in Vassijaure warteten wir dann zusammen mit dem vorausgefahrenen Erzzug auf Kreuzung mit dem Gegen-Et. Dies und die momentan scheinende Sonne waren Argumente genug, hier auszusteigen und nach Katterjåkk zu gehen. So konnten wir die drei Züge nebeneinander im Bahnhof fotografieren. Querbeet dann schnell zu einer freien Stelle gelaufen, wo wir den wunderbar angeleuchteten Erzzug aufnehmen konnten. Danach auf den Rallarvägen (schwedische Bezeichnung) übergewechselt und diesen bis zu einer weiteren Stelle mit freiem Weitblick über die Gebirgswelt gegangen. Dort konnten wir jedoch nur einen in der Ferne noch angestrahlten Erzzug knipsen.

Nun mussten wir zusehen, für den norwegischen Bm67 rechtzeitig ein passendes Motiv zu finden. Ich hatte mir da eine Brücke über den reißenden Vassejåkka ausgesucht. Da sich der Weg dann doch etwas hinzog, mussten wir leider etwas hetzen, was auf diesem schönen Wanderweg natürlich schade war. Als wir dort endlich ankamen, mussten wir feststellen, daß die Sonne gerade über der Brücke stand und somit die Seite des Triebwagens nicht angestrahlt worden wäre. Also weitergetobt. Von einem Sumpf aus hatten wir dann die Gelegenheit, ein Bild zu machen. Standpunkt erreicht, Zug kam. Die restlichen paar hundert Meter zum Hp gemütlich und schweißabwischenderweise gegangen. Insgesamt waren wir mit der heutigen Bildausbeute durchaus zufrieden.

Rt 3583 Katterjåkk 16.30+3 > Abisko T 17.17+40

Leider schien während eines außerplanmäßig vierzig Minuten dauernden Kreuzungsaufenthaltes in Vassijaure keine Sonne. Trotzdem haben wir paar Bilder für die Ausschusskiste von dem dort stehenden Bm67 und von einem entgegenkommenden Sonderzug mit oranger Lok und 17 (siebzehn!) Wagen in alter brauner SJ-Farbgebung gemacht. Auch den Gegen-Rt (Regiontog) mussten wir noch abwarten (der hätte schon in Bjørnfjell kommen sollen...).

Nach dem Abendessen drehten wir aufgrund des Sonnenscheins noch eine kleine Runde in JH-Umgebung. Bald verschwand die Sonne hinter einem Berg, allerdings nur, um um 21.45 Uhr mit voller Intensität am Rande des Berges über dem Torneträsk wieder aufzutauchen. So fiel nun die tolle Beleuchtung auf die Nordseite der Bahn. In der Hoffnung, dadurch einen Zug mit der Lapporte im Hintergrund "machen" zu können, stellten wir uns unterhalb des Hp an die Straße (auf der kein Verkehr mehr war) und warteten. Anstelle eines großen Erzzuges kam allerdings leider nur eine kleine Draisine vorüber. Immerhin. Und wir waren nicht von Mücken belästigt worden! Nach dem Sonnenuntergang um 23.00 Uhr ins Bett gefallen.


Die Gäste der Jugendherberge beobachten von der Veranda den Sonnenuntergang.

FORTSETZUNG

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