Manchmal rollt es dann doch noch... - USA November 2023

Autor: Jan-Geert Lukner. Alle Rechte am Text und an den Bildern liegen beim Autor.

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Eigentlich war für dieses Jahr keine USA-Reise geplant, obwohl ich nach der letzten Tour sofort wieder hätte rüberfliegen können. Irgendwann hatten Dennis und ich besprochen, dass man ja auch mal was zusammen machen könnte. Zu dem Zeitpunkt war der Jahresurlaub aber schon größtenteils verplant, so dass der gemeinsame Nenner nur noch eine Woche im November sein konnte. Schnell kamen wir drauf, dass wir uns ja eigentlich beide für USA interessieren. Sollte man die Gelegenheit nicht nutzen? Durch Umschichtung von Urlaub konnten wir noch eine zweite Woche dranhängen. Die USA-Reise war geboren!

Als Zielflughafen wählten wir wieder mal Denver. Der Flughafen ist einfach ideal, um sich alle Richtungen offen zu halten. Wie bei so vielen Touren wollten wir von Denver am liebsten nordwärts etwas machen. Zu dem dort meist unsteteren Wetter würden im November die Unwägbarkeiten des Winters hinzu kommen. Wir waren uns einig, dass etwas Schnee und Kälte kein Problem sein würden, aber volle Bewegungsfreiheit sollte schon sein. Besonders intensiv beschäftigten wir uns vor der Tour mit den Fotomöglichkeiten in Wyoming. Da könnte man schon etwas machen.

In der Woche vor unserem Urlaub gab es dort dann tatsächlich einen ziemlichen Temperatursturz mit deutlichen Minusgraden, aber ohne nennenswerten Niederschlag. Wir packten auf jeden Fall mal paar dickere Sachen ein, auch wenn der Spuk schnell vorbei war und die Temperaturen auch im Norden deutliche Plusgrade erreichen sollten - zumindest tagsüber. Im Süden hätte man sogar noch hochsommerliche Temperaturen. Und viel Sonne. Wenn wir uns mal wieder südwärts treiben lassen würden, also wiiiiieder mal an die Southern Transcon der BNSF, sah der Wetterbericht nach stressfreiem Arbeiten aus. Aber auch im Norden sollte der eine oder andere schöne Tag dabei sein. Wir schoben die Richtungsentscheidung bis zur Ankunft in Denver auf, wo wir für die erste Nacht direkt ein Hotel im Osten der Stadt buchten.

Samstag, 04.11.2023

Ohne nennenswerte Verzögerungen gelangte ich mit Bus und Bahn zum Flughafen. Dort war die Sicherheitskontrolle zwar so voll, wie ich sie noch nie erlebt habe, aber ich hatte Zeit und das störte mich alles nicht. Hinterher war dann sogar noch Zeit für einen Happen und Kakao bei Marché.

LH 013: Hamburg 10:00 - Frankfurt 11:10

Der Flug verlief super pünktlich. Nachdem der Himmel morgens noch klar gewesen war, ging es beim Start geradewegs in die Wolken. Gut, dass wir nicht morgen erst starteten, denn ab dem heutigen Abend war der Betrieb am Hamburger Flughafen erstmal wegen einer Geiselnahme eingestellt worden. Zum Landeanflug auf Frankfurt legten wir uns in eine elegante Kurve an Gelnhausen vorbei. In der Ferne tauchte das glitzernde Band des Mains auf, bevor es über Hanau und das Waldstadion dann endlich kurz vor Rüsselsheim auf den Boden ging. Muss wohl die berühmte Landebahn West gewesen sein.

Der Umsteigeweg war auch nicht so arg. Jedenfalls musste man nicht durch diverse Tunnel oä. Ganz hinten am Finger, an unserem Ausgang Z69, traf ich Dennis. Gemeinsam mussten wir hier noch eine Stunde warten, zumal der Flieger verspätet bereit gestellt wurde. Der Käptn meinte später, dass man den Vogel erst hätte suchen müssen...

LH 446 Frankfurt 13:10+15 MEZ - Denver 17:05-10 MDT

Wir hatten extra den Flug ab Frankfurt genommen, weil der mit A340 geflogen wurde und jene bei Lufthansa am Fenster Zweierbestuhlung haben. So hatten wir also prima unsere "private" Reihe und auch angenehme Leute um uns herum - übrigens fast nur Amis. Die Bordverpflegung war eindeutig besser als letztes Jahr, wo man ja im Frühjahr noch Maske tragen musste. Es gab eine gute Mittagsmahlzeit, bei der man die Wahl zwischen Vegetarisch und Normal hatte. Wir bekamen Rindergulasch mit Polenta - da fühlte ich mich ja gleich an Rumänien erinnert. Dazu trug auch bei, dass der erste geschaute Film auf Schloss Hunedoara bzw Castelul Corvin gedreht worden war, das ich zwei Monate zuvor selbst besichtigt hatte.

Unter uns war es anfangs größtenteils bewölkt. Später, als die Wolken aufrissen, konnte ich ein Phänomen beobachten, das ich noch nie auf einem USA-Flug hatte: Durch den nördlichen Bogen ging irgendwann die Sonne unter und es wurde dämmerig. Erst in Grönland hatten wir so weit aufgeholt, dass wir langsam wieder beleuchtete Bergspitzen unter uns hatten, was besonders eindrucksvoll aussah.


In Grönland hatten wir die Tageshelligkeit aufgeholt und flogen praktisch aus der Nacht in den Abend.


Einzelne Bergspitzen wurden von der Abendsonne beleuchtet.

Je weiter südlich es ging, wurde es unten wieder heller. Im wilden Nordkanada lag kein Schnee, die vielen Seen waren aber stark vereist. Im kultivierten Teil Kanadas lagen die Felder unter einer Schneedecke, doch später in North Dacota waren bestenfalls Schneereste zu sehen. Zum Kaffee wurde ein Nussini kredenzt und anderthalb Stunden vor der Landung gab es noch ein warmes Abendmahl, irgendwas Asiatisches mit Couscous. Etwas vor Plan landeten wir in Denver. Die Einreise verlief absolut problemlos. Der nette Officer wollte nur wissen, ob ich zum Arbeiten oder für Urlaub gekommen wäre. Die blödsinnigen Kärtchen für den Zoll brauchten auch nicht mehr ausgefüllt und abgegeben werden. Einzig bekam man vom Officer eine Karte, die man beim Zoll wieder abgab. Das war alles.

Die Autoleihe bei Avis klappte dann auch problemlos, und so saßen wir irgendwann nach 18 Uhr in unserem RAV4. Das Hotel La Quinta in der Peoria Street war nach zehn Minuten erreicht. Um das Hotel herum, also am Rande des Parkplatzes, lungerten paar finstre Gestalten in der Dunkelheit herum, was jetzt nicht sooo vertrauenswürdig aussah. Aber das Hotel und unser Zimmer waren gut. Nach einem Spaziergang zu einer Tanke für Getränke und einen Snack für morgen fielen wir dann auch gegen 20 Uhr ins Bett.

Sonntag, 06.03.2023

Als ich gegen 1 Uhr wach wurde, dachte ich mir schon, dass es das mit dem Schlaf gewesen sei. Aber nach einer kleinen Entsorgungsrunde, fast vollständigem Schließen des Fensters und dem Überziehen von Shirt und Socken angesichts einer recht dünnen Decke habe ich nochmal wunderbar weiterschlafen können. Und mich dann sogar etwas erschrocken, als die Uhr bereits 4:30 zeigte, denn es war angepeilt, so um und bei 5 loszufahten. Am Ende war es dann aber doch nicht so schlimm, denn meine Armbanduhr hatte die Umstellung auf Winterzeit, die in den USA erst an diesem Wochenende stattfand, nicht mitbekommen. Es war also 3:30. Ich hatte sicher acht Stunden geschlafen und fühlte mich ausgesprochen frisch. Jetzt konnte man entspannt noch paar Sachen sortieren, sich einrichten und mittels Zimmerkaffee frühstücken. Jetzt, nach der vorerst letzten Zeitumstellung, konnten auch die Kamerauhren "gerichtet" werden.

Um 5 Uhr waren wir dann "on the road". Und zwar weder nach Süden noch nach Norden. Nanu, wieso das denn? Die Wetterprognose sah so aus, als ob man durchaus nordwärts was werden könnte. Aber eben nicht in den nächsten zwei-drei Tagen. Südwärts, im "Verfolgungsgebiet" des Southwest Chief, den wir natürlich als Taxi an die Southern Transcon genutzt hätten, sahen die Prognosen auch nicht so prall aus, dass man dorthin gelockt worden wäre. Deshalb hatten wir entschieden, in der Gegend zu bleiben. Und wenn man in der Gegend von Denver bleibt, so denkt man natürlich an die UP-Strecke, die ab hier direktemang die Rockys quert, besonders an das schöne Stück zwischen Kremmling und Dotsero. Wir wählten den Weg über die I70 und dann über den Berthoud Pass. Schnee bekam man wirklich erst ab etwa 2500m Höhe zu sehen, aber nur in Form von Resten am Straßenrand.


In den Serpentinen auf dem südlichen Aufstieg zum Berthoudpass, der die kontinentale Wasserscheide bildet,...


...ist im Osten erstes Morgenrot zu beobachten.

Die Ecke nördlich des Passes mit den Wintersportorten rund um Winter Park war ein richtiger Gefrierschrank. Während oben auf dem Pass die Temperatur um den Gefrierpunkt pendelte, fiel die Temperatur im Grand Coutry bis auf 26°F (-3°C). So langsam kämpfte sich die Sonne durch einige Wolkenfelder durch und beleuchtete die Landschaft herrlich. Rund um Kremmling war Schnee kein Thema mehr. Wir fuhren direkt auf die Erdpiste Richtung Bond und ließen uns an einem der bekannten schönen Ausblicke nieder. So langsam erreichte die Sonne mehr und mehr den Talgrund. Ob vor den Amtraks zur Mittagszeit wohl irgendein Güterzug vorbeischaut? Das wäre schon toll. Er ließ sich Zeit, bis der Talgrund gut ausgeleuchtet war. Aber er kam! Und in voller Sonne!


Ein wahrlich passend auftauchender Güterzug rollt durch den Ausweichbahnhof Azure...


...und erreicht dann den Eingang zum Gore Canyon.


Eine passende Schublok ist auch vorhanden, so dass der Blick in den Canyon ebenfalls noch möglich ist.

Wir sind ihm hinterher gefahren, um ihn nochmal in Kremmling zu machen. Da war nun aber gerade nur Mumpflicht. So ganz klar war uns nicht, wo man den Zug für den entgegen kommenden Amtrak an die Seite nehmen würde. Das war dann bereits in Troublesome, dem nächsten Siding hinter Kremmling. Wir bauten uns auf der Straßenbrücke östlich des Sidings für den Amtrak auf. Als der hinten um die Ecke kam und keine Sonne absehbar war, fuhren wir ihm voraus - ohne zu wissen, ob wir noch rechtzeitig vor dem Zug an den Motiven südlich Kremmling wären.

In Kremmling hatte der Zug uns eingeholt und war nicht gerade langsam. Bis zu unserem Ausguck von heute Morgen hatten wir nun keinen Sichtkontakt zur Strecke. Wir waren gespannt... Tatsächlich trafen wir nun genau zeitgleich wieder zusammen. Im Folgenden waren wir allerdings trotz Erdpiste eindeutig schneller. Bis zum Erreichen der Hauptstraße bei State Bridge bekamen wir den Zug noch drei Male, zwei davon in Sonne.


Amtrak 05 "California Zephyr" von Chicago nach Emeryville bei San Francisco erreicht im Tal des Colorado den Ausweichbahnhof Yarmony.


Kurz vor dem Bahnhof Bond durchfährt er die kleine Siedlung State Bridge, von der aus das Foto aufgenommen wurde.

Nun ging es auf der Hauptstraße westwärts weiter. Im Bahnhof Bond stand ein kleiner Getreidezug mit zwei Loks am Westende. Da lebte aber nichts. Offenbar war der abgestellt. Sollte der im Zusammenhang mit der hier abzweigenden Nebenbahn hoch nach Craig stehen, die hier spektakulär als Steilstrecke beginnt? Wir schauten uns bei Querung des BÜs der Nebenbahn die Schienen genauer an. Die waren außerordentlich blank!

Zur Verfolgung des Amtrak bogen wir bei Mc Coy auf die nächste Erdpiste ab, um der Strecke südwärts nach Dotsero zu folgen. Hier standen unsere Bilder etwas unter dem Motto "Eine Ecke weiter wäre das Hauptmotiv gewesen". Zwar hatten Yannick und ich hier in Vorjahren schon mal die Motive auf OSMAND gekennzeichnet, aber was nutzt das, wenn man beim Gerätewechsel die Markierungen nicht überträgt. Leider bietet OSMAND für Favoriten usw keine Speicherung in einer Cloud o.ä. an.


Zwischen Bond und Dell begegnet uns der Amtrak erneut in einer Flussschleife des Colorado.

Immerhin hatten wir den Zug viermal bei Sonne bekommen. Das war leider keine Selbstverständlichkeit, denn in unserem Bereich hatte sich der Himmel im Gegensatz zur Vorhersage von neun Sonnenstunden völlig bewölkt. Doch auch den in Dotsero kreuzenden Gegenzug bekamen wir noch einmal in Sonne. Weiter haben wir es dann nicht mehr versucht, denn im weiteren Fahrtverlauf sah es nun gar nicht mehr nach Sonnenchance aus.


In Dotsero wird mit dem Gegenzug, Zug Nr 6, gekreuzt. Dieser begegnet uns zwischen den Ausweichbahnhöfen Range und Dell bei der kleinen Siedlung Burns.

Es war erst 14 Uhr. Lust auf Heimfahrt (wir wollten wieder in Denver übernachten) hatten wir noch nicht. Der voll geniale, raffiniert ausgeklügelte Plan war nun: Wir stellen uns in State Bridge an den Rand und schauen mal... Gesagt getan. Etwas Anlass zu Spekulationen gab uns die Tatsache, dass bei Vorbeifahrt am Bf Bond der "abgestellte" Getreidezug dort nicht mehr stand. In Richtung Dotsero ist er nicht gefahren. Das hätten wir wohl bemerkt. Also nach Lokumlauf wohl gen Denver? Oder auf die Nebenbahn, haha!

Nach etwas Zeit des Überlegens, ob das alles wettertechnisch noch Sinn hat, kam uns die Idee, dass man einfach mal an der in Bond abzweigenden Nebenbahn kundschaften könnte. Die Strecke steigt wirklich extrem spektakulär steil aus dem Tal des Colorado aufwärts und muss zur Höhengewinnung zahlreiche Kehrschleifen ausfahren. Eine Nebenstraße sollte ein ganzes Stück in einen Teil der Schleifen hoch führen. Das könnte man sich ja mal anschauen. Vielleicht kann man die Kunde doch irgendwann mal gebrauchen, denn wie vorhin gesagt: Die Schienen waren blank! Und vielleicht erwischen wir dort den Güterzug auf der Rückfahrt, wenn die Getreidewagen tatsächlich dort hoch gefahren worden sind. Haha, man kann ja mal spinnen.

Das konnte nur Quatsch sein, da die Nebenbahn irre lang ist und da sicher nicht so schnell etwas zurück kommen kann. Wir bogen bei Mc Coy in die Conger Mesa Road ein. Der Fahrweg wand sich mit tollen Ausblicken durch die Ranch-Landschaft hoch über dem Colorado Valley. Hier oben gab es massig extensive Rinderhaltung. Das war wunderschön.

Bald hatten wir uns zum Bahngleis hochgearbeitet. Was ich an dieser nur "vereinzelt vielleicht mal" bedienten Strecke jetzt nicht unbedingt erwartet hatte, war das Hauptsignal, das wir bald zu sehen bekamen. Und es leuchtete rot! Ok, wird wohl nur für irgendeine Steinschlagschutzeinrichtung sein, was soll sonst hier ein Signal? Auf den Gedanken, dass einem Halt zeigenden Lawinenschutzsignal ein Geröllabgang vorausgegangen sein muss, kamen wir gar nicht. Aber dass die lieblichen Rinderweiden links und rechts der Bahn auch nicht gerade die große Geröllgefahr bergen, sagten wir uns schon. Na ja, wird halt irgendeine abweichende Schaltung sein; sowas gibt es ja manchmal. Lange brauchten wir an diesen Erklärungsversuchen nicht festzuhalten.

Die Erklärung war nämlich ganz einfach: Der Blockabschnitt hinter dem Signal war belegt! Da glitt doch tatsächlich der Getreidezug durch die Hänge! Es war allerdings der Aufwärtsfahrer! Der muss für das kurze Stück von Bond hier hoch mindestens weit über eine Stunde gebraucht haben. Und weiter oben in den Hängen schien Sonne! Wir hatten jetzt wieder eine kleine Kehre erreicht, die der Fahrweg quer durchschnitt, die Crater Loops. Am BÜ von der mittleren Ebene war der Zug gerade durch. Hier schien aber eh noch keine Sonne. Am BÜ von der oberen Ebene war der Zug zwar schon so nahe, dass ich normal nicht mehr rüber gefahren wäre. Aber er war ja sooo langsam und hatte zum Glück auch noch nicht gehornt. Also rüber. Jetzt kam die Einfahrt in den Bahnhof Crater, einen voll mit Signalen ausgerüsteten Bahnhof! Unglaublich! Hier waren wir in der Sonne angekommen. Der Zug konnte hier zwar kein Frontlicht haben, aber wir sahen zu, dass wir zu dem BÜ im Siding kamen. Check! Wir hatten unglaublicherweise auf dieser Nebenbahn einen Zug erwischt!


Auf der Nebenbahn von Bond nach Craig rollen kaum noch Züge - nach unseren Infos nur noch einmal die Woche. Und wir haben ihn erwischt, den Local nach Craig, hier in der Ausweichstelle Crater.

Nun wurden wir natürlich übermütig. Dem Zug stand jetzt ein Abschnitt mit gleich zwei Kehren bevor. Der Fahrweg sollte in die zweite Schleife weiter führen. Wir wollten das einfach mal versuchen. Vorbei an einem alten Gleisdreieck ging es weiter, doch bei einem Steinbruch hatten wir nur noch die Wahl zwischen verschlossenen Toren und einem weiter führenden Weg, an dessen Eingang die gesamte Sammlung unserer Lieblingsschilder hing, von No Trespassing bis zur wotschenden Nachbarschaft. Nur ein Schild hatten sie vergessen: "No flight zone". Die obere Ebene der beiden Rundkehren war am anderen Hang zu erkennen - das sollte mit der Drohne machbar sein.

Etwas unterschätzt hatte ich wohl die Höhe des gesehenen Abschnittes. Aber mit gut zureden bekam ich die Drohne da rüber. Leider war da oben, wo schon der nächste voll signalisierte Bahnhof lag, kaum noch Licht auf der Strecke. Und es würde gewiss nicht mehr werden. Zum Glück hatte ich eine frische Batterie eingelegt, denn der Zug war erstmal verschollen auf seinen ganzen Talausfahrungen. Der Abschnitt dahinten musste wirklich spektakulär sein. Schade, dass man dort nicht herankommen konnte. Immerhin hatte die Drohne noch für 10min Batterie, als der Zug ganz hinten auftauchte. Zwischenzeitlich war auch das Licht mal ganz weg, aber zum Zug schien es wieder gut. Leider hatten nur die Loks etwas davon - für mehr reichte der beschienene Abschnitt nicht aus.


✈ Der nächste Ausweichbahnhof Volcano liegt in Sichtweite vom Bf Crater, aber der Zug musste sich zwischen beiden Sidings über mehrere Talausfahrungen viele Höhenmeter empor kämpfen und taucht erst 20min später in Volcano auf.

Das war ja mal ganz lecker gewesen. Ein Satz noch zu dieser Bahnstrecke: Auch wenn ich die ganze Zeit von "Nebenbahn" spreche, ist dies die ursprüngliche "Moffat Road", also die von der einstigen Denver, Northwestern and Pacific Railway (DNW&P) als Fernstrecke von Denver an den Salzsee konzipierte Hauptstrecke, deren Bau aber nie über Craig hinaus gekommen ist. Die jetzige Strecke der Ferngüterzüge und des Amtrak von Bond nach Dotsero ("Dotsero Cutoff"), wo wir über Mittag waren, ist erst später gebaut worden.


Unterhalb des Bf Crater gibt es auf offenem Feld die Crater Loops. Als wir zurück fuhren, hatte die Perspektive irgendwie etwas von Achterbahn.

Wir beendeten den Tag, über den wir trotz der Wolkenübermacht nicht unzufrieden sein konnten, und fuhren nach Denver zurück. Dennis hatte die Restaurantkette Golden Corral empfohlen, und die kommt halt nicht so häufig vor. Es handelt sich um ein amerikanisches Buffet und bot wirklich einen guten Streifzug durch die amerikanische Küche. Als Hotel hatten wir wieder ein La Quinta ausgewählt, allerdings ein anderes als gestern.

Montag, 06.11.2023

Der Blick in die Wetterkarten wies einmal mehr den Weg südwärts. Aber wir waren uns einig, dass das nicht unser Wunsch ist, und hofften mal, dass die gute Vorhersage für die zweite Wochenhälfte in Wyoming nicht gänzlich zusammenbricht. Heute sollte kein Wetter sein. Ein guter Tag für eine Reise. Wir nutzten noch unseren Jetlag, um vor Einsetzen des Berufsverkehrs aus Denver raus zu sein. Um kurz nach 5 ging es los.

Nach Sonnenaufgang war zu erkennen, dass doch noch ganz schön viel Blau am Himmel war. Das Morgenlicht beleuchtete die gelbe Hügellandschaft der Prärie wunderschön vor finsteren Wolken. An einer Abfahrt fuhren wir mal raus und an die parallele Strecke ran. Natürlich kam gerade nichts. Uns wunderte, dass wir an der Piste gar keine Signale sahen. Die Verbindung Cheyenne - Denver muss doch wohl eine Hauptstrecke sein? An einer Tankstelle in Wellington gab es nen Bagel und einen guten Kaffee.

Es war eine lange Fahrt. Bald der Wechsel von Colorado nach Wyoming. Cheyenne, Casper, dazwischen viel Landschaft. Sehr viel Landschaft. Gelegentlich mal ein Bahngleis. Weiter im Norden war auch ein Kohlezug zu sehen. Der stand in Orin Junction und war von Fern noch besonnt, als wir dort waren aber nicht mehr. In Casper trafen wir um 10:15 ein. Gemäß unserem Tagesryhtmus hatten wir nun ein Mittagessen bei Wendys geplant. Dort wurde bis 10:30 noch Frühstück serviert. Wir vertrieben uns die Zeit vorm Restaurant, an einer großen Kreuzung die Rechtsabbieger zu beobachten. In Wyoming ist nämlich das sonst in den USA erlaubte Rechtsabbiegen bei roter Ampel analog zum festen grünen Pfeil in Deutschland verboten. Die Erkenntnis war nun aber, dass sich genau gar keiner dran hielt. Alle Rechtsabbieger fuhren bei roter Ampel weiter. Dann wussten wir das jetzt auch.


Endlich wieder Wendys. Ok, für das Bild hätte ich den Hamburger vielleicht mal lieber auspacken sollen...

Einen Daves Double, ein Chili und eine Erdbeerlemonade später konnten wir die Fahrt fortsetzen. Die Autobahnfahrt war nun zuende. Unser Ziel war die BNSF Casper Subdivision von Casper nach Billings in Montana mit ihren spektakulären Abschnitten durch den Wind River Canyon und durch den Sheep Canyon. Klingt gut, hat aber einen Haken. Auf der Piste verkehren nur ein bis zwei Zugpaare am Tag. No risk no fun... Bilder im Netz von dem planmäßigen Manifest Billings - Denver zu passenden Zeiten nährten unsere Hoffnung, dass etwas ginge.


Dieses Bild gibt eigentlich sehr gut den Landschaftscharakter der gesamten Fahrt wieder: Gelbes Grasland mit gelegentlichen Hügeln, darüber mal mehr, meist aber weniger Blau am Himmel.

Wir fuhren nun durch endlose Prärielandschaft westwärts. In der Richtung unseres ersten Ziels, dem Wind River Canyon, zeigte sich nun ganz schön viel Blau am Himmel. In Shoshoni verließen wir den Weg der Touristen. "Man" fährt hier natürlich geradeaus weiter in die wohl beeindruckendsten Nationalparks der USA, den Grand Teton Nationalpark und vor allem zum Yellowstone NP, der für mich praktisch "DER" amerikanische NP schlechthin ist und den ich sehr gern mal besuchen würde. Aber das nutzte jetzt alles nichts, da der Yellowstone im November praktisch geschlossen ist; lediglich eine Straße ganz im Norden, die auf der Karte nicht so spektakulär aussieht, ist dann noch befahrbar. Wir mussten uns also damit begnügen, die hohen Bergzacken in den nächsten Tagen bloß aus der Ferne herüber grüßen zu sehen.

Daher bogen wir in Shoshoni also nordwärts ab und fuhren entlang des Boysen Reservoir zu dessen Staudamm, dem Boysen Dam. Der markiert gleichzeitig das südliche Ende des Wind River Canyons. Tatsächlich lachte hier die Sonne nur so vom Himmel. Über den Staudamm kann man auf die andere Flussseite gelangen, was im übrigen Canyon nicht möglich ist, so dass man dort nur vormittags fotografieren kann. Da der Damm Bezahlstraße ist, ließen wir das Auto an der Hauptstraße zurück und liefen zu Fuß rüber. Einfach auf gut Glück mal warten.


Südlich des Wind River Canyons dehnt sich die Wasserfläche des Boysen Reservoir aus. Da die Bahn den Canyon unter Wasser-Niveau des Stausees verlässt, wird sie ein ganzes Stück durch einen Tunnel geführt, bis sie über Stausee-Niveau wieder auftaucht. Ganz schön viel Aufwand für so eine Nebenbahn.

Das war dann auch eine sehr erholsame Stunde in der Sonne, doch dann zogen wieder Wolken auf und die Sonne sank eh hinter die Berge. Ein Zug war natürlich nicht gekommen. So richtig ernsthaft hatte ich damit allerdings auch nicht gerechnet. Wenn der Manifest Billings - Denver mittags im Sheepcanyon gesehen wurde, kann er nicht bis 15 Uhr hier sein, denn er hat noch Rangier- und Crew Change Aufenthalte in Greybull.

Wir fuhren nun durch den gesamten Wind River Canyon nordwärts. Joaaaa, gebt uns einen passenden Südfahrer vormittags und wir machen euch von dem eine ganze Reihe spektakulärer Aufnahmen. "Planmäßig" (also nach der größten Häufung der Sichtungen) fährt hier vormittags aber leider nur bei Bedarf der Local... Am nördlichen Ende des Wind River Canyons gibt es kurz vor Thermopolis die Stelle "Wedding of the Waters", ab der der nordwärts fließende Wind River den neuen Namen Bighorn River erhält. Unter diesem Namen wird derselbe Fluss auch für den Sheep Canyon zuständig sein.

Die weitere Fahrt bis zu unserem Hotel in Worland zog sich noch ganz schön. Wenn die Sonne durchkam, gab es geniale Stimmungen. Die Bahn war fast ununterbrochen in Sichtweite, aber einen Zug bekamen wir nicht zu sehen. In Worland hatten wir im Days Inn gebucht. Das war sogar ein klassisches Motel, in dem wir uns auf Anhieb wohl fühlten.

Es war mal ganz schön, etwas früher im Hotel zu sein. Nach Ankunft gab es noch ne Einkaufsrunde durch den Ort. Weder im Supermarkt noch in den Tankstellen gab es Bier zu kaufen. (Nachtrag: Im Supermarkt hätte es irgendwo hintenrum ums Eck einen separaten Eingang für Sprittis gegeben). Im Liquor-Shop wurden wir dann fündig. Nach etwas Regeneration ging es noch auf ein halbes Sandwich (darf man nicht sagen, 6inch muss man sagen) zu Subway. Der Güterzug kam erst um 19:30 durch Worland gefahren. Vom Hotel konnten wir ihn hervorragend hören. Eine Stunde später schlief ich bereits tief und fest...

Dienstag, 07.11.2023

Unser Motel gefiel uns sehr gut. Ich habe bestens geschlafen. Wir entschieden uns, direkt noch eine Nacht dran zu hängen. Zwar wäre für den Sheep Canyon Greybull der nächstgelegene Ort, aber da war die Hotel-Auswahl eingeschränkter. Und die 37min Fahrt sind an den kurzen Tagen ja auch kein Problem. Das Frühstück unterstrich den positiven Eindruck vom Hotel. Es gab deutlich mehr Auswahl, als ich es bei einem Days Inn erwartet hatte. Der Frühstücksraum war verziert durch allerlei süße Zeichnungen von Schwarzbären, die auf den Bäumen rumkrabbelten.

Heute sollte das Wetter bestenfalls halbwegs brauchbar werden. Der Plan war ein komplettes Erkundungsprogramm rund um den Sheep-Canyon. Wir wollten schauen, inwieweit man dort überhaupt ran kommt. Eine Straße führt dort nämlich nicht durch. Erstmal fuhren wir nach Greybull hoch. Der dortige Bahnhof ist so eine Art Betriebsmittelpunkt der Strecke. Von hier gehen in beide Richtungen Locals raus. Dementsprechend standen auch einige Loks herum. Und der nordfahrende Manifest stand im Bahnhof und war so lang, dass er die BÜs an Nord- und Südausfahrt dauerhaft blockierte. Nach dem Umsetzen einer Wagengruppe schien er zur Ausfahrt bereit zu stehen.

Wir wollten ohnehin mal nordwärts schauen und fuhren auf der Landstraße außenrum. Es ging durch eine ziemliche Mondlandschaft bei Querung eines Höhenzuges. Rechterhand war die hohe, bizarre Bergkette der Sheep Mountains zu sehen, die durch den Sheep Canyon durchbrochen wird. Immerhin sah eine mögliche Zufahrt in Richtung Canyon ganz befahrbar aus und war nur mit einer Warntafel, nicht aber mit Verboten bestückt. Wir fuhren weiter bis Lovell und stellten uns da an einem BÜ mit schöner Bergkulisse an den Rand. Hier löste sich die Bewölkung gerade ein wenig auf. Vielleicht würde ja doch mal ein Sonnenbild gehen - wenn auch mit Schattenfront.

Das ist ja auch Urlaub. Schön an einem abseits gelegenen BÜ im Auto sitzen oder mal paar Schritte um das Auto herum lustwandeln. Es waren dann doch tatsächlich zwei volle Stunden, die wir dort zugebracht haben. Dann tauchte der Zug immerhin auf. Die Wolken hatten sich ziemlich verpieselt, und die eine Fronthälfte bekam sogar schon Licht ab.


✈ Auf der BNSF Casper Subdivision kommt der norwärts fahrende Manifest...


...östlich von Lovell angefahren. Die Bighorn Mountains dienen als Kulisse.

Zu unserer Verwunderung hielt der Zug nun aber in Lovell an. Warten auf Kreuzung schied aus, denn es gab gar kein Ausweichgleis. Wohl aber die Zuckerfabrik von American Sugar mit vielen Anschlussgleisen. Tatsächlich bediente er nun das Werk. Das dauerte. War das gar nicht der Manifest, sondern der Local? Dafür war er aber doch bischen lang geraten. Wir bauten uns auf einer Straßenbrücke hinter Lovell auf. Doch vor dieser war das nächste Werk, Wyo-Ben Inc, das auch ein Anschlussgleis hatte. Das musste nun auch erstmal noch bedient werden... Das dauerte.


In Lovell haben die Loks erstmal eine lange Wagengruppe auf den Hof der Zuckerfabrik gestellt und kehren nun an den Zug zurück.


Eine Meile weiter musste schon wieder angehalten werden. Das Werk im Hintergrund bekam auch zwei Wagen ab.

Wir rechneten ja auch immer noch damit, dass irgendwann mal der Südfahrer auftauchen müsste. Für den wären wir angesichts des gar nicht so üblen Wetters sofort zum Sheep-Canyon gefahren. Doch so langsam käme er eh zu spät für den engen Teil der Schlucht. Signale gibt es an der Casper Subdivision übrigens nicht; hier wird auf mündliche Track Warrant Control (TWC) gefahren. Das System ist vergleichbar mit unserem Zugleitbetrieb.

Im weiteren Streckenverlauf gab es nun nicht so die Traummotive. Deshalb fuhren wir einfach mal weiter und landeten unversehens in Montana. Hier wurde die Landschaft wieder interessanter. Die Strecke musste nun einen Bergpass in völlig kahler, offener Landschaft queren. Und da gab es am Siding Warren auch direkt zu tun, denn dort hatte Montana Limestone seine Verladeanlage, vor der sogar eigene Loks standen. Die sahen schmuck aus und standen schön in der Sonne.


Bereits in Montana sonnen sich die beiden Werkloks von Montana Limestone vor ihrem Werk.

Für "unseren" Zug wollten wir aber mal ums Eck schauen, denn am anderen Ende des Sidings von Warren stände für ihn das Licht gut. Leichtsinnigerweise waren wir dem Zug allerdings ein ganzes Stück voraus gefahren. Wer weiß, wo der noch überall Wagen wegsetzen muss? Der Local war das übrigens nicht, denn der endet normalerweise in Cowley, wo unser Zug aber nicht gehalten hatte.

Warten. Wir hatten den Zug doch zwei Dörfer weiter gesehen. Wo bleibt der denn? Halbe Stunde um. Ist der Zug etwa in Frannie auf den Cody Branch abgezweigt? Sicher nicht mit dem langen Zug. Und mit einigen heraussortierten Wagen auch nicht, weil in Frannie kein Platz zum Heraussortieren war. Wir fragten uns überhaupt, wo die hier kreuzen wollen. Die Ausweichgleise der meisten Sidings waren vollgestellt. Wie zuhause auf der OHE... Eine Stunde um. Immer wieder sorgen die Wolken für unnötige Spannung. War das ein Horn? Hören wir Lokmotoren? Nein, wieder ein Truck auf dem Highway. Oder? Doch, das sind jetzt Lokmotoren. Der Zug kam! Unendlich langsam! Sicherheitshalber schickten wir ihm die Drohnen entgegen, denn gerade war Sonne. Netterweise schien die aber auch noch, als der Zug uns erreichte.


✈ Die Ausweiche Warren ist irre lang, aber auch mit Wagen vollgestellt.


So muss unser Manifest also auch hier keine Kreuzung befürchten.

Das war jetzt sehr sehr schön! Weiter hinterher zu fahren machte vom Sonnenstand keinen Sinn mehr. Wir beschlossen, jetzt das zu machen, was eigentlich unsere Tagesbeschäftigung hatte sein sollen: Kundschaften. Deshalb fuhren wir als erstes von Lovell die Straße ostwärts weiter nach Kane, wo wir uns mit der Bahn am Ufer eines Stausees Fotomöglichkeiten erhofften. Nervig war auf dem Weg dorthin eine irre lange einspurige Verkehrsführung mit pendelndem Führfahrzeug. Als wir dann gerade die Straße auf den BÜ am Stausee hinunter fuhren, glitten dort Wagen durch die Gegend! Der Local fuhr jetzt nordwärts! Sogar mit führender "alter" Lok!

Für unsere Motivkunde konnten wir also nur beim Wenden einen schnellen Blick werfen, wobei das alles nicht aussichtslos aussah. Dann dem Zug hinterher, der aber bald stehen blieb. Hier war das Werk von Bentonite Performance Materials. Wie wir heute bereits gelernt hatten, haben amerikanische Güterzüge an (fast) jedem Werk etwas zu tun - so ein Local natürlich erst recht. Wir waren aber gerade einen Stichweg an die Bahn runter gefahren, da setzte sich der Zug wieder in Bewegung. So wie es aussah, nicht zum Rangieren.

Da wir ja wieder durch die Baustelle durch mussten, sahen wir zu, dass wir hinterher kamen. Dummerweise lag aber im Bereich der einspurigen Straßenführung bereits das nächste Werk, American Colloid. Dass der Local da nicht einfach vorbei fahren würde, war uns natürlich klar. Aber davor gab es keine Chance an die Strecke zu kommen. Wir steuerten einen BÜ westlich des Werkes an und warteten. Die Stimmung mit der von finsteren Wolken gekrönten Gebirgskulisse war hammermäßig, wenn die Sonne mal schien. Aber der Zug ward nicht gesehen. Sollte er doch noch bei Bentonite rangiert haben?

Nach wieder mal reichlich 20min tauchte hinten endlich ein Licht auf. Natürlich blieb es östlich des Colloid-Werkes an der Wagenübergabegruppe stehen. Es wurde rangiert. Da sich an unserem BÜ die Baumschatten immer mehr zum Thema machten, wechselten wir zu unserem Bahnübergang von heute Vormittag. Eigentlich hatte es schon so ausgesehen, als ob sich das Thema Sonne für heute erledigt hätte. Doch dann kam sie doch wieder mit aller Intensität raus. Und das Licht auf den Gleisen näherte sich nun. Es näherte sich sogar ganz schön schnell! Hinter dem Licht folgte allerdings nicht besonders viel...


Kurz vor Sonnenuntergang kommt auch noch der Local angefahren. Oder das, was von ihm übrig ist.


Die Loks fuhren nur bis Lovell, wo eine Bestandsaufnahme der Wagen in der Zuckerfabrik durchgeführt wurde. Dann ging es wieder zurück. Komische Aktion...

Nachdem wir die Loks auch nochmal in Lovell neben der Zuckerfabrik aufnehmen konnten, war aber wirklich Schluss. In den letzten Strahlen der Sonne fuhren wir durch die Mondlandschaft zurück nach Greybull. Da es noch hell war, erkundeten wir die Straße in Richtung Sheep-Canyon und die Zuwegungsmöglichkeiten in Richtung Motive. Da es jetzt aber rasch dunkel wurde, drehten wir bald wieder um. Immerhin ist die ganze Gegend anscheinend nicht komplette No Trespassing Zone.

Um 18 Uhr waren wir zurück in Worland. Diesmal ging es für das Abendessen zu Arbys auf ein Roastbeef-Sandwich. Wobei uns das verwendete Roastbeef nicht wirklich hochwertig vorkam. Dann machten wir es uns im Motel gemütlich. Dafür, dass wir aufgrund der Wettervorhersage mit einem reinen Erkundungstag gerechnet hatten, konnten wir mit der Fotoausbeute durchaus zufrieden sein. Nur erkundet haben wir nicht so viel. Nachdenklich gemacht hat uns die Tatsache, dass der erwartete südfahrende Manifest gar nicht gekommen war. Heute hätten wir im Sheep-Canyon gar nicht erst stehen müssen - da wäre nichts gekommen. Sollte der Zug nur jeden zweiten Tag fahren? Na, da hätten wir ja morgen beste Chancen... (ja, das war ironisch gemeint).

Wir waren uns einig, dass wir das nun probieren mussten. Irgendwie war der Sheep-Canyon für die Tour unser Haupt-Wunschziel gewesen. Nun waren wir hier und mussten es versuchen. Dann vielleicht Donnerstag den Wind River Canyon. Dann soll aber ultimo sein. Experiment beendet, dann soll es an Strecken mit mehr oder sichererem Verkehr gehen. Bzw an Strecken, an denen wir mit mehr oder sichererem Verkehr rechneten, denn es kann so viel passieren... Der Beschluss stand jedenfalls fest! Gute Nacht!

Mittwoch, 08.11.2023

Zu allem Überfluss hornte heute Morgen um kurz vor 6 ein recht langer Güterzug südwärts durch den Ort. Na super, war es das dann schon mit dem Sheep-Canyon? Dem Zug Richtung Wind River Canyon hinterher zu fahren, brachte auch nichts, denn es war noch ziemlich bedeckt und der Zug würde dort in der Schlucht um die Zeit eh noch keine Sonne abbekommen. Aber Hin- und Hergerissen waren wir schon...

Wir frühstückten erstmal in Ruhe unter Beobachtung der Schwarzbärchen an den Wänden. Gemäß unseres gestern beschlossenen Konzeptes hatten wir auch das Zimmer um eine weitere Nacht verlängert. Nach dem Frühstück hatten wir ein Zusatzkonzept. Vor einer Stunde war ja nun der Südfahrer durchgekommen. Aufgrund der Länge und Wagenmischung schien es tatsächlich der Manifest zu sein. Wenn der ähnlich lahm wäre wie gestern der Nordfahrer und vielleicht auch noch das eine oder andere Werk bedient, würde er ja vielleicht doch erst bei Sonne durch den Wind River Canyon fahren.

Es war jetzt 7 Uhr. Beim Sheep-Canyon brauchten wir eh erst ab 10 zu sein. Warum nicht einfach mal südwärts schauen, ob man den Zug einholt. Wenn wir ihn bis Thermopolis nicht mehr sähen, ist er eh viel zu früh durch den Canyon gefahren und wir konnten immer noch wie geplant in den Sheep-Canyon fahren. So taten wir es. Große Fotoambitionen hatten wir eh nicht, denn der Himmel war noch fast komplett dicht.

Man hatte fast durchgehend Bahnblick, aber der Zug war offenbar über alle Berge. In Thermopolis dampften die heißen Quellen vor sich hin. Das sah schon klasse aus. An einer Tankstelle gab es mal wieder einen dieser guten Kaffees, dann ging es zurück nordwärts. Dort oben sah der Himmel schon viel blauer aus. Deshalb drehten wir auch nicht um, als uns nördlich Worland der Local entgegen kam, der sogar Wagen dabei hatte, die auf ein Ziel südlich des Wind River Canyons schließen ließen. Aber im Rückspiegel war der Himmel komplett dicht, nach vorne wurde es hingegen immer blauer. Paar Labis waren immerhin drin.


Die Hauptstraße von Worland. Morgens ist noch nicht so viel los.

In Greybull sah es so aus, als ob der nordwärts fahrende Local im Bahnhof bereit stände. Wir schauten, dass wir zum Canyon kommen. Das erste Stück des Wegenetzes kannten wir ja schon. Hinter der ersten Abbiegung war der Weg auch noch ok, wobei man an einem Gefällestück mit massiver Längsschlucht im Weg schon etwas aufpassen musste. Dann war allerdings eine kleine Rinne zu durchfahren, die uns auch mit dem RAV4 zu riskant erschien.


Die Bergkette der Sheep Mountains.

Wir ließen das Auto stehen und liefen zu Fuß weiter. Da wir meinten, dass es querbeet schneller ginge, wurde es etwas mühsam. Aber nach Querung einiger Querschluchten und dann einfach entlang des Gleises erreichten wir erst den einen Fotofelsen. Wir blieben erstmal da, obwohl das definitiv noch nicht der richtige war.

Wir hatten etwas Angst, dass von hinten der Local käme, liefen dann aber doch noch am Gleis weiter zum richtigen Felsen. Das war dann auch der gewünschte Ausblick. Es ist schon gigantisch, in was für einer Klamm der Bighorn River hier einfach durch die Bergkette der Sheep Mountains bricht. Bald war der Local zu hören. Natürlich war das die falsche Richtung. Aber wir konnten mit den Drohnen in die Schlucht hinein fliegen und aus dem Schattenbereich den Local fotografieren.


✈ Leider in der falschen Richtung war der nordfahrende Local unterwegs, den wir dank Drohnen immerhin im Canyon darstellen konnten. Fluss und Bahn durchbrechen hier in einer kurzen S-Kurve einen Bergrücken, dann ist der Spuk schon wieder vorbei.

Somit hatten wir wenigstens schon mal einen Zug im Sheep Canyon fotografiert. Leider war der Local so spät hoch gefahren und so lang, dass wir nicht mit einer Rückkehr vor Sonnenuntergang rechnen konnten. Die Hoffnung lag auf irgendeiner Sonderabfuhr. Es war Getreidesaison, es war Zuckerrübenzeit, und die Zuckerfabrik in Lovell hatte ja wirklich voll mit Wagen gestanden. Trotz eines kalten Windes hatten wir ein schönes Plätzchen, an dem man es gut aushalten konnte. Die Zuschattung der Motive wird unser Ultimo sein. Dabei hofften wir natürlich, von den wilden Tieren in Ruhe gelassen zu werden, z.B. von den Schwarzbärchen aus dem Frühstücksraum. Mit dem Auto in der Nähe würde man sich sicherer fühlen.

Irgendwie vergeht so eine stundenlange Wartezeit, in der theoretisch ständig ein Zug kommen könnte, wie im Fluge. Irgendwann war die Sonne so weit rum, dass man von schönem Seitenlicht sprechen konnte. Darauf folgte aber in nicht all zu großer zeitlicher Ferne die Phase, in der die Schatten zu kriechen begannen. Der optische Eindruck des Canyonausgangs veränderte sich dadurch ständig. Aber das nutzte alles nichts, denn es kam einfach nichts. Schade, wir hatten wirklich darauf gehofft, dass wie auf vielen Bildern gesehen, um die Mittagszeit ein Manifest südwärts käme. Nachdem nun aber heute Morgen einer gefahren war, mussten wir natürlich damit rechnen, dass nun keiner mehr kommt. Immerhin saß es sich da gut. Der kalte Wind hatte sich auch irgendwann gelegt. Wir konnten Ameisen beobachten, die einen steinigen Haufen ausbauten, irgendwelche unbekannten Vogelstimmen von den Felsen gegenüber erlauschen und sogar einen Paddler beobachten, der sich vorüber treiben ließ. Das ist doch auch schön...


Das wäre das Motiv gewesen. Oder jedenfalls eine von zahllosen Möglichkeiten.

Die Verabredung war, das Motiv zu verlassen, wenn der Schatten keine zwei Loklängen Sonne mehr aufs Gleis lässt. Als es soweit war, ging natürlich die Diskussion los, wie lang denn bitteschön zwei Loks sind. Aber so oder so - verpasst haben wir sicher nichts. Wir konnten nun einen Weg gehen, der Stück oberhalb entlang führte. Warum haben wir den nicht auf dem Hinweg genommen? Wäre wohl zu einfach gewesen. Befahrbar war der aber auch bestenfalls mit nem Monster-Truck. Der Fußweg vor der Kulisse der bizarren Berge im schönen Abendlicht (um 15 Uhr...) war wunderschön.


Der Sheep Canyon aus der Ferne.

Das Auto stand noch da, und wir haben den steilen Abschnitt auf die nächste Höhe mit den massiven Längsschluchten im Weg auch gut gemeistert. Irgendwann erwarteten wir mal die Rückkehr des Locals, so dass wir im flacheren Abschnitt nördlich von Greybull ein auch sehr imposantes Motiv mit verschiedenfarbigen Felsen aufsuchten. Nun sorgten aber einige Wolken am Westhimmel für zusätzliche Spannung. Es blieb längere Zeit dunkel. Gelegentlich war ein Typhon aus Richtung Bahnhof zu hören. Das hätte noch gefehlt, wenn jetzt noch ein Nordfahrer gekommen wäre. Aber es wurde offenbar nur rangiert. Unser Local kam leider auch nicht mehr, bis die Sonne unterging.


Eine Farm am nördlichen Ortsrand von Greybull vor roten Bergen.


Die Farben der Erde... Ebenfalls nördlich von Greybull.

Es ging direkt wieder südwärts nach Worland. Kurz vorm Ziel kam uns ein Nordfahrer entgegen. Da die Loks des südwärts fahrenden Locals bereits wieder in Greybull gewesen waren, muss das wohl ein Manifest gewesen sein. Offenbar fahren die wirklich, wie sie Lust haben. Nach einem Tankstopp parkten wir das Auto vorm Zimmer und liefen paar Häuser weiter zu Stogie Joes, einem richtig herrlich-einheimischen Lokal mit einheimischer Landbevölkerung, in dem wir uns Steaks genehmigten. In Yannicks und meinem Steak-Contest lag ja seit 2018 Wyoming in Führung. Diese Führung konnte ohne weiteres bestätigt werden. Die Bezahlung fand hinterher an der Kasse statt. Auf einem Tableau konnte man auswählen, wieviel % Trinkgeld man geben will, wobei das erst ab 15% los ging.

Zurück im Motel mussten wir uns die Karten legen. Morgen wollten wir nochmal einen ähnlichen "Erfolg" wie heute feiern - aber diesmal im Wind River Canyon. Und danach? Das Wetter wies uns - auf für mich ungewohnt hohem Niveau - nach Süden. In Colorado sollte nun tagelang schönes Wetter sein. Andererseits sollte es abgesehen vom Freitag auch in Wyoming nicht ganz schlecht werden. Tja, was tun? Irgendwie wollte man nicht jetzt schon wieder nach Colorado zurück. Zwei-drei Ziele, von denen wir uns deutlich mehr Verkehr erhofften, hätten wir hier oben eigentlich schon noch.

Donnerstag, 09.11.2023

Heute sollte aber erstmal die nächste Aktion mit hohem Frustpotential stattfinden. Nachdem der Sheep-Canyon gestern (und theoretisch auch vorgestern) seine Chance hatte, wollten wir es heute Vormittag mit dem Wind River Canyon versuchen. Das Wetter sollte topp werden. Werden wir jetzt den gemäß Ankündigung schönsten Tag der Woche vergeuden? Es bleibt spannend...

Zwischen Aufwachen und Losfahren haben wir genau gelauscht, ob vielleicht ein Zug zu hören ist. Da war aber gar nichts. Heute haben wir nicht verlängert, sondern ausgecheckt. Da nun noch kein potentieller Zug für den Wind River Canyon durchgekommen war, fuhren wir dem erhofften Local nordwärts entgegen. Bis Manderson hatte man praktisch durchgehend Streckensicht. In Manderson kamen wir direkt zum Sonnenaufgang an. Vor dem Ort führt das Gleis unmittelbar an einer Flussschleife entlang. Dort warteten wir einfach mal. Zumindest hier oben hofften wir auf ein tägliches Verkehren des Locals. So könnte man immerhin hier paar Bilder machen, auch wenn keine Wagen für südlich des Canyons dabei wären.

So nebenbei mussten wir uns aber auch Gedanken machen, was wir mit dem schönen Tag anfangen, wenn da jetzt gar nichts auftaucht. Von Worland führt eine Straße stramm ostwärts durch die Berge. Über die könnte man ins Kohlerevier des Powder River Bassin durchstarten. Um 9 Uhr war es so weit. Wir rechneten beide nicht mehr damit, dass da noch was kommt. Ich wollte mal in Greybull nach dem Rechten sehen. Da die Straße eher wenig Sichtkontakt zur Bahn hat, musste Dennis für die halbe Stunde den Beobachtungsposten am Bahnhof Manderson machen. Tja, in Greybull standen die Loks des Local mit denselben zwei Wagen wie gestern an derselben Stelle. Die Motoren liefen wie gestern auch schon, aber Personal war nicht zu sehen. Und mit zwei Wagen würde die Fahrt auch keinen Sinn machen - so viele Ladestellen, wie auf der Route liegen.


In Greybull ist gar nichts los. Die Loks des südwärts fahrenden Locals sind unbemannt.

Tja, "Haken dran" an die BNSF Casper Subdivision sähe anders aus. Blöde, dass gestern Morgen diese Wolkengrenze zwischen Wind River- und Sheep Canyon lag. Sonst hätte man da ziemlich sicher den Local im Wind River Canyon bekommen. Oder hätte man einfach runter fahren und auf die Auflösung der Wolken hoffen sollen? Fragen über Fragen und keine Antworten. Ich fand diese Erfahrung mit einer in Europa eher unbekannten US-Bahnstrecke allerdings mal sehr interessant, denn das Streckennetz der USA kann eben noch so viel mehr als nur die bekannten Bahnen. Eigentlich finde ich diese Erforschung von Neuem gerade spannend. Man hätte natürlich vorher einen der einheimischen Fotografen kontaktieren können. Die geben in der Regel hilfsbereit Auskunft. Mehr als eine bessere Einschätzung des Verkehrs hätte das allerdings auch nicht gebracht, denn wir hätten an den uns zur Verfügung stehenden Tagen so oder so nichts bekommen - da waren wir uns sicher. Dennis meinte entschieden, dass er irgendwann nochmal den Sheep Canyon aufsuchen wird. Und ich muss auch sagen: Wenn es mal passt und vielleicht mit etwas mehr Infos im Gepäck könnte ich mir das auch nochmal vorstellen. Bereut habe ich unseren Abstecher jedenfalls nicht. Die hohe Wahrscheinlichkeit, dass das so enden kann, war uns bewusst gewesen.

Nach dem Aufgabeln von Dennis ging es nach Worland und von dort direkt ostwärts auf die Bighorn Berge zu. Das wurde schnell alles wieder sehr sehr eindrucksvoll. Vorne bizarrste Hügelformen und dahinter die schneebedeckten Bighorn Berge.


Es geht von Worland ostwärts. Erst durch eine unwirtliche, bizarre Felsenlandschaft,...


...und dann legen sich die Bighorn Mouuntains in den Weg.

Hinter der Ortschaft Ten Sleep ging es durch eine Schlucht ins Hochgebirge. Die Schlucht war von bizarrsten Felsformationen gekrönt. Den richtigen Fotohalt haben wir irgendwie verpasst, aber wir wollten ja auch vorwärts kommen. Die Straße führte bis auf 2936m hoch. Hier war die schneebepuderte Landschaft nicht mehr so bizarr, sondern ähnlich wie in den Alpen oder im Erzgebirge.


Der höchste Punkt ist passiert. Nun haben wir die schneebedeckten Gipfel auf der anderen Seite.

Auf der anderen Seite ging es nach Buffalo runter. Ab dort konnten wir die Autobahn nach Gillette nehmen, die wieder durch unwirtliche Mondlandschaft führte. Eigentlich waren wir uns einig, ohne Verzug an die Kohlebahn, die BNSF Orin Subdivision, zu fahren, um da wenigstens noch etwas Tageslicht abgreifen zu können. Aber beim Tanken lachte uns Wendys an, so dass wir uns bald dort wiederfanden. Der Parkplatz war hölle voll und wir befürchteten schon übelste Wartezeit. Aber das Personal war auf Zack, und wir bekamen zügig unser Essen. Das Chili nahm ich aber dann mit ins Motiv.

Dorthin mussten wir nun noch eine Stunde südwärts fahren. Wir wählten ganz billig den Logan Hill. Kennt jeder, hat jeder schon gemacht, aber wir hatten nicht viel Zeit zum Suchen. Erstmal konnte ich dort ganz entspannt mein Chili essen, denn es rollte nüschte. Doch dann begann es mit einem grünen Signal. Und nach wiederum längerer Zeit fing es an zu rollen. Nachdem das Eis gebrochen war, sah man praktisch ständig irgendwo irgendeinen Zug. Und wir hatten ja auch pro Zug irre viel zu tun, da man die Züge locker mit der Drohne verfolgen konnte. Das tief stehende Licht wertete die öde Gegend ungemein auf. Endlich lief mal wieder was! Lassen wir die Bilder sprechen, die allesamt am Logan Hill aufgenommen wurden.



















Nach Sonnenuntergang blieb uns nur noch die Fahrt ins Hotel. Wohnen fast im Motiv war das: Wir hatten das Travelodge Bill gebucht, das völlig einsam an Landstraße und Bahn lag. Bahnbedienstete waren wohl die hauptsächlichen Kunden; es gab für die Lokbesatzungen sogar einen Crewshuttle rüber zum Bahnhof und eine eigene Lounge im Hotel.


Einsam in der Steppe liegt unser Travelodge Bill in der Abenddämmerung vor uns.


Das ist der Rest des Ortes.

Leider wusste im Hotel niemand das Wifi-Passwort. Und das angeschlossene Diner als einzige Verpflegungsmöglichkeit weit und breit machte einen ziemlich rustikalen Eindruck. Aber ein Burger ging dort definitiv noch. Und für abends auf dem Zimmer hatte ich noch eine Dose alkhaltigen Erdbeerlemonadenmix (Simply Spiked Lemonade), der besser schmeckte als das hier vielleicht klingen mag.

Freitag, 10.11.2023

Heute sollte das Wetter hier im Tagesverlauf einbrechen. Aber für den Vormittag hofften wir natürlich nochmal auf paar Bilder von den Kohlezügen. Wie immer liefen wir um 6 zum Frühstück - wieder in das Diner nebenan. Der sehr rustikale und redselige, aber schwer verständliche Koch (den man sich eher auf nem Motorrad als in der Küche vorgestellt hätte), der gestern während unseres Abendessens den Dienst übernommen hatte, war immer noch da. Ham&Eggs taten gut, der Kaffee war auch gar nicht schlecht. Beim Bezahlen war eigentlich ein älterer, grauhaariger Schwarzer vor uns dran, der uns den Vortritt überließ mit den Worten, er müsse ja nur zur Arbeit. - Draußen beschien die just aufgegangene Sonne die Landschaft wunderbar golden, bevor sie sich in den am Himmel stehenden Modder verpieselte.


Heute wird "der Rest des Ortes" Bill von der Morgensonne erfasst.

Bill scheint der Stützpunkt der UP zu sein. Der Bahnhof ist größer als wir gestern bei Dunkelheit erkennen konnten. Ein rangierender Zug stand dort auch ganz passabel (na ja, der untere Teil des Fahrwerks war noch im Schatten einer kleinen Geländekante), aber als wir das Auto verließen, war die Sonne weg. Wir fuhren nordwärts. Die Antelope Road und später die Hilight Road brachten uns schön bahnparallel durch die Grubenlandschaft. Das war schon sehr interessant. Wenn die Sonne durchkam, gab es imposante Stimmungen mit den dunklen Wolken im Hintergrund. Es kam bloß kein Zug; die Signale blieben dunkel. Zuletzt warteten wir einfach mal am Verladebunker der Black Thunder Mine. Der erste Zug blieb hinten stehen, der zweite klappte dann aber. Ihn verfolgten wir auch nochmal zu einer an der Antelope Road gesehenen Stelle mit dem Tagebau im Hintergrund.


An der Reno Junction biegt die Strecke zur Black Thunder Mine ab. Unter einem der Verladebunker der Mine kommt ein UP Kohlezug hervor. Da er beladen ist, können wir sicher sein, dass er auf der Hauptstrecke verbleibt.


✈ Zwischen Reno Junction und Nacco Wye Junction wird eine Grube der North Antelope Mines umrundet.


Von unten geht das auch.

Da kamen dann auch paar Nordfahrer, aber keiner hatte günstig stehende Schlussloks. Einen Südfahrer bekamen wir hier nicht mehr zu sehen, bis das Licht in die Achse wanderte. Nun fuhren wir nochmal nordwärts, weil wir auch nördlich der Black Thunder Mine ein wenig kundschaften wollten. Aber bereits vor der Mine sahen wir endlich mal wieder einen Zug auf uns zukommen. Das war sogar ein Manifest, dessen Wagen verdammt viel Ähnlichkeit mit den auf der Casper Subdivision gesehenen hatten. Wir fuhren voraus zu einer Stelle mit schönerem Seitenlicht. Solche Stellen sind um die Mittagszeit an dieser Piste rar. Aber da war die Sonne gerade im dicksten Schlonz drin. Ein nachfolgender UP Kohlezug klappte allerdings wunschgemäß in einem sonnigen Abschnitt.


✈ Eine Kurve weiter südlich windet sich ein weiterer UP Kohlezug durch die Grupen der North Antelope Rochelle Mine.


✈ Der Nachschuss des Zuges kurz vor der Nacco Wye Junction.

Danach zog es hier von Südwest erstmal komplett zu. Das war die Gelegenheit für uns, nun doch nochmal nordwärts zu fahren, denn die Wolkengrenze hielt sich offenbar recht konstant ein kleines Stück nördlich von hier. Was dort oben kam, war jetzt nicht unbedingt spektakulär, aber paar nette Ausblicke entdeckten wir noch. An dem, wo das Seitenlicht am frühesten da war, setzten wir uns mal wieder ins Auto und harrten der Dinge. Laaange mussten wir warten. Dann tauchte ein schöner BNSF-Zug auf.


Eine Herde Gabelböcke nimmt sich einfach die Vorfahrt...


Ah, die BNSF fährt auch noch auf ihrer eigenen Strecke - hier zwischen Coal Creek Junction und Reno Junction.


✈ An der Orin Subdivision gibt es sogar Bahnwärterhäuschen. Sieht jedenfalls so aus...

Da wir das nun zufriedenstellend hatten, wechselten wir zu einer hübschen S-Kurve weiter nördlich, die jetzt langsam ins Licht rückte. Es kam aber genau gar nichts mehr. Als dann die Sonne in ein Wolkenfeld eintauchte, nahmen wir das zum Anlass, die Kurve zu kratzen, denn wir hatten heute noch ein Stück zu fahren. Es ging entlang der Bahn südwärts, doch da bewegte sich nichts mehr, so lange die Sonne schien. Als sie aber in die Schlonzglocke über dem westlichen Horizont versunken war, ging es los. Es rollte plötzlich von allen Seiten. Ein Zug kam nach dem anderen. So ging es auch auf der weiteren Reise auf Highway 59 weiter. Südlich des Wagenwerkes bei Bill warteten wir einfach nochmal auf einen Zug in der späten Dämmerung.

Nun stand uns noch eine längere Fahrt bevor. In Douglas gab es bei Arbys das Abendessen, bevor wir teils auf Autobahn, später aber auf normalen Highways nach Laramie gelangten. Die Fahrt durch die Dunkelheit war schon etwas anstrengend. Zum Glück war kaum Verkehr, so dass man fast durchgehend mit Fernlicht fahren konnte. Von den wenigen Entgegenkommern blendeten die wenigsten ab; das nervte etwas. So gewunden, wie der Highway 34 teilweise war, muss er durch schöne Landschaft geführt haben. Es ging auch über einen kleinen Pass hinüber. Am Ende waren wir sehr froh, als wir im American Best Value Hotel zu Laramie eingetroffen waren. Das Zimmer roch etwas möffelig, das Fenster ging direkt zur Autobahn raus, aber alle anderen Hotels in Laramie hatten Preise jenseits der 200€ ausgeworfen. Wir zahlten für die Nacht hingegen 90€. Das WLAN-Passwort war diesmal bekannt, aber das WLAN war leider nicht verfügbar. Aber wir wollten auch nicht mehr alt werden.

Samstag, 11.11.2023

An diesen Tagesryhtmus könnte ich mich gewöhnen. Um 21 Uhr einschlafen und nach satten 8 Stunden Schlaf um 5 Uhr fit sein. Das hatten wir jetzt alle Tage so praktiziert. Dank Jetlag fiel das nicht schwer. Wir haben also von der Zeitverschiebung quasi zwei-drei Stunden abgezogen. Trotz einer ziemlichen Erkältung, die Dennis mitgebracht und die ich nun auch übernommen hatte, wunderbar geschlafen. Zum Glück war es in erster Linie Schnupfen und kein fieser Husten. Ich hoffe, der stellt sich nicht noch ein.

Das Frühstück hatten wir gestern bereits in Form eines Beutels mit paar Obststücken und Joghurt überreicht bekommen. Aber wir besorgten uns auch noch Breakfast-Wraps von der Tankstelle. Dann ging es in die Wildnis. Wenn man in Laramie übernachtet hat, klar, dann will man zum Sherman Hill. Die Felsenmotive dort hatten mich schon immer gereizt. Was mich von einem Besuch bislang etwas abgeschreckt hat, waren die Erzählungen anderer Fotografen, dass dort alles Private Property sei. Dennis meinte aber, das müsste gehen. Er hatte sich die in die Nähe der Motive führende Nebenstraße sogar per Streetview angeschaut.

Ein Stück ging es über die Autobahn, dann von einer dieser kleinen Abfahrten auf die Nebenstraße, eine Erdpiste. Unterwegs kam man an einem skurrilen Monument vorüber, dessen Zufahrt mit Andreaskreuz und Blinklicht "gesichert" war.


Das Ames Monument ist den Gebrüdern Oliver und Oakes Ames gewidmet, die maßgeblich an der Finanzierung der ersten Transkontinentalbahn beteiligt gewesen sind. Beim Bau der Pyramide markierte diese den höchsten Punkt der Strecke zwischen den Meeren. Rund herum gab es die Eisenbahnersiedlung Sherman. Heute ist die Siedlung verschwunden und die Gleise verlaufen etwa einen Kilometer abseits des Monuments vorüber.

Irgendwann hatte man die obere Strecke erreicht. Stück weiter folgt noch ein weiteres Streckengleis. Nun mussten wir noch ein Stück parallel zur Strecke westwärts fahren. Und da begannen sie dann schon wieder, unsere Lieblingsschilder. Auf dem ersten Stück des Weges schien es noch so, als ob man nur nicht abseits des Weges in die Botanik laufen solle. Dann kam ein offenes Tor, an dem das alles schon wesentlich entschiedener stand. Da sind wir aber auch noch durch. Vor einem Tunneldurchlass unter dem dritten Gleis hindurch stellten wir das Auto hin und bestiegen einen (den!) Aussichtshügel.

Es gibt Orte, da lässt man sich nieder, genießt das Sein und kann entspannen. Und es gab diesen Ausschichtshügel. Mein Wohlseinsgefühl litt schon nicht unerheblich darunter, dass man hier vermutlich nicht so richtig willkommen war. Nervig waren aber auch ein Wolkenfeld, das ständig die Nähe zur Sonne suchte und ein furchtbar starker eisiger Wind. Ach ja, und noch eine Kleinigkeit: Es rollte kein einziges Rad über die Gleise. Wohlgemerkt: Wir standen nicht am Sheep Canyon, sondern an der stärkstfrequentierten, ältesten Transkontinentalstrecke der UP.

Unten auf dem Weg kam ein Auto und hielt länger neben unserem. Dann fuhr es aber weiter. Ob wir davon noch hören werden? - Der Sturm war so brutal, dass wir uns alle fünf Minuten abgewechselt haben. Einer musste nach Zügen schauen und sich dabei zwangsläufig dem Sturm aussetzen, der andere konnte im Windschatten die Sonne genießen. Nach anderthalb Stunden, als der Sturm nochmal zugenommen hatte, gaben wir auf. Wir mussten auch etwas an unsere angeschlagene Gesundheit denken. Nun suchten wir eine Position auf, an der wir mit Signalblick im Auto warten konnten.

Immerhin tauchten nun mal zwei Züge vom unteren Gleis auf. Die brachten uns zwar nichts, aber immerhin war die Strecke nicht vollends tot. Dafür wurden die Wolken immer mehr. Wohlgemerkt: Alle Wetterberichte hatten für heute übereinstimmend Wolkenlosigkeit angesagt. Na, das läuft ja echt wieder... Irgendwann ab 11 Uhr war endlich auch für Ostfahrer der Bann gebrochen und es kamen in "lichtem" Abstand drei Züge. Beim letzten war das Licht aber fast schon zu weit rum.


Endlich kommt auf der oberen Strecke ein Ostfahrer angefahren.


Wie eine Garteneisenbahn, die zwischen einigen gestapelten Feldsteinen hindurch cruist. Der Aussichtshügel von heute Morgen und für den Nachmittag ist am linken Bildrand zu sehen.


Derselbe Zug - etwas seitlicher betrachtet.


Variante mit Baum. Wir befinden uns am Sherman Hill etwas oberhalb der Betriebsstelle Dale Junction an der oberen (zweigleisigen) Strecke zwischen den Städten Laramie und Cheyenne.

Immerhin saßen wir fast ununterbrochen etwas westlich eines riesigen Wolkenfeldes und hatten bis auf paar kleinere Störungen durchgehend Sonne. 5km weiter östlich hätten wir den Vormittag und die Mittagszeit abhaken können. Etwas Sorgen musste uns bereiten, dass auf der oberen zweigleisigen Strecke überhaupt kein Zug westwärts gekommen war. Gerade für ein Hauptmotiv am Nachmittag hätte man dort einen gebraucht.

Als das Licht weit genug herum war, fuhren wir für dieses Hauptmotiv nochmal zu dem Aussichtshügel von heute Morgen. Diesmal fielen drei Negativfaktoren weg: Erstens konnten wir auf der Lee-Seite des Hügels im Windschatten warten und zweitens kam uns auf dem Fahrweg die Bäuerin entgegen, die wir fragen konnten, ob wir da oben fotografieren dürften. Das ging klar, wir sollten bloß nicht über deren Hof rüber fahren. Aber das mussten wir ja auch nicht. Parken am Tunnel ist ok, hätten wir vorhin ja auch schon gemacht... Aaah-ja! Und drittens wurden die Wolkenfelder weniger. Blieb "nur" noch Problem 5, dass wir dann bitte auch einen Zug zur rechten Zeit auf der oberen Strecke bräuchten.

Wir wollen mal nicht meckern. Nachdem mal wieder ein Westfahrer auf dem unteren Gleis durchgekommen war, schaltete das Blocksignal des unteren Gleises plötzlich in die Gegenrichtung um. Ein Bergfahrer (=Ostfahrer) sollte nun dort entlang fahren! Wenn jetzt ein Westfahrer anläge, könnte man den nur auf der oberen Strecke schicken. Und es lag tatsächlich ein Westfahrer an. Wir bekamen unser Wunschmotiv! Richtig toll war allerdings auch der Blick, den wir morgens hatten machen wollen, im Streiflicht. Das waren Idealbedingungen! Hier war es nun aber leider so, dass zwei geeignete Züge Gegenzugschaden hatten und ein dritter Zug mit leeren Tragwagen angefahren kam. Das war schon wieder so unnötig...


Als erstes nähert sich ein Zug auf der unteren Strecke unserem Aussichtsberg und der Dale Junction.


✈ Der Zug nähert sich der Dale Junction, wo er leider erstmal angehalten wird.


Dadurch steht er leider im Weg, als ein Containerzug ostwärts durchfährt. Dies ist praktisch die Morgenperspektive.


Dann kommt endlich der ersehnte "Motivgüterzug" für den schönen Blick auf den Felsen.


Die zweite Variante.


Gleichzeitig nähert sich ein schöner Containerzug für das untere Gleis. Auch dieser bekommt seinen Gegenzugschaden. Und soviel sei verraten: Dies waren die einzigen zwei Containerzüge, die wir in diesem Urlaub fotografieren konnten...

Die letzte Dreiviertelstunde vor Sonnenuntergang war besonders hart. Was für ein Hammer-Licht! Aber plötzlich war der Verkehr wieder wie abgebrochen. Und wir wollten eigentlich auch mal langsam wieder ins warme Auto. Aber das Hauptmotiv hatte wirklich bis zuletzt, bis 16:30, volle Ausleuchtung!

Über die Autobahn ging es nun nach Fort Collins in die örtliche Filiale von Golden Corral, wo wir entgegen unserer Befürchtungen trotz Samstagabend zügig Platz bekamen und uns vollfressen konnten. Danach waren es nur noch paar Meilen auf der Autobahn bis Longmont, wo wir uns im Super8 Motel eingeloggt hatten. Ich fühlte mich gerade sehr an die zurückliegende Rumänientour erinnert, wo wir bereits fünf Tage vor Reiseende fast wieder am Start/Ziel waren. Wir hatten jetzt erst Halbzeit und saßen nun kurz vor den Toren Denvers. Aber keine Sorge: Zumindest für die zwei nächsten Tage hatten wir ein ziemlich genaues Konzept!

Sonntag, 12.11.2023

Wir hatten zugegebenermaßen letzten Sonntag an der UP Strecke durchs Hochgebirge zwischen Kremmling und Dotsero ein wenig Blut geleckt. Heute und morgen sollte in der Ecke topp Wetter sein. Natürlich ist das auch so eine Strecke mit elend wenig Verkehr, aber zumindest die Amtraks wären dort ja eine sichere Bank. Dachten wir. Und Hoffnung auf den einen oder anderen Güterzug konnte man sich dort ja auch machen.

Um 5:30 saßen wir im Auto, denn es war ja noch ein ganzes Stück zu fahren. Wir kamen gut durch den Raum Denver. Die Amtraks liefen beide pünktlich - was will man mehr? In Idaho Springs mussten wir tanken und nutzten den Aufenthalt auch zur Frühstücksbeschaffung. Und weiter ging es über die Pässe westwärts. Die Morgensonne strahlte vom klaren, wolkenlosen Himmel, die Vorfreude auf den Fototag wuchs.

Es mag Höhe Vail gewesen sein, jedenfalls waren wir schon sehr weit gekommen, da kontrollierte Dennis nochmal die Amtrak-Züge. Plötzlich stand dort was von "Service Disruption", allerdings ohne nähere Erklärung. Der Ostfahrer rollte laut System kontinuierlich und hatte auch nach Auftauchen der Disruption-Meldung gerade Green River verlassen. Der Westfahrer, auf den es uns hauptsächlich ankam, war weit vor Plan in Denver angekommen. In der Zeitspanne zwischen Planabfahrt 8:05 und unserem Verlassen der Autobahn und damit des Internetempfangs ca fünf Minuten später hatte er Denver nicht verlassen. Die eben noch so gute Laune war mit einem Schlag zu Boden gepurzelt.

So langsam konnte man sich schon die Frage stellen, ob nicht einfach mal was klappen kann. Was für ein Mist! Würden wir nun den nächsten Tag mit topp Wetter für nichts vergeuden? Wobei natürlich schon eine gewisse Hoffnung da war, dass es sich nur um einen liegengebliebenen Zug oä handelte, so dass die Züge verspätet fahren würden. Man kommt von hier ja auch nicht "mal eben" an irgendeine andere lohnende Strecke. Wir hielten daher zunächst an unserem Plan fest und fuhren von Dotsero nordwärts in das enge Colorado-Tal, wo wir erstmal auf gut Glück für einen Güterzug warteten. Rechtzeitig zum Amtrak würden wir nach Kremmling hoch fahren und schauen, ob das Internet neue Infos parat hat.

Natürlich kam kein Güterzug, und irgendwann wurde es höchste Zeit für den Aufbruch, falls nämlich der Amtrak doch einfach so auftaucht. Hier auf der Gruspiste war richtig viel Verkehr. In allen Trucks und Pickups saßen orange gekleidete Gestalten. Offenbar war (im Gegensatz zu letztem Sonntag) die Jagdsaison ausgebrochen. Oft standen die Jäger am Wegesrand und blickten mit den Ellenbogen auf ihre Kühlerhauben gestützt durch ihre Ferngläser. An einer Stelle stand ein Auto mitten auf der Straße mit geöffneter Tür und der Fahrer flitzte mit der Flinte im Anschlag ins Gebüsch. Lauf, Rehlein, lauf! Ok, Rehe gibt es in den USA gar nicht und ich kann nichtmal genau sagen, was wir da immer gesehen haben. Oft erschienen mir die Tiere jedenfalls größer als die allgegenwärtigen Gabelböcke. Es waren aber auch Massen von Viechern unterwegs. Immer wieder sah man große Rudel am Wegesrand und immer wieder mussten wir bremsen und denen den Vortritt lassen.

Unser Konzept war so lange gültig, bis wir den Bahnhof Bond erreichten. Der Bahnhof war voll! Wir hatten ja schon mit der Möglichkeit gerechnet, dass hier irgendwo zurückgehaltene Güterzüge stehen könnten, wo auch immer die Disruption stattgefunden haben könnte. Die Laune etwas angehoben hat allerdings die Tatsache, dass im Bahnhof drei Güterzüge in drei verschiedene Richtungen standen. Ja, drei Richtungen, denn ein ziemlich offensichtlicher Nebenbahngüterzug war auch dabei. Jedenfalls war uns klar, dass von den drei Güterzügen nur einer von der Störung betroffen sein kann. Und das war eine gute Nachricht. Im östlichen Bahnhofsteil stand auf zwei Nebengleise verteilt der Nebenbahnzug und in einem Hauptgleis ein Westfahrer. Beide Züge waren offenbar unbesetzt. Im westlichen Bahnhofsteil, wo sich sogar eine kleine Bürobude der UP befindet, stand der Ostfahrer. Da war auch Personal drauf.


Ein Ostfahrer steht im westlichen Teil des Bf Bond. An der Felswand im Hintergrund klebt übrigens auf mittlerer Höhe die Nebenbahn nach Craig!

Etwas Hintergrundgeschichte zu den Bahnstrecken rund um Bond:

Wie bereits erwähnt hatte es hier als erstes nur die "Moffat Road" gegeben, also die Strecke, mit der der Geschäftsmann David Moffat aus Denver seine Heimatstadt direkt und ohne Umweg über Pueblo im Süden oder Cheyenne im Norden in Richtung Salt Lake City und letztendlich die Pazifikhäfen anbinden wollte. Der Haken an der Sache war, dass die Rocky Mountains auf Höhe von Denver besonders hoch sind. Deren Bezwingung über den Rollins Pass, später dann durch den jetzt im Staatsbesitz befindlichen Moffat Tunnel, ist eine eigene spannende Geschichte. Die muss ein anderes Mal nach einer anderen Reise erzählt werden. Nach Passage der kontinentalen Wasserscheide hat Moffat seine noch heute genutzte Strecke dann via Granby und Kremmling bis Yarmony, jenem nach einem Berggipfel benannten Siding mitten im Nirgendwo kurz vor Bond, weitergebaut. Erst nach Klärung der weiteren Finanzierung ging es weiter - nun wieder steil bei über 2%iger Steigung aufwärts aus dem Coloradotal hinaus und 500 Meter hoch bis zum Scheitelpunkt bei Toponas. Bis Phippsburg heißt die Strecke heute noch durchgehend UP Moffat Tunnel Subdivision, obwohl die Strecke heute ab Bond eine fast bedeutungslose Nebenbahn geworden ist. Hinter Phippsburg heißt die Nebenbahn UP Craig Subdivision. Das Erreichen des heutigen Endpunktes bei Craig bzw in den umgebenden Kohleminen 1914 hat David Moffat schon nicht mehr erlebt. Er starb 1911. Und ohne seinen Antrieb wurde der Bau hinter Craig auch nicht weiter geführt. Im Kohleverkehr bekam die Stichstrecke dennoch ihre Bedeutung. Erst in den 2010er Jahren brach der Kohleverkehr (fast) vollkommen zusammen.

Aber 1934 ging der Traum von David Moffat posthum doch noch ein Stück weit in Erfüllung. Zumindest der erste Teil der Strecke - nun nicht mehr über den "verrückten", im Winter oft nicht befahrbaren Rollins Pass, sondern durch den 1928 eingeweihten Moffat-Tunnel, konnte für durchgehende Züge in Richtung Salt Lake City und Westküste genutzt werden. Man hatte den 64km langen "Dotsero Cutoff" gebaut und damit einfach Moffats Strecke mit der südlicheren Strecke über den Tennesseepass, die südlich von Denver in Pueblo beginnt und von dort die Rockys bezwingt, verbunden. Der südliche Endpunkt an der Tennesseepass-Strecke ist in Dotsero. Damit hatte der nördliche Endpunkt an der "Moffat Road" auch schon seinen Namen: Orestod. Das ist Dotsero rückwärts geschrieben. Auch heute noch findet man die Bezeichnung auf Wegweisern. Irgendwann wurde aus Orestod dann Bond. Die Tennesseepass-Strecke liegt zwar noch, wird aber von Dotsero nur noch ein kurzes Stück bis zu einem Werk befahren. Der Dotsero-Cutoff spart Zügen von Denver nach Westen 176 Meilen Fahrt.

Als wir dann mal wieder zum östlichen Bahnhofsteil rumgefahren sind, hatte dort ein Auto gerade die Crew für den Westfahrer abgesetzt. Wir kombinierten messerscharf, dass sich irgendwas tun würde. Wir konnten etwas frühstücken, während wir unten die Aktivitäten zur Zugvorbereitung verfolgten. Und irgendwann ging es los. Wir konnten mit dem Güterzug einige der Motive machen, für die wir sonst den Amtrak gebraucht hätten.


Bei dem Westfahrer handelt es sich um einen reinen Kesselwagenzug. Diese Stelle zwischen Bond und Dell nannten wir "Die bunten Felsen".


Nun hat der Zug den Ausweichbahnhof Dell passiert und nähert sich der Siedlung Burns.


Der landschaftliche Höhepunkt des Dotsero Cutoff dürften die "roten Felsen" zwischen Dell und Range sein, die zahlreiche Varianten zulassen.


Und nochmal am Colorado zwischen Range und Dotsero.

Wir folgten dem Zug extra bis Dotsero, um dort mal wieder am world wide web teilhaben zu können. Und das waren die Meldungen: Der Amtrak Westfahrer hat Denver nie verlassen und der Ostfahrer war offenbar in Grand Junction verendet. Oh ha! Wir hatten so halb damit gerechnet, dass die Amtraks doch noch verspätet kämen. Es gab aber nach wie vor weder bei Amtrak noch bei Trainorders (das US-Railfanforum) noch anderswo einen Hinweis auf Ort und Grund der Störung.

Wir fuhren eben eine Interstate-Auffahrt östlich, um sicherheitshalber zu tanken, und taten dann das einzig sinnvolle: Wir fuhren wieder hoch nach Bond. Letzten Sonntag war der Nebenbahn-Güterzug nachmittags gestartet. Warum sollte er das nicht heute auch tun? Wieder begegneten wir im engen Abschnitt des Coloradotals zwischen Dotsero und Bond nur Jägern und Gejagten, aber keinen Zügen. Die bange Frage war nun: Würde der Zug noch in Bond stehen? Beim Blick in den Bahnhof erstmal ein Schreck: Der eine Teil des Nebenbahnzuges mit den Loks war weg! Doch dann die Entwarnung: Die beiden Zugteile waren gerade zusammengebaut worden und die Loks standen schon im Weichenbereich. Man war gerade bei der Bremsprobe!

Das dauerte dann auch alles ganz schön lange. Fast fürchteten wir schon Probleme. Doch irgendwann setzte sich der Zug in Bewegung. Wir fuhren rasch für eine Streiflichtaufnahme zum BÜ über die Hauptstraße. Und bereits eine Kurve weiter wollten wir eine Drohnenaufnahme machen. Das hätte wohl auch geklappt, wenn der Zug nicht unmittelbar hinterm BÜ in der steilsten Steigung wieder angehalten hätte. Oh nein, was ist denn nun schon wieder? Doch Zug kaputt? Zum Glück ging es aber bald weiter.


Es ist Sonntag Nachmittag in Bond, CO, und der Zug nach Craig startet seine spektakuläre Fahrt in die Berge.


✈ Und bleibt direkt wieder stehen.


✈ Jetzt fährt der Local an der Felswand entlang, die wir heute Vormittag bei der Bahnhofsaufnahme in Bond im Hintergrund hatten.

Wir wagten, einen vorhin rasch erkundeten Stichweg reinzufahren, was fototechnisch aber doch nicht so ergiebig war. Zum Glück schafften wir es noch rechtzeitig rum auf die Conger Mesa Road, die wir ja letzten Sonntag schon hochgefahren waren. Dort glückten uns die Bilder in der Rundkehre unterhalb des Bf Crater.


Bei Copper Spur gibt es eine erste kleine Talausfahrung mit Rundkehre.


Es folgen bald die Crater Loops. Der Zug ist gerade auf der mittleren Ebene entgegen seiner eigentlichen Fahrtrichtung unterwegs. Bei diesem Bild kam natürlich das einzige Auto weit und breit von hinten angefahren, aber die Fahrerin hat auf unsere bittende Geste hin sofort angehalten und fand das alles voll lustig.


✈ Nachdem der Zug die Ranch am linken Bildrand umrundet hat, wird er nach einer Schleife sogleich hinter den Büschen wieder in die andere Richtung auftauchen.

Wie letzte Woche fuhren wir zum Ende des befahrbaren Teils des Weges weiter. Dort wartete schon Lex Wilderness auf uns in Form eines Jägers, der nach Wild Ausschau hielt: Egal, wir ließen die Drohnen starten und der Jäger störte sich offenbar nicht an uns und den Drohnen. Die waren ja auch nur beim Start laut und dann ganz weit weg. Diesmal wusste man besser, wo man hinfliegen musste. Der Empfang war aufgrund der Entfernung schon sehr grenzwertig, aber es sind paar tolle Aufnahmen zustande gekommen.


✈ Mit der Drohne können wir den Zug noch ein Stück weiter verfolgen. Hier verlassen die letzten Wagen gerade den Bahnhof Crater.


✈ Namensgebend für den Bahnhof Crater ist das schwarze Gebilde am rechten Bildrand, ein kleiner Schlackekegel ("Cinder Cone") mit Krater, der aber gerade bergmännisch abgebaut wird - eben der Steinbruch, auf dessen anderer Seite wir stehen. Der nächste Bahnhof Volcano ist nach einem anderen Vulkan benannt, den die Strecke dann umrundet.


✈ Ein landschaftlicher Höhepunkt ist jedenfalls der Rock Creek Canyon, der umrundet wird, ohne großen Höhengewinn zu betreiben. Laut Waltersrail.com, wo dieser Abschnitt inklusive Geografie, Geologie und Menschen liebevoll beschrieben wird, hätte man wohl auch eine Hochbrücke quer über den Canyon gebaut, doch war es schwierig, an Stahl zu kommen, und die Erschließung der Kohle rund um Craig sollte nicht verzögert werden. So entstand diese aufwändige Schlucht-Umrundung.


✈ Nun ist der Zug aus dem Rock Creek Canyon wieder raus und fährt in den Bahnhof Volcano ein. Ganz hinten rechts ist der "Cinder Cone" zu sehen, hinter dem wir stehen.

Die Sonne hatte noch eine Weile zu arbeiten. Vorbei an weiterem Wild und seinen Jägern gelangten wir auf die Hauptstraße und wollten dieser mal auf die andere Seite der Bergkette folgen. Irgendwann würde man dort wieder auf die Bahn stoßen. Gesagt getan. Gewunden ging es durch die Berge und zwei Beinahe-Wildkollisionen später kam bald die Bahn wieder in Sichtweite. Und dort wartete bereits jemand auf den Zug: Der Rangierer, den wir schon in Bond gesehen hatten, wollte wohl mal schauen, wann der Zug das Steigungsstück fertig bewältigt hat, und fuhr dann mit seinem Auto weiter. Wir konnten rund um Toponas und bis Trapper (vor Yampa) noch einige schöne Bilder im tief stehenden Abendlicht von der Fuhre machen.


Hinter dem Bahnhof Volcano führt die Strecke um den namensgebenden Vulkan herum in den Egeria Canyon, der sicher auch sehr spektakulär ist, und taucht weiter oben, kurz vor dem höchsten Bahnhof Toponas, in lieblichere Landschaft ein. Im Vordergrund plätschert der Egeria Creek vor sich hin.


Hinter Toponas.


Der höchste Punkt ist passiert.


Zwischen Toponas und Phippsburg, kurz vor Yampa, erwischen wir den Zug ein letztes Mal in Sonne.

Boah, was für ein Tag, ein Wechselbad der Gefühle. Und am Ende sind so viele tolle Bilder rausgekommen - wenn auch nur von zwei Zügen. Zügig ging es den Highway 131 durch die Dämmerung zur Autobahn zurück. Immer wieder wurde man durch entgegenkommende Autos per Lichthupe vor Wild gewarnt. Wir hatten uns für heute mal was bischen besseres geleistet: Das Best Western in Eagle. Ja, das war schon was anderes so mit einer gemütlichen Eingangshalle und einem schön geräumigen Zimmer, das keine Wünsche offen ließ. Abends gab es in fußläufiger Entfernung noch eine Kleinigkeit bei Taco Bell zu futtern. Unterwegs sahen wir die letzten Wildtiere des Tages - sie grasten direkt neben einer Tankstelle.


Tja, sie sehen aus wie Rehe, sind aber keine. Für Gabelböcke etwas schlank, für Hirsche etwas lütt - keine Ahnung. Nachtrag: Eine Leser-Zuschrift hat die Tiere als Rocky-Mountain-Maultierhirsche identifiziert.

Es war dann die Website von Fox31 Denver, die uns etwas Klarheit brachte: Etwas außerhalb von Denver, im Gilpin County, war heute früh ein Güterzug entgleist und lag im Dreck. Die Bilder sahen nicht gut aus. Wir mussten leider davon ausgehen, dass die Schäden nicht so schnell behoben werden können. Amtrak äußerte sich allerdings in keinster Weise. Würde man den California Zephyr morgen vielleicht über die Laramie Subdivision umleiten? Heute hatten wir noch gutes Ersatzprogramm. Aber morgen dürften dann wohl keine Züge mehr hier über die Strecke rollen. Sehr sehr schade. Morgen sollte auch nochmal ein wunderschöner Tag werden, den wir aber wohl erstmal wieder im Auto verbringen werden...

Montag, 13.11.2023

Morgens war die Anzeige bei den Amtrak-Zügen etwas eigenartig. Der Hinweis "Service Disruption" war bei den beiden heutigen Zügen verschwunden. Und Dennis fand auch einen Zeitungsartikel im Netz, der besagte, dass die Strecke wieder offen sei. Das war doch schon mal ein guter Start in den Tag! Eigenartig war nur, dass der Ostfahrer (der uns aber nicht ganz so wichtig war) irgendwie ab Salt Lake City nicht weiter fahren wollte.

Wir frühstückten erstmal in Ruhe. Da wir es von hier nicht so weit ins Motiv hatten, mussten wir eh nicht so früh los. Aus unserem Morgenmotiv, das wir auch heute nochmal probieren wollten, würden die Schatten eh erst so um 8 raus sein. Beim Start vergaßen wir natürlich prompt zwei Getränke im Kühlschrank. Dass einem das immer wieder passieren muss... Und weil es in die Wildnis ging, füllten wir auch den Tank nochmal auf. Kaffee gab es ausgerechnet in dieser Tankstelle nicht...

Bei Verlassen der Autobahn stand der Ostfahrer laut Website noch immer in Salt Lake City - nunmehr drei Stunden überfällig. Der Westfahrer war noch im Zulauf auf Denver; da konnten wir nur hoffen, dass er zeitnah weiterfahren würde. Aber es gab noch ein weiteres Problem: Der so makellos angekündigte Tag hatte uns mit massig Schlonz am Himmel begrüßt. Als wir an unserem Zweirichtungspunkt Position bezogen hatten, nutzte es nichts, dass die Schatten langsam den Talgrund verließen, denn das Licht war einfach nicht voll da. Aber es kamen auch keine Züge...


Der Sheephorn Creek umrundet eine kleine Ranch und wird dann bei Radium in den Colorado fließen.

Wir fuhren weiter. In Bond war die Situation unverändert. Der Manifest nach Osten stand immer noch dort. Mit laufenden Motoren natürlich. Das war hinsichtlich der Streckensperrung jetzt kein ganz so gutes Zeichen, musste aber nicht zwingend etwas heißen. Erst kurz vor Kremmling hatten wir wieder Internet-Empfang. Der Amtrak nach Osten hatte nun doch halbwegs planmäßig Salt Lake City verlassen und war mittlerweile Green River durch. Der nach Westen hatte aber Denver nicht verlassen. Sollte das genauso fehlerhaft sein wie die Anzeige für den Ostfahrer heute Morgen in Salt Lake City? Wir bauten uns mal beim Teichmotiv östlich Kremmling auf. Doch erstens kam nichts und zweitens fand Dennis nun einen Zeitungsartikel im Internet, dass ab Dienstag mit normalem Verkehr zu rechnen sei.

Ok, dann wussten wir das jetzt auch. Da mittlerweile der Wetterbericht für morgen deutlich besser aussah als für heute, entschieden wir uns, morgen dem Ganzen noch eine Chance zu geben. Blieb nur die Frage, was wir heute machen wollten. Ach, war da nicht irgendwo eine Nebenbahn, auf der immer etwas geht? Warum nicht den uns bislang unbekannten Rest der UP Craig Subdivision begutachten? Vermutlich konnte man dort sogar irgendwo den Local treffen.

Von Kremmling fuhren wir zunächst die 134 über einen Pass rüber nach Toponas an der Nebenbahn. Ab dort ging es nun parallel zur Strecke nordwärts. In Phippsburg gibt es sogar einen größeren Bahnhof mit Stützpunkt der UP. Vermutlich Fahrbahner und/oder LST. Die Strecke ist wie gesagt komplett mit Lichtsignalen älterer Bauart ausgestattet - die mit den Einzeloptiken. Für wieviele Zugpaare pro Woche? Eines? Erst später erfuhren wir, dass der Local wohl auf Hin- und Rückweg in Phippsburg übernachtet. So hat der Bahnhof wenigstens bischen was zu tun... Früher, zur Zeit des Kohleverkehrs, machten die Züge hier grundsätzlich Crew Change.

Paar nette Motive konnten wir im weiteren Fahrtverlauf durchaus erkennen, aber so spektakulär wie der Anstieg oberhalb von Bond wurde es nie wieder. Nervig war die Ortsdurchfahrt durch Steamboat Springs, einem riesigen Wintersportort mit zahllosen Ampeln. Der Bahnhof besaß sogar noch ein richtiges Empfangsgebäude. Das ist an diesen Güterbahnen ja eher selten. Im weiteren Streckenverlauf durch das Yampa Valley zweigten auch immer mal irgendwelche Anschlussbahnen ab. Die haben wir aber nicht näher untersucht.


Kleiner Fotostopp in der Ortschaft Hayden. Am Bahnhof steht dieser wunderschöne Speicher.

Die Stadt Craig sollte einen besonderen Vorteil haben: Eine Wendys-Filiale. Die lange Autofahrt hier hoch von über zwei Stunden hatte doch ein leichtes Hüngerchen produziert. Und nach einem kurzen Blick zum Bahnhof sollte es bei Wendys ein verspätetes Mittagessen geben. Es blieb beim Sollen. Wir hatten gerade den Bahnhof erreicht, da kam uns der Zug entgegen! Ok, es war noch kein Zug, sondern man stellte erstmal die hinterste Wagengruppe bereit - die Getreidewagen. Der Schluss steckte schon. Dann holte man aus einem anderen Gleis noch eine Reihe Zement- oder Kalkwagen, und fertig war der Zug.


Endlich bekommen wir mal die 6318 in der alten Southern Pacific Farbgebung vor die Linse - wenn auch nur beim Rangieren. Das Lokpärchen war nämlich gedreht worden. Darüber war ich auch ganz froh, denn erstens mag ich keine schwarzen Loks und zweitens sah die Lok wirklich nur noch erbärmlich verblichen aus.

Das Gleisnetz des Bahnhofs war faszinierend. Anschluss- und Nebengleise kreuzten sich mit mehreren Diamonds (fast rechtwinklige Flachkreuzungen). An einer Verladeeinrichtung war eine Kleinlok emsig beschäftigt, eine andere stand in der Gegend rum. Bereits in der Bahnhofseinfahrt zweigte ein Gleis südwärts ab, dass noch etliche Meilen in die Wicken zu einer der Kohleminen führt. Rund um Craig gab es eine ganze Reihe Kohleminen mit Bahnanschluss, von denen aber sicher nicht mehr alle betrieben werden.


Der erste Zugteil wird von der Ladestraße abgezogen.

Nachdem sich der Schlonz verpieselt hatte und wir jetzt über Mittag unter klarstem blauen Himmel hierher gefahren waren, zog hier nun natürlich wieder die fette Schlonze rein. Daher hielt sich die Fotowut ein wenig in Grenzen. Der Güterzug fuhr nun tatsächlich bald aus, blieb dann aber nochmal stehen und kroch dann im Schritttempo weiter. Schade war, dass der Zug auf dem Streckenstück bis Steamboat Springs ungünstig aus dem Licht fuhr. Wir fuhren sieben Meilen bis zu einer Stelle, wo sich die Strecke wenigstens halbwegs ins Licht drehte, und rechneten damit, hier ewig auf den dahinkriechenden Zug warten zu müssen. Der kam dann aber überraschen schnell angebraust!


Auf seiner Rückfahrt von Craig erreicht der Local im Yampa Valley den Ausweichbahnhof Dorsey.

Bei der Vorbeifahrt am Kraftwerk Hayden gab es ein Aha-Erlebnis. Da stand in der Schleife ein langer, ausgewachsener Kohlezug drin! Mit Bespannung und allem, was dazugehört. Die Tatsachen, dass derartig ausgewachsene und vor allem beladene (!) Kohlezüge auf der Steilstrecke aufwärts unsere Vorstellungskraft überschritten und dass das Anschlussgleis des Kraftwerks nur in Richtung Craig, nicht aber zur großen weiten Welt (via Steilstrecke) angeschlossen war, ließen uns vermuten, dass hier oben, völlig abseits der großen Eisenbahnen, ein Kohlependelverkehr zwischen einer der Gruben um Craig und dem Kraftwerk stattfindet.

Der Tag war leider so weit fortgeschritten, dass wir hinter Steamboat Springs nicht mehr mit Fotos rechnen konnten. Aber der Abschnitt bis dort bot nun natürlich den richtigen Winkel für Streiflichtaufnahmen. Bei der zweiten verpieselte sich leider die Sonne in den Modder, aber irgendwie sah es trotzdem schick aus.


Die Ausweiche Milner hat ein gutes und ein schlechtes Gleis. Der Local kommt auf dem guten angefahren.


Zwischen Adams und Steamboat kommt eine weitere Lichtstreifung zustande.

Da wir morgen einen letzten Versuch auf der Hauptstrecke starten wollten, hatten wir erneut das Best Western in Eagle gebucht. Wieder ging es in der Dämmerung die schöne, bahnparallele Bergstraße via Bond nach Wolcott an die Autobahn runter. Parallel zur Straße zeigten die Signale der Nebenbahn nun alle grün, denn wir hatten den Güterzug abgehängt. Vor Steamboat Springs war uns aufgefallen, dass auch rund um die Zugfahrt längst nicht mehr alle Signale leuchteten. Offenbar hat man paar der Sidings als Kreuzungsmöglichkeit stillgelegt, die Signale aber einfach stehen gelassen. Hinter Steamboat Springs leuchteten aber alle Signale, wobei bei diesem alten Signalsystem die Signale der Gegenrichtung teilweise dunkel blieben.

Ohne Wildschäden trafen wir heile an der Autobahn und zehn Meilen später auch in Eagle ein. Nach einem Supermarktbesuch und erneutem Check-in liefen wir rüber zu Wendys. Wenn schon das Mittagessen nicht klappt, dann sollten es der leckere Daves Double und die große Portion Chili con Carne wenigstens zum Abendessen sein.

Und wie ist der Stand bei der Streckensperrung? Für heute hatte Amtrak immerhin dann doch irgendwann auf ihrer Twitter-Seite (ok, Twitter ist jetzt X, aber sonst ändert sich nix) den SEV bekanntgegeben. Für morgen sind am heutigen Abend keine Infos zu finden. Etwas Hoffnung machte ein Foto von heute, das im Internet kursierte und das das Streckengleis schon wieder völlig wiederhergestellt zeigte. Wollen hoffen, dass die entsprechenden Abnahmen schnell erteilt werden.

Dienstag, 14.11.2023

Wir starteten wie gestern. Entspannt frühstücken, tanken und ohne genaues Wissen um die Amtraks die Internetzone verlassen. Und wieder parkten wir an unserem schönen Zweirichtungsblick, der ab ca 8:30 für beide Richtungen in der Sonne lag. Das Thermometer zeigte 26°F, was schon so paar Minusgraden in Celsius entspricht. Aber wenn man in der Sonne stand, war es wunderbar angenehm. Das "Sein" war angesichts des Berg- und Felspanoramas einfach wunderbar. Man konnte herumwieselnde Kriechtiere beobachten und Hörnchen, die sich lautstark zankend durch die Bäume jagten. Nur die Züge... Muss ich weiterreden? Wir wussten ja nichtmal sicher, ob die Strecke wieder offen ist. Natürlich war auch diesmal der Plan, rechtzeitig für den Amtrak gegen 10 Uhr nach Kremmling aufzubrechen.

Das taten wir auch. Wir waren schon gespannt, ob in Bond noch immer der ostfahrende Manifest drin stände. So ging es Talschleife um Talschleife nordwärts. Es war dann das letzte Blocksignal vor Erreichen der Hauptstraße, das plötzlich ein rotes Licht zeigte! Ok, da kam ein Südfahrer! Die Stelle, an der wir uns befanden, hatten wir schon mehrfach als interessant befunden, weil da auch rote Felsen waren. Man kam bloß leider nicht ran, weil man auf der Flussseite des Gleises hätte stehen müssen.

Außerdem waren da Privatgrundstücke. Dennis war paar Schritte in einen Zugangsweg zu einem Haus hineingelaufen, um die Signalstellung von der anderen Seite erkennen zu können. Verbotsschilder waren da nicht und das Haus noch 300m weg. Der Besitzer kam aber gleich angelaufen und fragte nicht übermäßig freundlich, was wir da wollen. So konnten wir ihm immerhin erklären, was wir gleich mit der Drohne vorhätten, woraufhin er nur meinte, dass auf seinem Gelände Jäger unterwegs seien und wir die bitte in Ruhe lassen sollen. Überm Fluss wäre es aber ok. Immerhin kam nun ein richtiger Güterzug, der uns klar sagte, dass die Sperrung aufgehoben sei. Wir folgten dem Zug natürlich, auch wenn das zuungunsten des Amtrak ginge. Aber was man an Zügen hat, das hat man.


✈ Ein kleines Stück hinter Bond und unterhalb von McCoy gleitet der Westfahrer schon mal an einigen roten Felsen entlang.


✈ Ein weiteres Mal können wir den Zug vor Dell erwischen.


Dies war unsere allmorgendlich aufgesuchte Wartestelle oberhalb von Burns. Auch jetzt ist noch genug Seitenlicht.


✈ Und nochmal ein Stück weiter, wobei unten schon der Campingplatz von Burns ins Bild rückt.


In den roten Felsen musste natürlich nochmal eine andere Perspektive sein. Da der Zug schön früh dran war, ging sogar noch die Flussbrücke.


Nun hat der Zug den Ausweichbahnhof Range durchfahren.


Und nochmal kurz vor Dotsero.

Nachdem wir den Zug nach Dotsero begleitet hatten, konnten wir dort erstmal die Weite des Web betreten und checken, was die Amtraks machen. Der Westfahrer war nur leicht verspätet und der Ostfahrer hatte rund +45. Da konnten wir dem Westfahrer nun nicht mehr weit entgegen fahren. Schade, für den hätten wir jede Menge Konzept gehabt. Nördlich unseres Hauptmotivs für den Amtrak war zudem Bodo mit dem Bagger dabei, Felsgestein aus der senkrechten Felswand zu holen und auf der Straße zu verteilen. Bis die aufgeräumt waren, verging immer etwas Zeit.

Da wir nichts riskieren wollten, warteten wir einfach an dem uns besonders wichtigen Motiv in den roten Felsen. Das wurde aber zum totalen Krimi, denn die Stelle drohte mal ganz heftig im Bergschatten zu versinken. Puuuh, es ging dann gerade noch gut. Dass die Straße links verschattet war, war ja nicht ganz so das Problem.


Endlich fährt der California Zephyr wieder! Er klappt an einer der schönsten Stellen in den roten Felsen - gerade vor Zuschattung des Motivs.


✈ Und nochmal eine Kurve weiter.

Nun stellte sich die Frage, ob man auf einen folgenden Güterzug hoffen sollte, oder ob man nach Dotsero fährt, wo wir eine Stelle für den nordfahrenden Amtrak hätten. Wir taten letzteres. Bereits vor Dotsero, als der südwestfahrende Amtrak dort angekommen sein musste, hatten die Signale nordwärts auf grün geschaltet. Eine Minute nach Erreichen des Motivs brummte es hinter der Bergnase. Das war aber nicht der Amtrak, sondern ein nordfahrender Kesselwagenzug. Da der zwei optimal stehende Schlussloks hatte, folgten wir dem mal nordwärts. In Range ging er an die Seite, um sich vom Amtrak überholen zu lassen. Wir warteten auf den Kesselwagenzug und folgten dem bis Dell, wo nun im Siding ein leerer Kohlezug südwärts drin stand.


Nördlich von Dotsero biegt ein Kesselwagenzug in den Dotsero Cutoff ein.


Die zwei Schubloks stehen optimal und erlauben Nachschüsse kurz hinter Range,...


...an den roten Felsen, wo Bodo Bagger gerade Pause macht,...


...und im Bahnhof Dell, der in einer Flussschleife des etwas tiefergelegten Flussverlaufs liegt.

Der Kohlezug kam uns natürlich wie gerufen, denn wir hätten auf dem Südabschnitt durchaus einige Ausblicke parat gehabt, für die man nachmittags einen Südfahrer bräuchte. Da ging auch bischen was. Doch leider war am Ende der schöne Abschnitt vor einem markanten Bergmassiv schon so weit verschattet, dass wir nur eine Notlösung umsetzen konnten, bei der man nur die Wahl zwischen zu frühem Auslösen oder paar Graspuscheln im Fahrwerk hatte. Schade, das war eine kleine Enttäuschung, weil wir uns gerade von dem Abschnitt so viel versprochen hatten.


Südlich von Burns führt das Gleis ein ganzes Stück auf der Ostseite des Colorado entlang.


Auf diesem Abschnitt gingen zwei Fotos.


Eine Stelle war in den roten Felsen noch nicht verschattet.


Felsformation zwischen Range und Dotsero.

Es war jetzt 15:30, eine Stunde bis Sonnenuntergang. Da, wo die Sonne noch hin kam, wurde das Licht immer schöner. Aber hier in den Tälern und Schluchten wuchsen und gediehen nun natürlich rasch die Schatten. Wir stellten uns einfach an einen Aussichtsplatz mit Signalblick oberhalb des Range Sidings und warteten in der Abendsonne, ob noch was kommen mochte.


Einfach Wetter und Landschaft genießen ist ja auch schön.

Es kam nichts mehr. Außer mit Drohne an Ort und Stelle hätte man aber auch nichts mehr schattenfrei umsetzen können. Wieder mal war um 16:30 Feierabend. Irgendwie konnten wir uns noch nicht ganz von der Gegend verabschieden und buchten eine weitere Nacht in Eagle. Um bischen Geld zu sparen nahmen wir diesmal allerdings das Eagle River Hotel, in dem wir ein schönes Zimmer bekamen. Zum Abendessen ging es in den Brush Creek Saloon in der Altstadt von Eagle. Steaks gab es zwar nicht, aber einen richtig tollen Burger mit selbstgemachten Hacksteaks, die vor noch nicht all zu langer Zeit auf den Weiden der Umgebung unterwegs gewesen seien - so wurden sie uns angepriesen. Die Kellnerin war richtig gut zu verstehen, wofür wir ihr sehr dankbar waren.


Leckerer Burger im Brush Creek Salon zu Eagle.

Immerhin war der Verkehr heute wieder angelaufen - das war die Hauptsache. Wir hatten so viele Güterzüge, dass die Amtraks zur Nebensache wurden. Vermutlich hatte es auch einen gewissen Rückstau abzuarbeiten gegeben. Morgen war angedacht, sich nochmal um den Nordabschnitt zwischen Bond und Kremmling zu kümmern. Die Wettervorhersage war allerdings nicht euphorisch: Es würde wohl viel Schlonze durchziehen. Wir werden sehen...

Mittwoch, 15.11.2023

Morgens war dann auch ein ziemlich marmorierter Himmel zu sehen. Da wir so nah am Motiv waren, hatten wir auch Zeit fürs Frühstück. Wir warfen paar Happen ein. Der Kaffee war gar nicht so schlecht. Eigentlich wollten wir den Highway erstmal bis Bond fahren, um im Bahnhof nach dem Rechten zu sehen. Wie wir aber gerade in State Bridge auf die Bahn stießen, verschwand unten ein Güterzug nordwärts im Coloradotal. Da er eine passende Schlusslok hatte, folgten wir ihm natürlich. Leider ging der Zug im nächsten Siding, Yarmony, schon wieder an die Kante. Das sah nach Kreuzung aus. Ob wir es für den Gegenzug zu unserem Flussblick schaffen würden? Wir rechneten nicht damit, ließen uns aber mal von einem uns folgenden Truck im Wahnsinnstempo über die Gravelroad prügeln. Am Flussblick stand schon ein Auto, Lex Wilderness überall. Aber aus dem Auto wurden wir freundlich begrüßt. Es war Remi aus Frankreich. Die Welt ist ja so klein...

Da gab es natürlich viel zu erzählen. Zum Glück war es in der Morgensonne nicht gar so kalt. Er hatte zuletzt keinen Südfahrer gesehen. Kam der echt noch? Nein, die Züge taten das, was sie am besten konnten, nämlich gar nichts. Warum sollte man auch morgens mal einen Zug bekommen? Dennis schaute zwischendurch mal mit dem Auto nach Yarmony, wo der Güterzug gestoppt hatte. Der Zug stand da ohne Personal. Als dann iiiirgendwann endlich mal Zeit für den Amtrak war, näherte sich natürlich ein dicker fetter Schleier. Der zog dann aber doch schneller als erwartet, und dahinter war erstmal alles blau. So konnten wir den Amtrak dreimal umsetzen.


Der "California Zephyr" Zug 05 im Gore Canyon kurz vor Azure.


Hinter Azure wird das Tal wieder zur Schlucht, in die der Amtrak einbiegt.


Mit Spiegelung kurz vor Yarmony.

Das letzte Bild war unmittelbar vor dem Siding Yarmony gewesen. Wir hatten erwartet, jetzt dem Güterzug nordwärts folgen zu können. Aber der Zug war weg! Offenbar war man dem Amtrak noch bis Radium entgegen gefahren. Wir versuchten nun, den Zug einzuholen. Eine Idee war, den im Byers Canyon bei Hot Sulphur Springs zu nehmen. Dort waren aber keine unverschatteten Motive für Ostfahrer mit Frontlicht mehr verfügbar, so dass wir uns mit Frontschatten und einem Nachschuss begnügen mussten. Der bizarren Landschaft tat das keinen Abbruch.


Im Byers Canyon westlich von Hot Sulphur Springs erwischen wir den Güterzug wieder. Einmal von vorn...


...und einmal von hinten.

Die Wolken wurden mehr. Wir hatten aber für den verspäteten nordfahrenden Amtrak noch eine Stelle bei State Bridge, die wir gerne umsetzen wollten und zu der wir trotz der Wolken nochmal hin fuhren. Der Ausblick von einem kleinen Fotohang in der Nähe der Hauptstraße war schon schön. Es war ein Krimi: Wolkenschatten zogen immer wieder übers Land und der Bergschatten drückte auch massiv in Richtung Gleis. Wo blieb der Zug? Er hatte bei unserem letzten Internetkontakt +70, Tendenz steigend. Aber nichts kam zur errechneten Zeit. Auch nicht mit +80 oder +90. Jetzt war aber ein riesiges Wolkenfeld vor die Sonne gezogen. Zeit zum Aufbruch. Wir schauten nun noch kurz nach Bond rum, wo sich schon wieder eine erste Wagengruppe für Craig eingefunden hatte. Auf dem Nachbargleis bewegte sich sogar etwas: Der Amtrak schlich sich durch den Bahnhof! Wir konnten noch kontrollieren, dass er in State Bridge definitiv keine Sonne mehr gehabt hätte.

Dann machten wir uns auf den langen Weg nach Denver, wo wir im Norden der Stadt ein La Quinta Inn gebucht hatten. In der Stadt war der Verkehr auf den Autobahnen extrem zäh, aber um 18 Uhr standen wir bei Golden Corral in Thornton auf der Matte, wo ich natürlich wieder zu viel fraß. Nun hatten wir drei von vier Golden Corral Filialen im Großraum Denver kennengelernt. Die vierte ist in der Nähe vom Flughafen. Hmm, Samstag Mittag vielleicht?

Bezüglich der restlichen Tage mussten wir nun in uns gehen. Der Wetterbericht versprach einen brauchbaren Freitag, der um so schöner wäre, je weiter östlich man was macht. Wir hatten da eine Idee... Leider hatten wir einen Sprung in der Windschutzscheibe festgestellt, der sich heute auch noch vergrößert hatte. Eine Überlegung war nun, morgen erstmal bei Avis am Flughafen vorzusprechen...

Donnerstag, 16.11.2023

Am Abend waren uns Zweifel über unsere weitere Planung gekommen. Für einen Tag vier Stunden in ein uns völlig neues und sicher wegen Trespassing & Co nicht ganz einfaches Betätigungsfeld zu fahren, dort dann aber nur einen Tag Zeit für Fotos zu haben, erschien uns zunehmend bekloppt. Mittlerweile hatte sich der Wetterbericht für Freitag in Utah deutlich gebessert. Freitag ist Potash Local Tag! Das wären zwar auch vier Stunden zu fahren und unser momentaner Abstecher nach Denver wäre dann völlig überflüssig gewesen, aber da hätte man für den Abschluss nochmal etwas bekanntes Terrain, und verschiedene Perspektiven hatten wir beide dort noch offen.

Erstmal gab es in unserem Hotel das sehr spartanische Frühstück. Da hingen echt schräge Gestalten ab. Zwei junge Weiße, die nach (ex?-) Junkies aussahen, hingen da ab, bedienten sich auch vom Buffet, gehörten aber irgendwie auch zum Hotelpersonal. Jedenfalls lungerte der eine an der Rezeption rum, drehte sein Radio laut auf und fing an mitzusingen. Ohne viel Talent. Der andere kam mit Bettwäsche unterm Arm angelaufen und deponierte die auf einem der Tische, während er sich am Buffet bediente. Alles sehr eigenartig.

Ich habe Zeit, das zu schreiben, weil wir heute eigentlich nur die Fahrt nach Grand Junction vor haben und weil mein Smartphone anfing rumzunerven, weil es das Android Update installieren wollte. Dem habe ich jetzt, solange man noch im WLAN des Hotels war, stattgegeben. Der Himmel war ankündigungsgemäß bedeckt, so dass wir von der Seite her auch nicht besonders angetrieben wurden.

Dankenswerterweise ist Dennis nun den ganzen Weg wieder zurück gefahren. In Denver war der Verkehr wieder sehr zäh, oben auf den Pässen ging es teils durch Schneegestöber durch. Aber nur kurz war die Fahrbahn in einem Zustand, der uns langsam hinter einem LKW hat herfahren lassen. In Wolcott hatte unser unsinniger Abstecher nach Denver sein Ende und die Fahrt machte wieder Sinn. Zügig ging es weiter, und um Punkt 12 Uhr saßen wir bei Dennys in Grand Junction zum Mittagessen. Bei Dennys geht die Trinkgeld-Auswahl auf dem Bezahltableau für Kreditkarten übrigens erst bei 18% los... Man kann natürlich auch mühsam manuell was anderes eingeben.

Und nun? Von Westen lockerte es langsam auf, aber wir hatten unterwegs keinen einzigen Güterzug überholt, für den man sich hätte aufstellen können. Lediglich ein Local hatte irgendwo rangiert. Eine Überlegung war noch, die Avis-Filiale in Grand Junction wegen unseres Sprungs in der Windschutzscheibe zu kontaktieren, doch hatten wir etwas Angst, eine bürokratische Welle loszutreten. Der Sprung wirkte so, als ob wir die letzten zwei Tage wohl mit ihm leben könnten. Also fuhren wir eine Besichtigungsrunde um den Bahnhof von Grand Junction herum. Die Anlagen des Bahnhofs sind riesig. Es gibt sogar ein richtiges Stellwerk, wie wir es aus Deutschland kennen. Massenweise Loks sind im Bahnhof abgestellt.

Dann besichtigten wir einige potentielle Ausblicke rund um Palisade und stellten uns in der Ostausfahrt einfach mal an den Rand. Als die Signale angingen und das noch nicht der Amtrak sein konnte, fuhren wir schnell nochmal auf die Westseite des Ortes, weil wir dachten, dass sich dort die Wolken besser aufgelöst hätten. Na ja, das ging dann gerade so mit etwas nachhelfen. Es kam, wie vermutet, der gesehene Local.


Im weiten Tal von Grand Junction gibt es noch richtig gute Herbstfärbung,...


...wie hier am Ostrand von Palisade.


Der Local aus Paracute kommt auch noch - hier in den Obstgärten westlich von Palisade.

Schön war hier jedenfalls, dass noch etwas Herbstfärbung vorhanden war. Für den Amtrak ging es wieder auf die Ostseite des Ortes und Bahnhofs. Die Wolken machten es spannend - erst jedenfalls. Bis der Zug kam, gab es rund um die Sonne nur noch kleine Wolkenfetzen. Das Bild im schönen Abendlicht klappte!


Die Innenstadt von Palisade war wieder herrlich amerikanisch (na ja, bis auf den Fahrradladen vielleicht...).


Amtrak 05 gibt es wieder am östlichen Ortsrand von Palisade.

Remi war auch in der Gegend, hatte den Amtrak Stück weiter östlich fotografiert und kam dann auch noch zu uns. Die Hoffnung lag jetzt auf einer Streiflichtaufnahme. Das hätte toll ausgesehen. Aber zu viel darf ja nun auch nicht klappen. So verabschiedeten wir uns kurz vor Sonnenuntergang ohne weitere Resultate. Wir fuhren in unser gebuchtes Quality Inn. Um 18 Uhr gab es noch nen kurzen Spaziergang zu Taco Bell rüber.

Freitag, 17.11.2023

Heute war also mal wieder der Tag der Tage. Der Potash Local sollte fahren. Wir konnten noch das Hotelfrühstück mitnehmen und um 7 Uhr losfahren. Große Experimente hatten wir nicht vor. Als erstes auf den Fuzzyhügel bei Thompson Springs, wo wir den Potash Local und vielleicht vorher noch den Amtrak abwarten wollten.


Weit ist das Land, und über dem Colorado liegt noch der Nebel.

Kurz vor Thompson Springs holten wir einen westfahrenden Kohlezug ein, für den wir uns noch in Crescent Junction aufstellten, aber erstens hing der Streckenabschnitt in einem Wolkenfeld und zweitens blieb der Zug bereits in Thompson stehen - wie wir vermuteten für den Amtrak. Also enterten wir den Aussichtshügel und harrten der Dinge.


Amtrak 06 kommt durch die überdimensionierte Sandkiste östlich von Thompson angerollt. Ein bestimmtes Kraut hatte sich hier in der Gegend rostrot gefärbt.

Remi war ein ganzes Stück östlich von uns und meldete noch einen westfahrenden Kesselwagenzug. Aber keine Spur vom Potash Local... Es war einfach nett hier, und so blieben wir mal sitzen. Bald (was hier halt so "bald" heißt) tauchte der Kesselwagenzug auf, der für unseren Standpunkt natürlich viel zu lang war. Da wird man dann etwas tricksen müssen.


Von Osten kommt der Kesselwagenzug. Ich zeige ihn mal ganz ohne Trickserei, da ich das Abschneiden des Zuges gar nicht so irre auffällig finde.

Derweil war der Amtrak bei Remi durch und nun bestand die Hoffnung, dass der Local am nächsten Siding auf Kreuzung wartet. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Groß was anderes konnten wir jetzt ohnehin nicht machen. Und wenn man die Wetterberichte aus Deutschland so verfolgte, war das Sitzen in der Novembersonne der pure Luxus. Das Konzept mit dem nächsten Siding hatte offenbar schon mal nicht hingehauen. Jetzt hofften wir, dass der Local nach X Amtrak in Grand Junction losfahren würde...

Und um 11:14 kam endlich die erlösende Nachricht von Remi: Der Potash ist bei ihm durch! Eine Stunde später konnten wir mit ihm rechnen. Die spätere Lage würde ein gewisses Umdenken bei einigen Motiven hinsichtlich des Lichtstandes erforderlich machen, aber gerade hier für den Fuzzyhügel und für den Ausgang des Bootleggercanyons sollte der Lichtstand gar nicht so schlecht sein. Und so war es dann auch. Wir konnten einige Bilder im schönen Nachmittagslicht machen. Nur die Coloradoschlucht selbst war größtenteils verschattet.


Der Potash Local nähert sich endlich dem Aussichtshügel vor Thompson...


✈ ...und passiert ihn.


Nun ist der Local auf die UP Cane Creek Subdivision abgebogen und rollt...


...im besseren Schritttempo südlich von Brendel seines Weges.


✈ Mein Haupt-Wunschmotiv war definitiv die Ausfahrt aus dem Bootleggercanyon. Hier zunächst Dennis Variante.


✈ Und dann meine. Im Hintergrund ist über dem siebten Wagen der Corona Arch zu sehen - ein natürlicher Felsenbogen, wie sie Stück weiter im Arches Nationalpark zuhauf zu finden sind (zu sehen in meinem 2016er Reisebericht).


Der Zug hat den Bootlegger Canyon verlassen und ist im Coloradotal angekommen.


✈ Oberhalb des Colorado gleitet die Bahn langsam in Richtung Talgrund. UP begegnet UPS.


Irgendwo im vorigen Bild stand Dennis und machte diese Aufnahme.


Nun ist der Zug am Zielbahnhof vor dem einsam gelegenen Potash-Werk angekommen.


In dem schönen Nachmittagsabendlicht musste noch bischen Landschaft fotografiert werden.

Mit der Rückfahrt ließen sich die Herren von der Lokmannschaft so viel Zeit, dass wir nicht mehr damit rechneten, dass er an der letzten Stelle der Schlucht, wo bis zuletzt Sonne reinfiel, rechtzeitig kommen würde. Wir verabschiedeten uns von Remi, der heute noch ganz bis Denver fahren wollte. Wir hingegen hatten nochmal das Quality Inn in Grand Junction gebucht. Das Abschiedsabendessen fand bei Dennys statt.

Samstag, 18.11.2023

Gemäß unseres Rhythmus standen wir auch dieses letzte Mal um 5 Uhr auf, waren um 6 beim Frühstück und noch vor 7 auf der Autobahn. Die Fahrt verlief gut und unspektakulär. Ein letztes Mal gab es die Pinkelpause mit Bahnblick in Dotsero. Der Sprung in der Frontscheibe hatte zwar deutlich zugelegt, ließ uns aber komplett in Ruhe. So erreichten wir Denver viel zu früh. Da heute Samstag war, konnten wir es mal wagen, mit dem Auto in die Innenstadt zu fahren. Uns interessierte einfach mal die Unionstation im heutigen Zustand. Das noch recht neue S-Bahn System hat dem Bahnhof ja ordentlich neues Leben eingehaucht. Die früher so verwaiste Bahnhofshalle ist durch Läden und Cafés belebt worden.


Eine Doppeleinheit der S-Bahn in Denver in der Union Station.


Der Bahnsteigbereich vor dem EG. Die Denver Union Station ist noch immer Kopfbahnhof.


Blick in die Halle der Denver Union Station mit Weihnachtsschmuck.

Die Lightrailway hat ihren zentralen Bahnhof nicht direkt an der Unionstation, sondern einen Straßenzug weiter. Dort hält sie direkt neben den Güterzuggleisen der BNSF. Eine Linie führt allerdings auch straßenbahnmäßig mitten durch die Innenstadt. Durch die sind wir dann nämlich auch noch gecruist. Bischen alte typisch amerikanische Bausubstanz mit Backsteinhäusern und Feuerleitern ist ja durchaus noch vorhanden. Aber es war viel neu gebaut. Ich fand die Stadt sympatisch-modern.

Dann ging es ein Stück nach Osten aus der Stadt raus. An einer Leerfläche bei Aurora stellten wir uns an den Rand und räumten das Auto auf. Dort lebte eine ganze Kolonie Erdmännchen oder ähnliche Hörnchen. Die hatten ein ausgeklügeltes Tunnelsystem geschaffen und beäugten uns neugierig. Erst tauchten sie noch ab, wenn wir ausstiegen, später nicht mehr.

Als Abschiedsessen gab es Wendys, danach Tanken und dann Autoabgabe. Der Sprung in der Frontscheibe wurde von dem Annehmenden fotografisch dokumentiert, dann war für ihn alles in Ordnung. Dürfte ja von der Versicherung abgedeckt sein, was solche Schadensfälle in den USA immer recht unkompliziert macht.

Mit dem Bus ging es zum Terminal, wo Kofferabgabe und Sicherheit recht entspannt abliefen. Da Dennis noch zu seinen Eltern nach Dallas wollte, war hier Trennung angesagt.

LH 481: Denver 16:25+15 MST - München 10:05-10 MEZ

Da ich eh allein fliegen wollte und der Flug auf mich beim regelmäßigen Nachschauen jetzt nicht so den ausgelasteten Eindruck machte, hatte ich auf eine Reservierung verzichtet. Um so verwunderter war ich zwei-drei Tage vor dem Rückflug, dass mir eine Platzreservierung angezeigt wurde. Und zwar ein Fensterplatz in der "Bevorzugten Zone". Das ist der neueste Clou, um Geld zu verdienen: Bei der "Bevorzugten Zone" handelt es sich um nichts anderes als ganz normale Economy-Plätze. Es sind allerdings die Plätze in den ersten Reihen hinter der Premium Economy. Einziger Grund, dafür um die 50 Euro zusätzlich auszugeben, ist die Tatsache, dass man da vorn früher das Flugzeug verlassen kann. Mich hatte man allerdings kostenlos dorthin gebucht. Vermutlich lag das an den nur 50min Übergang nach Hamburg in Minga. Auch wenn ich lieber hinten abseits der Tragfläche sitze, hatte ich das mal so gelassen. Rund herum waren dann auch sehr angenehme Leute, so dass alles gut war. Und draußen gab es eh nichts zu gucken, da man praktisch von Nebraska bis Großbritannien draußen Dunkelheit hatte.

Sonntag, 19.11.2023

Der Flug war wunderbar pünktlich und konnte auch sofort in München andocken. All zu weit hatte ich im Terminal nicht zu laufen und die Einreise klappte auch ohne Verzögerungen.

LH 2062: München 10:50-2 - Hamburg 12:10-10

So ging eine weitere Reise wohlbehalten zuende. Dank an Dennis fürs Teilen von Freud und Leid! Das ist dann auch eine schöne Überleitung für das...

Fazit

Manchmal wünsche ich mir, dass man im Reisebericht gar nicht so viel zu erzählen hätte, dass mal alles wie erwartet klappt und man einfach nur langweilig sein "Ding" machen kann. Ok, zu einfach. In Wyoming an der Casper Subdivision hätte auf unsere Motive, die beiden Canyons, bezogen gern wenigstens etwas mehr als Garnichts gehen dürfen. Aber mit "alles" hätte man auch nicht rechnen können. Ansonsten gab es das übliche Ungewisse, das so typisch in den USA ist. Und auch wenn der Verkehr zumeist auf sehr niedrigem Niveau unterwegs war, so konnten wir dann doch viel Erhofftes abgreifen. Die Klatsche mit den ausfallenden Amtraks führte uns zweimal mehr an den Craig Branch und ermöglichte uns dort zeitlich passend tolle Motive! Da mochte man fast von "Glücklicher Fügung" sprechen. Die Möglichkeiten an der Piste konnte man fast als Ausgleich für die Casper Subdivision sehen. Und der letzte Abstecher zum Potash Local hat sich ebenfalls gelohnt. Überhaupt war uns das Wetter sehr freundlich gesinnt. Eigentlich waren es nur rund zwei Tage, an denen man eher nichts gebacken bekam. Fast vergaßen wir, dass wir November hatten. Gegenüber dem Wetter in Norddeutschland war die Tour ein 100%iger Gewinn! Es sind viele Bilder bei herrlich tief stehendem Licht zustande gekommen. Insofern war es eine wirklich schöne und trotz einiger Widrigkeiten lohnende Tour gewesen. Wir kommen gerne mal wieder, auch zum Entdecken von Neuem, von dem es in den USA sicher noch so viel gibt.

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