Weshalb ausgerechnet Eisenbahnen fotografieren?

Copyright by Jan-Geert Lukner

Bei den Lokfotografen ist es wohl in erster Linie das Naturell des "Sammlers und Jägers", das durchaus menschlich(-männlich) ist und wohl zu einer gewissen Zufriedenheit verhilft. Warum - das sollen die Weisen der Psychologie klären. Jedenfalls muss es für die "Lokjäger" ähnlich schön sein, alle 218er im Kasten zu haben, wie des Briefmarkensammlers Augen glänzen, wenn die Jugendserie 1973 vollständig im Album klebt.
Das typische Lokbild: Ein Fahrzeug in Großaufnahme und nix drumherum. Allerdings sind nicht alle Loks so interessant beklebt. Micky Maus-Lok in Itzehoe.
Mit Bildästhetik hat die Lokfotografie kaum etwas zu tun, denn mal ehrlich - wer beschaut sich abends schon hunderte von 218ern hintereinander oder tut gar seinen Gästen soetwas an? Dürfen's anschließend vielleicht noch die ebenfalls vollständig vorhandenen Hundertvierziger sein? Kreisch!!! Nein, die Lust an der Bildervorführung ist es sicher nicht. Denn einzig interessant an diesen Bildern dürfte die Dokumentation sein. Nach zehn Jahren sagen zu können, boah, ey, so sah die Lok vor zehn Jahren aus. Eher ist es wohl der Stolz, eine möglichst vollständige Sammlung zu haben. Oder die Hoffnung, dass vielleicht in einigen Jahrzehnten händeringend Bilder von der einen oder anderen fotografierten Lok gesucht werden und dass gar das große Geld winkt... Bei der großen Anzahl von Eisenbahnfotografen wohl eher unwahrscheinlich.

Doch was reizt nun daran, aus der Eisenbahnfotografie eine regelrechte Kunst zu machen? Wie perfektionistisch Eisenbahn-Fotografen sein können, ist hinlänglich im Kapitel "WHO" beschrieben. Warum all dieser Aufwand?

Geld? Sicher ist, dass es Fotografen gibt, die ihre Bilder verkaufen. Ein breites Band an Eisenbahn-Zeitschriften und viele Privatabnehmer (Verkauf über Anzeigen) gehören zu den Abnehmern. Kaum ein Eisenbahnfotograf erwartet jedoch, von den Erlösen aus seinen Bildern leben zu können. Wer die Eisenbahnfotografie als Hobby hat, dürfte hierzu keine Chance haben. Doch einige Fotografen, die erfolgreich ihre Fotos in Zeitschriften unterbringen können, erwarten mehr und mehr von sich und ihrer Fotografie, zumindest die Kosten für ihr Hobby wieder rein zu bekommen (Kamera, Filme und sogar Reisekosten). Ob unter diesem Druck, den sie sich selbst setzen, das Hobby überhaupt noch ein Hobby ist, bleibt die Frage.

Die gewaltige Qualmwolke strahlt Kraft und Bewegung aus. Brockenbahn am Goetheweg.
Einfach die Ästhetik? Was ist daran schöner, wenn ein interessantes Landschaftsmotiv durch einen Zug angereichert wird? Eine sehr schwierige Frage, die bezüglich gelungener Dampfzugbilder am rationalsten zu erklären ist. Da ist der Kontrast zwischen dunkler Lok und leuchtend-hellem Qualm, der sich möglicherweise wieder vor tiefblauem Himmel abhebt. Allein dieser Qualm strahlt Bewegung, strahlt Power aus, besonders wenn er unter der Lok hervorströmend das Fahrzeug einer wilden Furie gleich zur Geltung kommen lässt.

Doch die Dampflokzeit ist vorbei. Fotografen (nicht nur) der jüngeren Generation haben sich mittlerweile in hohem Maße dem aktuellen Bahnbetrieb zugewandt. Es ist vielleicht einfach das farbenfrohe Bild der heutigen Züge, das die Bahnbilder so sehenswert macht. Ein roter Zug in grünen Wiesen mit blühenden gelben Blumen sieht einfach nett aus. Ein Zug im Bild ist immer ein Gewinn. Die hübsche aber weitläufige Wiesenlandschaft erhält durch den bunten Zug erst einen Blickfang. Und wenn die Landschaft an sich imposanter ist, steigert eine Bahn im Bild die Gigantomanie noch erheblich. Dies durch die in solchen Gegenden kunstvollen Streckenführungen.


Kylling bru (Raumabahn, NSB) und Schlossbachklamm (Karwendelbahn, ÖBB): Derartige Anblicke sollten doch wohl auch Landschaftsfotografen beeindrucken !?!

Eine tiefe Schlucht ist beeindruckend. Eine tiefe Schlucht mit Steinbogenviadukt, den ein Zug in Schwindel erregender Höhe quert, ist jedoch noch beeindruckender. Und so denken nicht nur Eisenbahnfans (lediglich Naturschützer könnten anderer Meinung sein). Aber natürlich kommt es den Zugfotografen in nicht unerheblichem Maße auf den Zug selbst an.

Denn es ist keineswegs von der Hand zu weisen, dass auch an der ästhetischen Bahn-Landschaftsfotografie eine enorme Bedeutung der Dokumentation zukommt. So faszinierend es bei der reinen Fahrzeugfotografie ist, Veränderungen an Farbgebungen und Einzelteilen zu beobachten, so interessant sind die teilweise gravierenden Veränderungen an den Bahnanlagen (gestern fünf Gleise mit schmuckem Bahnhofsgebäude und Wasserturm, heute zwei Gleise mit Wartehütte und Park+Rideplatz) und so kurios sind die Detaills links und rechts der Strecke, die sich im Laufe der Zeit geändert haben. Wenn also vor der Schranke eine Menschenansammlung mit Schlaghosen steht oder der Bauer mit einem Ackergaul über das Feld zieht.

Bei der "Eisenbahn-Stimmungsfotografie" gerät der Wunsch nach Dokumentation eher in den Hintergrund. Hier bricht "das Verlangen" des Eisenbahnfotografen voll durch, mit Hilfe der Eisenbahn ein künstlerisches Spiel der Kontraste, ein Feuerwerk der Farben anzurichten. Die Welt der Bahn bietet dazu eine immense Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten. Das Spiel des Lichtes in der langen Kette des Zuges ermöglicht mannigfaltigste Gestaltungen. Ob es nun die von tief stehendem Licht angestrahlte Kette des hellen oder bunten Zuges vor schwarzen Wolken ist, oder das Streiflicht, das jede einzelne Kontur des Zuges kenntlich macht. Oder Gegenlicht: Je nach Betrachtungswinkel und fotografiertem Zug können mit Sonnenuntergang und Abendhimmel geniale Effekte erzielt werden. Weitere Möglichkeiten bieten im Licht glänzende Schienen, Signallichter in der Dämmerung u.v.m.


Ob mit dem Licht oder mit Gegenlicht: IC in Hmb-Billwerder und USB-Schienenbus bei Bansin "mal anders".

Vielleicht suchen die Eisenbahnfotografen auch einfach Spannung und Nervenkitzel. Da die Bahnfotografie nicht unwesentlich vom Glück abhängt (Stichworte "Wolke", "Weißer Lieferwagen", "Abweichende Bespannung"... bei Zug-Vorbeifahrt), bringt dieses Hobby zwangsläufig ein gehöriges Maß an Spannung mit sich. Ähnlich wie Spieler beim Glücksspiel können Eisenbahnfotografen nach einer Zugdurchfahrt entweder fröhlich pfeifend oder am Boden zerstört beobachtet werden. Der Ärger, hunderte von Kilometern angereist zu sein und bei der einzigen Durchfahrt mit richtigem Sonnenstand für das geplante Motiv eine Wolke vor der Sonne gehabt zu haben, kann zermürben. Besonders wenn man weiß, dass man keine Gelegenheit zur Wiederholung hat, weil demnächst die Strecke stillgelegt wird oder dort hässliche Neubau-Fahrzeuge eingesetzt werden sollen, wo heute noch interessante Züge rollen. Andererseits kennt das Frohlocken keine Grenzen, wenn das schon zig Male vergeblich versuchte Bild nun endlich geklappt hat.


Bei der Eisenbahnfotografie braucht man viel Geduld... Der Blockwärter in Hmb-Boberg.

Doch neben Spannung kann auch - je nachdem, wie man die Fototouren angeht - Entspannung mit von der Partie sein. Wenn der Zugfotograf nicht gerade mit dem Auto jedem nur greifbaren Zug hinterher hetzt, können die Fototouren mit Wanderungen in exponierteres Gelände oder Radtouren verbunden werden. Am schönsten ist es, sich an einem netten Fotopunkt ins Gras zu setzen und all die Züge, die vorbei kommen, "mitzunehmen". Dabei ein nettes Buch und ein prall gefüllter Picknickkorb - was will man mehr...

Zurück zum Studio der Eisenbahnfotografie . Zurück zum Eingang