1992: Eine Schienenkreuzfahrt durch Brandenburg

Autor: Jan-Geert Lukner. Alle Rechte am Text und an den Bildern liegen beim Autor.

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Geschrieben im Januar 2021.

Vorwort

Nachdem ich 1989 endlich mein Ziel erreicht hatte, in Westdeutschland alle stilllegungsbedrohten Strecken bereist zu haben, und ich anfing, mich auch immer mehr dem Fotografieren zu widmen, wurde man 1990 gewahr, dass sich die zu bereisenden Strecken plötzlich um rund +1/3 vermehrt hatten. Nun wurden viele Strecken im Reichsbahnland bereist, aber wenn der Fahrplan mal einen Aufenthalt für Fotos ermöglichte, wurde der gern wahrgenommen. Diese Geschichte spielt im Frühjahr 1992 und ich war 21 Jahre jung. Da ich eine Ausbildung auf der Bundesbahnschule in Mainz absolvierte, beginnt diese viertägige Tour in der Rhein-Main-Region, wo es dem Karneval zu entfliehen galt, und endet im heimatlichen Hamburg.

Donnerstag, 27.02.1992

Offenbar war unsere Schule schon in Karnevalslaune; jedenfalls hatte ich an diesem Donnerstag bereits Streckenaufnahmen zwischen Nieder Olm und Saulheim gemacht. Wie und wann ich dann genau nach Frankfurt (diesmal noch am Main) gelangt bin, ist leider nicht aufgezeichnet.

D 355: Frankfurt (Main) 21.16 - Berlin-Lichtenberg 05.14

Der Zug war einer von zwei Nachtzügen, die man in dieser Relation hätte nutzen können. Eine Stunde später wäre noch der D 359 von Basel nach Berlin Stadtbahn gefahren. Ich hatte ein eigenes Abteil und sollte das auch behalten; das war schon mal ein guter Start in die Nacht. Keine Ahnung, ob der Wagen ein Bom der DR oder ein Bm der DB war, in beiden Fällen konnte man sich aber immer gut "lang" machen; im DB-Wagen mit bis zu drei Personen, weil sich die gegenüberliegenden Sitze ausziehen und zu Liegen vereinen ließen, und in den Boms dann halt zu zweit in Querrichtung. Aber allein war es definitiv das beste. Zwar hatte ich das Gefühl, jeden Halt mitzubekommen, aber zwichendurch, vor allem hinter Erfurt, muss ich auch mal gut "weg" gewesen sein.

Freitag, 28.02.1992

Die Ankunftszeit war höllefrüh, aber man hatte ja schließlich was vor. In Berlin empfing uns fetter Nebel. Die Signale projizierten regelrechte Strahlen in die Suppe. Da ich zu der Zeit an einer Hausarbeit über einen Kompatibilitätsvergleich der Signalsysteme HV, Hl und Ks saß, versuchte ich nun zu Illustrationszwecken mal so ein "lasermäßig" ausstrahlendes Signal zu fotografieren. Dabei hoffte ich natürlich auf die "bunten" Hl-Signalbilder für Fahrt mit 60 oder 100 km/h. Ziemlich erfolglos anscheinend; mehr als ein banales "Rot" finde ich nicht auf dem Film...

S7: Berlin-Lichtenberg 05.51 - Ahrensfelde 06.08

In Ahrensfelde brauchte ich nicht all zu lange zu warten, bis mein Zug aus Tiefensee angefahren kam. Über die Garnitur dieses Wendezuges war ich dann doch sehr überrascht. Der Steuerwagen war ein BDmq in einer mir bisdato unbekannten Farbgebung rot/weiß. Und der zweite Wagen war ein guter alter Bundesbahn Mitteleinstiegswagen der Gattung Byl (bei der DR dann aber als Byu bezeichnet). Die Zuglok war eine klassische 202 - allerdings in einem erstaunlich guten Lackzustand.


Der Zug, mit dem ich weiter fahren wollte, kam bald als N 19902 von Tiefensee eingefahren. Der Steuerwagen war in einer einzigartigen Versuchslackierung für den "Sputnik" lackiert. Der Bundesbahn-Mitteleinstiegswagen setzte der Kuriosität dann vollends die Krone auf.

Mit mir an Bord ging es dann bald zurück, und zwar über Tiefensee hinaus bis Wriezen. Während bis Tiefensee ein einigermaßen dichter Vorortverkehr herrschte, gab es auf dem Abschnitt Tiefensee - Wriezen nur fünf Zugpaare.

N 19905: Ahrensfelde 06.41 - Wriezen 07.53

Zugbildung: 202, Byu, DBmq. (Byu ist ein ex-DB-Byl, also Mitteleinstiegswagen, DBmq ist ein Dosto-Einzelwagen mit Steuerabteil).
Nachdem ich in Werneuchen nur ein Knipsbild aus dem Fenster gemacht hatte, war es mir dann doch wichtig, auf dem dünn befahrenen Abschnitt ein Belegbild zu machen. Ich sprach das Zugpersonal an, und in Leuenberg durfte ich dann mein Foto machen. Das passte auch ganz gut, war hier doch mal eine kurze Nebel freie Zone.


Der N 19905 mit seiner kuriosen Garnitur hält in Leuenberg.

Nach dem Bild wurde ich im Zug von einem älteren Herrn angesprochen, der sich auch für Eisenbahnen interessierte. Er war wohl bei der Heidekrautbahn im Norden von Berlin aktiv. Ich solle die Bahn mal besuchen kommen. - Die jetzt von uns befahrene Strecke schlängelte sich zum Ende hin sicherlich interessant in die Oder-Ebene hinab. Allein man konnte nichts sehen. Die Odernebel hatten die Gegend vollends im Griff!


Wriezen im Nebel... Ich konnte meinen gegenüber stehenden Anschlusszug nur erahnen.

N 4937: Wriezen 08.00 - Frankfurt (Oder) 09.17

Zugbildung: 202, Bghw, Bghw, Bghw, Bghw. (Bghw sind die Reko-Vierachser mit Mittelgang).
70 Minuten lang nur durch eine graue Masse! Ich kann nicht behaupten, viel von der Strecke gesehen zu haben. In Frankfurt (nun also das an der Oder) fuhr ich mit der Straßenbahn in die Innenstadt. Wohin genau, kann ich gar nicht sagen. Notiert ist bloß, dass ich die Stadt hässlich fand. Brötchen und bischen was dazu gab es aber, und das war mir dann wohl auch die Hauptsache.


Stadtverkehr in Frankfurt (Oder). Es ist sehr selten, dass ich ein Bild nicht verortet bekomme. Aber hier kann ich nur vermuten, dass es sich um die Kreuzung von Karl-Marx und Rosa-Luxemburg handelt, Blick Richtung Nordnordost. Wobei die freie Fläche hinter der Strab jetzt mit neueren Häusern bebaut zu sein scheint. (Nachtrag: Die fragliche Kreuzung wurde inzwischen bestätigt!)

Eines gab es noch zu erledigen: Die Unterkunft für den Abend klarmachen! Mein Plan sah die Jugendherberge in Bad Saarow vor, die ich nun mal aus einer Telefonzelle anrief. Es nahm aber niemand ab. Zur Sicherheit rief ich statt dessen das Jugendgästehaus (!) Frankfurt (Oder) an und fragte, ob man abends ggf kurzfristig kommen könne. "Ja" wurde mir beschieden, das Haus sei recht leer. Ich fand es immer wichtig zu wissen, dass man abends irgendwo "landen" konnte.... In der vollen Straßenbahn zurück zum Hbf muss ich wohl aus Versehen einen älteren Herrn mit dem Rucksack touchiert haben. Der beschwerte sich beim Straßenbahnfahrer und der motzte nun mich an, dass ich den Rucksack abnehmen solle... Der nun von mir zu nutzende Zug sollte die erste Planleistung einer modernisierten, mintfarbenen Ferkeltaxe sein, das hatte ich wohl irgendwo gelesen. Entsprechend erwartungsvoll stieg ich die Stufen zum Bahnsteig hoch, wo aber nur zwei einsame Bghw Wagen auf dem fraglichen Gleis standen. Doch dann ging alles sehr schnell. Drei Minuten vor der Abfahrtszeit kam ein Rangierhobel, der die Wagen zwei Minuten vor der Abfahrtszeit raus zog, so dass mein Triebwagen eine Minute vor Abfahrtszeit bereitgestellt werden und pünktlich losfahren konnte! Einziger Haken: Es war eine rote Ferkeltaxe. War ich enttäuscht? Im Nachhinein bin ich es jedenfalls nicht...

N 15958: Frankfurt (Oder) 10.27* - Küstrin-Kietz 11.20-9*

Zugbildung: 972, 772.
Irgendwie war an allen Stationen viel Zeit, die der Tf nutzte, um mit den rotbemützten Kolleginnen herumzuschäkern. Die Zeit dafür muss im Fahrplan eingearbeitet gewesen sein, denn wir kamen trotz allem noch neun Minuten zu früh* in K-K an. Fototechnisch konnte ich mich aber erst in Podelzig aufraffen, den warmen Zug zu verlassen; vermutlich herrschte vorher eh noch die Suppe.


Kurzer Aufenthalt in Podelzig.

Der Bahnhof Küstrin-Kietz war erst kurz zuvor umbenannt worden; vorher hieß er nur Kietz. Die Namensschilder waren alle schon erneuert. Aus dem Umlauf, den ich vorher irgendwo gelesen hatte, wusste ich, dass ich auch weiterhin mit derselben Ferkeltaxe fahren würde - nunmehr auf der Ostbahn. Soviel ich weiß, war dies die einzige Ferkel-Leistung auf der Strecke. *Im Nachhinein stutze ich etwas: Der eben genutzte N 15958 ist im Kursbuch erst etwa vier Stunden später drin, und die von mir notierte planmäßige Ankunftszeit entspricht der Abfahrtszeit nach Strausberg... Da muss ich wohl Infos gehabt haben, die mir jetzt nicht mehr vorliegen. Die DR war ja immer recht schnell mit Fahrplanberichtigungen bei der Hand...


Der Schienenbus ist als N 15958 aus Frankfurt (Oder) in Küstrin-Kietz angekommen. Weiter über die Oder ins polnische Kostrzyn geht es im Personenverkehr noch nicht. Das Gespann wendet auf N 5914 nach Strausberg.

N 5914: Küstrin-Kietz 11.20 - Rotes Luch 12.15

Zugbildung: 772, 972.
Das Zugpersonal war natürlich noch dasselbe, so dass denen bekannt war, womit sie mir eine Freude machen konnten. In Werbig gab es eine Kreuzung mit dem Gegenzug - leider bereits vor dem Bahnsteig im Güterbahnhof. Das war aber kein Problem, ich durfte auch ohne Bahnsteig aussteigen und ein Foto machen. Weiter im Binnenland kam dann eeeendlich mehr und mehr die Sonne raus. So durfte ich auch am Hp Obersdorf, dessen Blockstelle wohl erst vor kurzem stillgelegt worden war, ein Bahnsteigfoto machen.


Zugkreuzung in Werbig Gbf: Uns kommt N 5909 aus Strausberg entgegen.


Kurzer Jumpout in Obersdorf. Hinter dem Triebwagen fällt das durchkreuzte Formsignal der ehemaligen Blockstelle auf.

Hinter Obersdorf notierte ich ein mögliches Fotomotiv: Blick von einer Anhöhe auf ein langes Streckenstück, komplett mit Doppeltelegrafenmasten. Ich hatte ja keine Ahnung, dass ich da gerade DAS bekannte Hauptmotiv der Ostbahn "entdeckt" hatte. Ich hatte ja nun auch durchaus paar Streckenfotos auf dem Zettel. Die wollte ich aber westlich von Müncheberg machen, wo man heute weiß, dass da eher nicht die Hauptmotive der Strecke zu finden sind. Das hatte allerdings einen triftigen Grund: Damals hätte ich z.B. in Obersdorf fünf Stunden auf den nächsten Zug warten müssen und hätte zwischendurch keinen einzigen Personenzug zum fotografieren gehabt. Östlich von Müncheberg gab es nur 6 Zugpaare, während es westlich etwa doppelt so viele waren. Gerade über Mittag spielte sich der Verkehr nur zwischen Strausberg und Müncheberg ab. Naturlandschaften und jede Form von "unkultivierter Wildnis" fand ich schon immer sehr spannend. Und so hatte ich auf der Landkarte als potentiellen Motivabschnitt für Streckenaufnahmen das Rote Luch ausgeschaut - eine naturbelassene Flussniederung mit eigener Bahnstation, die ich dann gleich mal nutzen wollte. Rotes Luch entpuppte sich sogar als Ausweichbahnhof, bei dem nur am Ausweichgleis ein Bahnsteig lag. Erstaunlicherweise warteten da sogar ordentlich Menschen auf den Zug!


Für mich endet die Fahrt mit der Ferkeltaxe in Rotes Luch, wo mitten im Wald ordentlich Fahrgastandrang herrscht. Es handelt sich um Bundeswehr-Angehörige von einem nahen Fernmeldestützpunkt.


N 5914 fährt ohne mich weiter. Von diesem einsamen Ausweichbahnhof ist heute nicht mehr viel übrig - weder die Ausweichstelle, noch der Verkehrshalt. Bei der Mitfahrt mag es kaum auffallen, dass hier überhaupt mal was gewesen ist.

Kurioserweise war ich nicht der einzige, der hier fotografierte. Ein weiterer Hobbykollege war mit Kamera bewaffnet aus dem Zug gestiegen. Mit ihm zusammen gab es nun einen Spaziergang entlang der Strecke in westliche Richtung, einmal quer durch das Luch. Vom Bahnsteig führte ein Trampelpfad abwärts, der bald auf einen Weg aus Betonplatten überging und sich in den Wald hinein schlängelte. Das Wetter war herrlich, und es gab sogar zusätzlich zu den eingeplanten Bummelzügen noch eine Lz, einen Skl und eine Baumaschine. Allein versuchte ich dann noch, von weiter oben, aus den Hängen des Tals, durch die Bäume einen freien Ausblick zu erhaschen. Nun ja, war etwas experimentell, aber der Landschaftscharakter kommt vielleicht rüber ;-)


Als erstes nähert sich N 5911 Strausberg - Müncheberg. Er führt sogar noch einen zweiachsigen Packwagen der Gattung Pwg.


Überraschend kommt eine Ludmilla hinterher.


Es ist viel los in diesem Luch. Nun kehren aus Richtung Osten die Kollegen von der Bahnmeisterei vom Holzmachen heim.


Für den von Müncheberg zurückkommenden Bummelzug wage ich etwas Experimentelles: Ich suchte mir einen etwas weiteren Überblick über die Szenerie, fand aber nur diese kompromissbehaftete Baumlücke für N 5912.

N 5913: Rotes Luch 14.46 - Müncheberg 14.51

Zugbildung: 202, Pwg, Bghw, Bghw. (Pwg ist ein zweiachsiger Pack- bzw Begleitwagen).


In Müncheberg steht als Anschluss die Buckower Kleinbahn bereit - damals noch unter DR Regie. Die wenige Kilometer lange Nebenbahn ist ein elektrifizierter Inselbetrieb.

N 16972: Müncheberg 14.55 - Buckow 15.05

Der hübscheste / offenere Streckenteil dieses elektrifizierten Inselbetriebes liegt eher bei Müncheberg. Geplant war nun aber, schnell von Buckow ein Stück an die Strecke raus zu laufen und die Rückfahrt meines Triebwagens, der um diese Zeit in recht dichter Frequenz pendelte, an einem BÜ aufzunehmen.


N 16972 ist in dem kleinen hübschen Kopfbahnhof des Ausflugsortes angekommen.


N 16975 ein Stück südlich des Bahnhofs.

Danach ging es in den Ort hinein. Neben der Beschaffung von etwas Verpflegung stand auch noch ein zweiter Anruf-Versuch bei der JH Bad Saarow an. Erst in der Ortsmitte auf dem Postamt fand ich eine Telefonzelle. In Bad Saarow ging aber wieder niemand ran. Deshalb beschloss ich, im JGH Frankfurt (Oder) zu übernachten.

N 16977: Buckow 15.45 - Müncheberg 15.55

N 5916: Müncheberg 16.00 - Strausberg 16.27

Zugbildung: 202, Bghw, Bghw, Pwg.
Es war ja noch nicht all zu spät am Tage, und ich wollte ja so viele Nebenstrecken wie möglich befahren. Dazu gehört halt auch eine von der Berliner S-Bahn befahrene "Nebenstrecke", und so gab es noch einen Abstecher in Richtung Strausberg Nord.

S5 Strausberg 16.37+4 - Strausberg Stadt 16.45+4

Da die Bahn +4 hatte, in Strausberg Nord nur vier Minuten auf die Rückfahrt Zeit waren und ich nicht wusste, ob sich da nicht evtl ein anderer Zug im Moment unserer Ankunft in Bewegung setzt, stieg ich leider schon in Strausberg Stadt aus. Die Umgebung fand ich damals ziemlich ernüchternd; ebenso wie ich heute das dort entstandene Foto ernüchternd finde und hier nicht zeige.

S5: Strausberg Stadt 16.55 - Berlin Hbf* 17.48 (*heutiger Ostbahnhof)

Im Hbf konnte ich einige Fernzüge beobachten. Unter anderem hätte ich noch nach Hamburg fahren können. Aber ich wollte ja in die andere Richtung...

D 647: Berlin Hbf 18.30 - Frankfurt (Oder) 19.28

Dieser D-Zug kam aus Halberstadt, herrlich... Notiert hatte ich mir noch, dass die Zeiten nicht mit dem Kursbuch übereinstimmten, weil es auch hier Fahrplanänderungen gegeben hatte. In Frankfurt ging es mit der Straßenbahn Linie 1 zur Station Eichhornstraße. Von dort war der kurze Weg zum Jugendgästehaus ausgeschildert, das etwas erhöht stand. Man war hier mitten in einer Platten-Siedlung gelandet. Das JGH bestand aus einem Treppenhaustrakt eines dieser Platten-Wohnblöcke. Die Wohnungen sind die Unterkünfte - heute würde man wohl Appartements dazu sagen. Ich hatte wie so oft in ostdeutschen Jugendherbergen mal wieder ein eigenes Zimmer, und da die anderen Zimmer der Wohnung nicht vermietet waren, sogar ein eigenes Bad und eine eigene Küche. Im Gegensatz zu einer "ordinären" Jugendherberge war das Bett bezogen und es gab Handtücher. Für 22 DM war das nicht schlecht...

Samstag, 29.02.1992

Von einem Frühstück ist leider nichts überliefert. Wohl aber davon, dass ich bereits vom Jugendgästehaus die ersten Straßenbahnbilder gemacht habe.


Blick vom Jugendgästehaus Frankfurt (Oder) auf die Straßenbahnstrecke.


An der Haltestelle Eichhornstraße gibt es ein Gleisdreieck. Bevor meine Strab kommt, fährt hinten eine Tatra quer.

Ich hatte es an diesem Morgen nicht eilig, und so konnte ich erstmal in einem Supermarkt einkaufen und Brötchen besorgen (ok, klingt nicht so, als ob es im JGH Frühstück gegeben hätte...). Heute herrschte kein Nebel, so dass ich nach einer Straßenbahnfahrt in die Innenstadt direkt ans Oderufer gelaufen bin und den Blick nach Polen geworfen habe. Außerdem konnte ich telefonisch die nächste Unterkunft klarmachen, was problemlos klappte.

N 7938: Frankfurt (Oder) 10.02 - Fürstenwalde 10.34+4

Mit den Bauarbeiten kurz hinter Frankfurt, wegen denen wir ein Stück auf dem Gegengleis gefahren sind, hatte ich eher nicht gerechnet. Jedenfalls hatten wir dann +4. Und das ist doof, wenn man nur drei Minuten Übergangszeit hat und der Anschlusszug im Kleinbahnhof ca 300m entfernt steht, zu dem hin man unter Lebensgefahr eine Hauptstraße queren muss, auf der nach dem Öffnen der Schranke ein Auto nach dem anderen rollt. Die Alternative wäre ab Frankfurt ein Zug anderthalb Stunden früher gewesen; da war wohl der Wunsch auf Ausschlafen stärker... Aber es hatte ja alles geklappt. Offenbar war man an meiner Anschluss-Ferkeltaxe sogar noch so tiefenentspannt, dass sogar noch ein Foto möglich war...


Einige Züge sind so unbedeutend, dass sie an der Ladestraße abfahren... Diesen Eindruck konnte man jedenfalls bekommen, wenn man N 19975 in Fürstenwalde einsam und weitab vom Staatsbahnhof im Kleinbahnhof stehen sieht.

N 19975: Fürstenwalde 10.37+4 - Beeskow 11.36-5

Zugbildung: 771.
Ob das Personal nun wollte oder nicht, bereits nach kurzer Fahrt kam das Züglein an den Stationen so früh an, dass ich auch ohne Zustimmung des Personals meine Fotos hätte machen können. Hätte, weil... Natürlich hatte ich die Zustimmung des Personals, die sich wie immer über derartige Aktivitäten freuten. Ich glaube, ich habe da generell nur äußerst selten schlechte Erfahrungen gemacht. Und trotz allem waren wir noch fünf Minuten zu früh in Beeskow.


N 19975 beim Halt in Wilmersdorf,...


...und in Pfaffendorf.


In Groß Rietz wird die Oma schon sehnsüchtig von Sohn und Enkel erwartet.


Oma hat nach ihrer Reise viel zu erzählen...


Unser N 19975 ist im Kleinbahnhof von Beeskow angekommen. Der Übergangsweg zum Staatsbahnhof ist diesmal...


...allerdings nicht so weit, praktisch nur ein anderer Hausbahnsteig auf der Nordseite der Gleisanlagen.

N 15903: Beeskow 12.06 - Hartmannsdorf 13.04

Zugbildung: 202, Bghw, Bghw.
Die Zugführerin meinte bei der Kartenkontrolle zu mir, dass ich meiner Zeit ein Stück voraus sei. Ich verstand nicht, was sie meinte. Auf meiner Freifahrt hatte ich doch den 1.3. eingetragen, und der wurde mir auf meiner Uhr auch angezeigt. Tja, nun wusste ich also auch, dass meine Uhr keine Schaltjahre kannte... Ich durfte aber trotzdem weiter mitfahren ;-) Und natürlich waren auch hier paar Bahnhofsfotos drin, ohne das Fahrplangefüge dieser Strecke nennenswert durcheinander zu bringen.


Für ein Foto war auch bei der Mitfahrt im N 15903 immer wieder Zeit. Erst in Wittmannsdorf,...


...dann in Groß Leuthen-Gröditsch. Dieser Bahnhof war sogar noch besetzt, und nachmittags gab es hier sogar eine Zugkreuzung.

Diese Strecke, die einen Abschnitt der Niederlausitzer Eisenbahn bildet, wurde damals von ganzen vier Zugpaaren bedient. Und trotzdem wollte ich gern eine Streckenaufnahme haben. Jetzt kam wieder die gestern schon geschilderte Anziehungskraft von Naturlandschaften ins Spiel. Den Spreewald fand ich äußerst faszinierend. Leider gab es die Spreewaldbahn nicht mehr. Aber diese Strecke, auf der ich gerade unterwegs war, sollte ja nun nicht weit südlich des Unteren Spreewaldes über die Spree und ihre Flutwiesen führen. Das sollte doch fotografisch umsetzbar sein? Ich plante, nach Querung der Spree am Hp Hartmannsdorf auszusteigen. So kehrte sich langsam das Blatt bei mir: Ich verzichtete tatsächlich auf die letzten 4 km und damit auf das vollständige (!) Abfahren dieser äußerst stilllegungsbedrohten Linie, um ein Streckenfoto zu machen. Aber auch unser Zug sollte für ein Foto nicht ungenutzt bleiben; so hatte ich auch für den Hp Hartmannsdorf selbstverständlich den Plan, schnell vorzulaufen und ein Foto zu machen. Tja, ein Konzept kann man ja mal haben...


Schade war schon, dass der Lokführer zum Halt bis mittig auf den Bahnübergang vorgezogen hatte. Doch damit nicht genug. Keine Ahnung, wer sich mehr erschrocken hat, als ich vom Bahnsteig um die Lok herum gesaust kam, der Autofahrer oder ich. Jedenfalls stand da das eizige Auto weit und breit, das binnen Stunden diese Nebenstraße befuhr, direkt vor meiner Linse. Es ist doch unglaublich... N 15903 beschleunigt aus dem Hp Hartmannsdorf.

Das war ja nun mal blöd gelaufen. Egal! Dass an der Spreebrücke was gehen sollte, hatte ich vom Zug aus gesehen. Da der einzige Zug weit und breit nun der Gegenzug war, musste ich aber auf die andere Seite der Brücke. Dazu vertraute ich mal darauf, dass da jetzt nicht noch der Nahgüterzug nach Groß Leuthen-Gröditsch oder ein umgeleiteter Russenschnellzug käme, und lief die lange Brücke zurück ans Ostufer. Da konnte man sich dann schön am Deich in die Sonne legen, die Natur genießen und natürlich rechtzeitig zum Zug die Kamera heben.


Zwischen Oberem und Unterem Spreewald quert die Nebenbahn Lübben - Beeskow die Spree über die "Rote Brücke". Und mit viel Geduld konnte man hier bis 1995 sogar Züge sehen, wie z.B. N 15904. Wenn ich das richtig verstanden habe, ist der Streckenabschnitt über die Brücke bis Krugau zu einem Militäranschluss sogar noch befahrbar.

Tja, und nun? Natürlich hatte ich nicht vor, vier Stunden auf den nächsten Zug zu warten. Nein, ich lief auf dem Deich südwärts und nutzte nun die dort verlaufende Spreewaldbahn. Ok, die Bahn war stillgelegt und auch abgebaut, aber die Brücken über die verschiedenen Spreearme hatte man freundlicherweise stehen lassen, so dass ich trockenen Fußes rüber nach Lübben wandern konnte.


Über die Brücke der Spreewaldbahn bei Lübben fährt aber definitiv kein Zug mehr.


Blick von der Spreewaldbahn-Brücke auf den Hauptarm der Spree.

In Lübben zog sich der Weg durch die hübsche Stadt noch ganz schön hin, doch nach Querung eines kleinen Parks hatte ich den Bahnhof erreicht. Ich kann nun gar nicht sagen, ob ich den weiteren Tourverlauf fest geplant oder flexibel gehalten hatte. Was besonders Zeitkritisches war da nun nicht mehr bei. Den Zug auf der Spreebrücke hatte ich ca 13.42 fotografiert; ich vermute mal, dass das Erreichen meines folgenden Zuges eher entspannt war:

N 5802: Lübben Hbf 16.05 - Königs Wusterhausen 16.52

Zugbildung: 143, Bghw, Bghw, Bmh, Bghw, Bghw (Bmh sind die "Langen Halberstädter" mit Mittelgang und Türanordnung ähnl Silberling).
In Königs Wusterhausen musste in die S-Bahn umgestiegen werden. Auf einem Aushang hatte ich schon gesehen, dass an der S-Bahn ab 21.30 Bauarbeiten mit Pendelverkehr zu erwarten seien. Doch dummerweise wurde bereits jetzt abweichend gefahren. Statt zu den Minuten 07, 27, 47 fuhr man nun um 23, 53. Das war bei Ankunft des Bummelzuges um 16.52 sportlich. Und wenn man es nicht weiß, beeilt man sich ja auch nicht. Als das prägnante Weckerklingeln der S-Bahn-Türen ertönte, war es jedenfalls zu spät, und nicht nur für mich. Ich hatte eh noch eine S-Bahn Fahrkarte kaufen wollen, möglicherweise wegen des falsch eingetragenen Datums auf meiner Freifahrt, und die 1,80 DM für einmal ans andere Ende von Berlin konnte man investieren, zumal dort meine Route auch von der auf der Freifahrt eingetragenen Fernstrecke abweichen würde... Im Folgenden verzichte ich auf die Nennung von Zeiten, denn bei der S-Bahn war wegen der Bauarbeiten der ganze Fahrplan umgeschmissen worden...

S6: Königs Wusterhausen 17.23 - Berlin-Grünau (Pendelverkehr)

S8: Berlin-Grünau - Berlin-Schöneweide

S85: Berlin-Schöneweide - Berlin-Karow

Nachdem in Blankenburg zwei Wachleute mit Hund ausgestiegen waren, hatte ich den Wagen für mich. Allein im S-Bahn Wagen ist aber noch nicht so gruselig wie...

N 11824: Berlin-Karow 18.52 - Basdorf 19.13

Zugbildung: 202, DBv, DBv, DBv, DBvq. (vielleicht hätte auch die Nennung von einmal DBv gereicht; DBv ist eine vierteilige Doppelstockwagen-Garnitur; ich bleibe mal bei der Einzelnennung der Wagen. Das q steht fürs Steuerabteil).
...allein im langen Doppelstockzug! Der Zug hatte bei seiner Ankunft aus der Schorfheide eine Menge Ausflügler ausgespuckt, kehrte nun aber mit mir als einzigem Fahrgast zurück nach Basdorf. Dort ging der lange Zug dann aber auch raus; die weiteren Dienste auf der Strecke nach Groß Schönebeck wurden durch eine Ferkeltaxe übernommen:

N 15180: Basdorf 19.17 - Wandlitzsee 19.25

Zugbildung: 972, 772.
Nach nur fünf Minuten Fußweg hatte man die Jugendherberge "Lilo Herrmann" erreicht. Die Unterkunft konnte auf Anhieb gefallen. Die Zimmer befanden sich in Bungalows, die über das ganze traumhaft am Ufer des Wandlitzsees gelegene Gelände verteilt waren. "Natürlich" hatte man auch hier wieder ein eigenes Zimmer. Ja, hier würde ich es zwei Nächte aushalten... Abends drehte ich noch ne Runde zum Hp, fotografierte einen Zug (aha, ich hatte mich schon gefragt, was für Lichtstreifen das auf dem Negativfilm zwischen zwei Fotos sind...) und befragte einen Computer an einer Touri-Infosäule über Wandlitz. Wandlitz war ja bekanntlich der Wohnort der SED-Größen gewesen, die hier abgeschottet in einer eigenen Waldsiedlung residierten. Aber das war auf der anderen Seite vom Ort. - Trotz Nutzung von Freifahrten haben sich an den ersten zwei Tagen auch schon einige Fahrkarten angesammelt:


Die Fahrkarten können leider nicht die komplette Tour abbilden. Inzwischen galten unsere DB-Freifahrten auch bei der DR. Für die übrigen Strecken, für die man keine der 16 jährlichen Freifahrten opfern wollte, musste man statt der aus dem Westen bekannten Personalfahrkarten in einer kurzen Übergangszeit FIP-Tickets lösen. Das waren auch 50% Fahrscheine, die aber nur für eine Fahrt statt für zwei Fahrten wie bei der Personalfahrt galten. FIP war eigentlich der Rabatt fürs Ausland. Ansonsten fällt auf, dass nun auch im Osten die Zonenfahrscheine Einzug gehalten hatten, die eben nicht mehr das klare "von-bis" einer Reise erzählen. Bemerkenswert ist hier die Pappfahrkarte aus Buckow, bei der irgendwie der Zielbahnhofsname der Druckplatte entnommen worden war. Als Abreißfahrscheine für den Schaffner gab es nun ähnliche Muster wie bei der DB, bloß in weißgrau. Die DR Computer-Fahrausweise waren nun fälschungssicher (haha!) mit einem orangen Muster und "DM" versehen worden. Auch die Automaten konnten jetzt "DM", aber natürlich auch nur noch Zonen (unten rechts).

Sonntag, 01.03.1992

Nach einem schönen Frühstück begann das Tagesprogramm zu einer günstigen Zeit. Damals führten zwei Stichstrecken von Süden an die Schorfheide ran: Westlich die Strecke nach Liebenwalde, die heute ab Wensickendorf stillgelegt ist, und östlich die Strecke nach Groß Schönebeck. Hier fuhr man am Sonntag Morgen wieder mit den "großen Zügen", den wunderschönen vierteiligen Doppelstockeinheiten:

N 15158: Wandlitzsee 08.45 - Groß Schönebeck 09.14

Zugbildung: 202, DBv, DBv, DBv, DBvq.
Die Wendezeit des Zuges nutzte ich, um mich ein wenig in dem verträumten Städtchen mit seiner wunderschönen Feldsteinkirche mit Fachwerk-Turmaufsatz umzuschauen. Ein Foto des Zuges ging natürlich auch. Damals fand ich etwas schade, dass die Lok am Nordende stand. Dabei ist ja eigentlich der Doppelstockzug die Haupt-Besonderheit.


Eine vierteilige Doppelstockeinheit des Typs DBv wendet in Groß Schönebeck von N 15158 auf N 15163.

N 15163: Groß Schönebeck 09.59 - Klandorf 10.04

Zugbildung: DBvq, DBv, DBv, DBv, 202.
Es war mal wieder Zeit für Streckenaufnahmen. Viel Zeit, um genau zu sein. Viel Zeit für wenig Zug. Irgendwie hatte ich mir dazu auch die größte Zugpause ausgesucht - über zwei Stunden "durfte" ich hier zubringen für einen zu fotografierenden Gegenzug.


Nach dem Ausstieg in Klandorf befinde ich mich mitten in der Natur. N 15163 dieselt nach Brelin-Karow weiter. Links ganz in der Ferne sind drei Kraniche auf dem Acker auszumachen!

Allerdings war es hier wirklich traumhaft schön. Man hatte das Gefühl, mitten in die Natur einzudringen, obwohl man durch Äcker lief. Hier waren Kraniche, Wildgänse, Rehe, Hasen und anderes Getier unterwegs. Bald fand ich eine Stelle, wo ich mich im Gras ausstrecken konnte, doch wie sollte aus dem angedachten Nickerchen etwas werden, wenn sich neben einem die Kraniche und Wildgänse laut schnatternd unterhalten? Und wenn man sich nicht bewegte, kamen sogar die Hasen auf Armlänge an einen ran.


Als nächster Zug nordwärts kommt N 15164 auf Klandorf zugefahren. Hier macht sich mal wieder das damals nicht vorgeschriebene und deshalb fehlende Spitzenlicht negativ bemerkbar.


Derselbe Zug von hinten.

Irgendwann verschwanden allerdings die ganzen Tiere. Dafür tauchten nun andere Viecher auf. Zwei Hundepaare streiften offenbar herrenlos durch die Gegend. Zum Glück nahmen sie reißaus, als sie mich bemerkten. Zurück am Haltepunkt konnte ich mich eine Weile mit einer Frau unterhalten, die zu berichten wusste, dass einige Bauern ihre Hunde frei rumlaufen ließen.

N 15167: Klandorf 12.24 - Basdorf 12.57

Zugbildung: DBvq, DBv, DBv, DBv, 202.
Nun wollte ich natürlich noch den anderen Streckenast Richtung Schorfheide bereisen. Auf der Piste nach Liebenwalde kamen offenbar nur Schienenbusse zum Einsatz.

N 16164: Basdorf 13.08 - Liebenwalde 13.37

Zugbildung: 972, 772.
Das Einfahrsignal von Wensickendorf tat es offenbar nicht. Die Zugführerin bekam am Fernsprecher einen Befehl diktiert. Und ich durfte ein Foto machen :-)


Die Zugführerin des N 16164 bekommt am Einfahrsignal von Wensickendorf am Fernsprecher einen Befehl diktiert. Offenbar kam das regelmäßig vor; anders kann man die Errichtung eines festen Treppchens wohl nicht erklären.

Zwischen dem Hp Kreuzbruch und dem Endbahnhof Liebenwalde wurden zwei Kanäle gequert. Erst der Oder-Havel-Kanal, und dann dessen Vorläufer, der auf der Landkarte als "Langer Trödel" beschriftet war. Das fand ich so toll, dass ich für Streckenaufnahmen dann gleich mal ebendiesen Abschnitt auswählte. Dabei handelte es sich bei beiden Brücken um obergurtige Bauarten, die sich zum fotografieren ja eigentlich gar nicht eignen...


Hier geht es nicht weiter. N 16164 ist in Liebenwalde angekommen. Heute wird nur noch bis Wensickendorf gefahren.

Nach dem Bild von der Schienenbus Garnitur im Endbahnhof konnte ich also direkt los laufen. Da der Triebwagen eine Dreiviertelstunde Wendezeit hatte, konnte ich es zu Fuß locker bis vor die Tore der Stadt schaffen, um dort nach einem Motiv zu schauen. Ich wählte die Brücke über den Langen Trödel. Als ich die Negative sichtete, dachte ich, das wäre ein Landschaftsbild. Erst nach dem Scan bemerkte ich den Zug ;-)


N 16165 überquert am südlichen Ortsrand von Liebenwalde den "Langen Trödel".

Danach lief ich weiter südwärts. Das Gehen entlang der Landstraße war kein wirkliches Vergnügen. Der dichte Verkehr an sich war schon unerfreulich, aber es stank regelrecht nach Abgasen, wie ich es auf einer Landstraße sonst kaum erlebt habe. Zwischenzeitlich probierte ich es ein wenig querbeet und an einem kleinen Graben entlang, aber das war mies zu gehen. Ich wurde sogar von einem älteren Herrn angesprochen, der völlig verwundert war, dass hier jemand wanderte... An einem netten, völlig abseits gelegenen BÜ, an dem fototechnisch sicher was gehen musste, lief ich erst noch vorbei, denn ich hatte noch Zeit, etwas weiter zu kundschaften. Doch ich war schon kurz vor der zweiten Kanalbrücke und Kreuzbruch. Da wollte ich später was machen. Meine Hoffnung, in Kreuzbruch etwas zu trinken organisieren zu können, war erwartungsgemäß nicht von Erfolg gekrönt. Keine Mitropa am Haltepunkt ;-) Also zurück. Den von mir in zahlreichen Auslands-Reiseberichten geprägte Begriff "Lex Wilderness" (Das Gesetz der Wildnis: Du bist nie allein!) kannte ich damals noch nicht. Aber nun erlebte ich so einen Fall in Bestform. Das Motiv war ein Bahnübergang mit nur je einem Andreaskreuz an einem kleinen Feldweg abseits der Hauptstraße. Völlige Einsamkeit. Ich bieg also um die Ecke und glaube meinen Augen nicht zu trauen: Steht dort doch ein Typ mit seinem Auto und wäscht seinen Wagen! Der war dem Kennzeichen zufolge ganz aus Berlin hergefahren, um sein Auto zu waschen! Das sind so die Momente... Auf meine Bitte hin fuhr er ein kleines Stück vom BÜ weg, so dass ich nur noch den Schatten seines Autos im Bild hatte. So konnte ich Hin- und Rückfahrt des Schienenbus-Gespanns brauchbar aufnehmen.


Der Zweiteiler strebt nun als N 16166 wieder nordwärts, hier etwas nördlich des Oder-Havel-Kanals bei Kreuzbruch. Rechts der Schatten des Autowäschers...


Blick von demselben Bahnübergang in nördliche Richtung: N 16167 kehrt von Liebenwalde zurück.

Für die nächste Fahrt hoch nach Liebenwalde wollte ich es mit der Brücke über den Oder-Havel-Kanal wissen. Das ging dann sogar ganz brauchbar, weil man die Ferkeltaxe ein Stück aus der Brücke herausfahren lassen konnte. Das Warten war eine Zitterpartie wegen der Schatten, doch es klappte prima! Danach konnte ich mich langsam zum Hp bewegen. Als mein Zug zur Rückfahrt einfuhr, war die Sonne bereits verschwunden.


Der nächste Zug nordwärts ist logischerweise N 16168. Er quert gerade den Oder-Havel-Kanal bei Kreuzbruch.


Unter den aufmerksamen Augen der einheimischen Bevölkerung erreicht N 16169 den Hp Kreuzbruch.

N 16169: Kreuzbruch 17.21 - Basdorf 17.42

Zugbildung: 772, 972.
Allmählich kannte mich das Personal. Die Zugführerin hatte ich gestern schon von Karow nach Basdorf, und bei ihr musste ich nichts bezahlen, weil ich Kollege war. Das war sehr nett, entsprach aber vielleicht auch noch bischen dem Selbstverständnis, dass Eisenbahner bei der Reichsbahn bis vor kurzem IMMER kostenlos fahren durften. Ich hoffe, ich darf das hier schreiben; das sollte verjährt sein ;-)

N 15176: Basdorf 17.44 - Wandlitzsee 17.52

Zugbildung: 202, DBv, DBv, DBv, DBvq.
Vor der Bahnstation Wandlitzsee war ein Ausflüglermarkt aufgebaut. Herrlich, hier konnte ich mich nach Herzenslust verpflegen. Ich glaube, es war nicht nur eine Flasche Bier, die ich mit an den Strand nahm und dort im Anbetracht einer wunderschönen Abendstimmung am Ufer sitzend genoss. Leider habe ich nicht notiert, welche feste Nahrung ich mir dazu besorgt hatte. Bestimmt Döner oder ne Chinapfanne; sowas gab es gern auf solchen Märkten.


Der Ausblick von der JH "Lilo Herrmann" auf den Wandlitzsee. Ein guter Tag ging würdig zuende!

Montag, 02.03.1992

Offenbar war ich in dieser Nacht der einzige Gast in der JH gewesen. Um 20 vor 8 konnte ich mit einem topp Seeblick frühstücken, bevor ich zum Zug musste. Heute hatte sogar der Fahrkartenschalter in Wandlitzsee geöffnet.


Nun heißt es Abschied nehmen von Wandlitzsee. Mein Zug fährt vor dem imposanten, 1928 im Stil der "Neuen Sachlichkeit" errichteten und ein Ensemble mit dem benachbarten Strandbad bildenden Empfangsgebäude ein.

N 15159: Wandlitzsee 08.26 - Berlin-Karow 08.58

Zugbildung: DBvq, DBv, DBv, DBv, 202.


Ich konnte mir in Karow viel Zeit lassen und paar Bahnen überspringen.

S8: Berlin-Karow 09.28 - Berlin-Blankenburg 09.32

S10: Berlin-Blankenburg 09.35 - Oranienburg 10.07

In Hohen Neuendorf lagen bereits die Schienen der S-Bahn Strecke über die einstige Grenze von Frohnau herüber. Noch ging aber der gesamte Oranienburger Verkehr über den nördlichen Außenring über Mühlenbeck-Mönchmühle (der Name drückt so schön die abseitige Lage dieser S-Bahn Strecke aus...). In Oranienburg ging es für paar Besorgungen kurz in die Stadt, doch viel Zeit hatte ich nicht. Die Sonne hatte sich im Laufe des Morgens diskret verabschiedet, aber ich wollte heute ohnehin fast nur im Zug sitzen, so dass mich das nicht so störte.

N 3142: Oranienburg 10.32 - Rheinsberg 11.50

Zugbildung: 202, Bghw, Bghw, Bghw.
Leider bestand der Zug nicht wie erhofft aus einem Schienenbus, sondern aus Lok und Wagen. In Lindow gab es einen Jump Out, aber das war ebenso wie die Fotos am Endbahnhof eine trübe Angelegenheit.


Entsprechend dem Wetter werden die Bilder nun trüber. N 3142 ist in Rheinsberg angekommen. Am zweiten Bahnsteig stehen vermutlich die Wagen des Werkspersonenverkehrs zum KKW Rheinsberg am Stechlinsee abgestellt.

N 3145: Rheinsberg 12.11 - Herzberg (Mark) 12.53

Zugbildung: 202, Bghw, Bghw, Bghw.
Das Wetter wurde immer dunkler. Der Bahnhof Herzberg war faszinierend. Alle Gleise lagen in Sandbettung, und um die Weichen zu stellen, musste sich der Fdl zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Weiche bewegen und die mit dem Hebelgewicht stellen. Die Signalkurbeln für die Einfahrsignale standen auf dem Bahnsteig.


Nun sind wir schon wieder zurück in Herzberg. Die Einfahrt für den Anschlusszug aus Neuruppin ist schon gezogen.


Beide Züge nebeneinander. Der Schienenbus ist als N 17255 angekommen und wird als N 18394 dorthin zurückkehren.

N 18394: Herzberg 13.05 - Neuruppin 13.28

Zugbildung: 972, 772.
In Neuruppin war Zeit für einige Fotos. Im Bahnhof hatten sich einige Schienenbusse versammelt. Und es war Zeit, Proviant zu besorgen. Es gab Pommes und Erdnussflips...


Schienenbustreffen im Bahnhof Neuruppin. Züge nach Velten, Wittsock und Neustadt (Dosse) stehen bereit. Der Bahnhof Neuruppin ist später seiner Funktion gänzlich beraubt worden. Die Züge fahren hier durch und halten nur noch am Hp Rheinsberger Tor und an einem neu errichteten Verkehrshalt am anderen Ende der stark geschrumpften Bahnhofsanlagen.

N 15358: Neuruppin 14.08 - Neustadt (Dosse) 14.52

Zugbildung: 972, 772, 972, 772.
Offenbar zu Überführungszwecken bestand die Garnitur aus einer Doppeleinheit. Anscheinend wurde das Personal gleich mit überführt; jedenfalls hatten sich vorn vier Eisenbahner versammelt, die bester Stimmung waren. Es wurde viel gelacht. Die Stimmung war sogar so gut, dass ich in Gottberg und Wildberg mal kurz vor die Tür durfte...


Der Vierteiler als N 15358 hält am einsam auf einer Hochfläche gelegenen Hp Gottberg. Hier gibt es heute nur noch minimalen Güterverkehr zum Gewerbegebiet in Werder (b Neuruppin).


In Wildberg liegen heute nicht mehr so viele Gleise...


Auch nach mehreren Fotohalten ist die Zugführerin nach der Ankunft im Kleinbahnhof von Neustadt (Dosse) immer noch gut gelaunt.

Zur Weiterfahrt in Richtung Hamburg hatte ich eine Stunde Zeit. Die nutzte ich, um einmal nach Kyritz und zurück zu fahren. Brachte zwar nichts, weil ich irgendwann nochmal die ganze Strecke Neustadt - Pritzwalk werde abfahren müssen, aber so konnte man die Zeit nutzen. Heute hätte man vermutlich lieber Fotos in Neustadt gemacht, denn die Sonne kam zum Nachmittag hin immer mal wieder raus.

N 18358: Neustadt (Dosse) 15.06 - Kyritz 15.22

Zugbildung: 772, 972.


Nach Kyritz für ein einziges Bild. Immerhin kam die Sonne durch, als N 18358 auf N 18359 wendete.

N 18359: Kyritz 15.28 - Neustadt (Dosse) 15.44

Zugbildung: 972, 772.

D 1336: Neustadt (Dosse) 15.51 - Ludwigslust 17.04

Dieser Zug fuhr nach Lübeck weiter. Irgendwie hatte ich gehofft, vielleicht noch den Nahverkehrszug nach Hagenow mit Anschluss an den Bummelzug nach Hamburg-Bergedorf (wo ich wohnte) zu bekommen, aber der fuhr bereits um 17.00 und hatte auch keine Veranlassung gesehen, später zu fahren. Also musste ich auf den D-Zug Berlin - Hamburg warten, den ich auch ab Neustadt hätte nehmen können. Die Zeit vertrieb ich mir in der Mitropa bei einer Soljanka und einer Hopfenkaltschale.

D 338: Ludwigslust 17.57 - Hamburg Hbf 19.33+10

Ab Aumühle bummelten wir hinter einer S-Bahn her, die wohl eigentlich hinter uns gehört hätte. So kamen wir mit +10 in Hamburg an. Es war immer doof, durch Bergedorf durch zu fahren und alles mit der S-Bahn zurückfahren zu müssen, aber was solls. Eine tolle und wieder mal erlebnisreiche Tour mit viel schönem Wetter ging nun zuende. Stillgelegt sind von den befahrenen Strecken heute: Werneuchen - Wriezen, Frankfurt (Oder) - Küstrin-Kietz, Müncheberg - Buckow (jetzt aber Museumsbetrieb), Fürstenwalde - Beeskow*, Beeskow - Lübben, Wensickendorf - Liebenwalde, Herzberg (Mark) - Neuruppin, Neuruppin - Neustadt (Dosse). Zwischen Löwenberg und Rheinsberg hatte es zwischenzeitlich mal nur Sommerbetrieb gegeben; jetzt läuft der Verkehr aber wieder ganzjährig. *Erst beim Korrekturlesen und der Verifizierung einer anderen Sache auf Google.maps stellte ich zu meiner Verblüffung fest, dass die Strecke zwischen Fürstenwalde und Bad Saarow Klinikum heute im Stundentakt befahren wird! Aber Bad Saarow - Beeskow ist wirklich stillgelegt. Ob die Züge in Fürstenwalde immer noch an der Ladestraße abfahren? ;-) - Zum Schluss einige Fahrkarten der letzten beiden Tage:


Nur ein kurzes Dasein fristeten die Zonen-Fahrkarten vom Abreißblock, die auf Verkaufsstellen ohne Computerterminal die Zonen-Pappfahrkarten abgelöst haben (oben rechts). Sowas hatte die DB, bei der man ja Anfang der 90er auch gelegentlich noch Zonen-Pappdeckel bekommen konnte, schon länger eingeführt. Schön an der Reichsbahn-Variante war aber, dass der Bahnhofsname auf die Vorderseite gestempelt gehörte, während die DB nur einen Tagesstempel-Abdruck (mit Ortsname) auf der Rückseite vorsah. Und es gab sogar noch alte Reißfahrkarten in den Zügen (unten rechts). Da die keine Währungsbezeichnung trugen, konnte man die auch mit DM weiterverwenden. Nur die Kilometer passten nach den zwischenzeitlichen Tarifanpassungen nicht mehr; Herzberg-Rheinsberg sind in Wirklichkeit nur 23km. Bei den Pappdeckeln kann man nur vom "Leiden der Kinder" sprechen. Diese durchgesäbelten 50% Pappfahrkarten tun mir in der Seele weh. Aber deshalb extra den vollen Preis zahlen? Und man wusste ja nicht, ob der Säbel gezückt wird; es gab ja auch eigene ganze Kinderfahrkarten mit entsprechendem Aufdruck, wo nichts abgeschnitten werden musste (wie der weiter oben gezeigte Pappdeckel aus Buckow). Schön war aber auch hier, dass die neu gedruckten Zonen-Pappfahrscheine (die für den Fahrkartenschrank) der Reichsbahn vorderseitig einen Aufdruck mit dem Namen des Verkaufsbahnhofs trugen, was im Westen nicht der Fall war. Und am Bahnhof Rheinsberg war das Thema "Zonenfahrscheine" offenbar noch völlig vorbei gegangen... Hier kann man schön sehen, dass der Preis von 1,90 M (was auf der Reißfahrkarte exakt den 23km entsprach) mal eben auf 3,60 DM erhöht worden war. Eine irre Preiserhöhung für den potentiellen Nutzer von DR-Nebenbahnen!

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