Großbritannien März 2010 (2)

Autor: Jan-Geert Lukner. Alle Rechte am Text und an den Bildern liegen beim Autor.

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Dienstag, 16.03.2010: Teignmouth - Dawlish - Teignmouth

Da die Heizperiode offenbar vorüber war, wurde es - auch dank der nur einfach verglasten Fenster - morgens ganz gut frisch in der Bude. Das Frühstück war zwar british, aber etwas sparsam portioniert. Und wegen nur zweier weiterer Gäste wurde es in der Lounge serviert. Jedenfalls waren wir dann auch schnell durch damit. Für heute war sonniges Wetter angekündigt. Allerdings fiel der Blick auf einen Himmel, der mal wieder voll von den drei Sch... war.

Unser Bay Hotel zu Teignmouth an der Küste von Devon.

Trotzdem fuhren wir einfach mal über den Berg rüber nach Dawlish und parkten an der Rockstone Bridge. Nach einem HST-Foto im Fast-gar-nicht-Licht liefen wir auf der Seawall zum Langstone Rock, einem roten Felsen, der dort ins Meer ragt. Eine steile Stiege, auf der paar Stufen fehlten, führten durch den roten Lehm aufwärts.

Schon auf diversen Bildern gesehen und auch schon mal vom Zug aus genossen, doch jetzt war man endlich selbst mal im Motiv: Dawlish. Blick von der Rockstone Bridge auf einen First Great Western HST nach London Paddington.

Ein wunderschönes Fleckchen Erde, wo man gut mal auf paar Züge warten konnte. Die ersten kamen allerdings bei furchtbar schwachem Licht durch. Der Himmel war zudem einfach nur grauweiß. Im Laufe der Zeit kämpfte sich die Sonne allerdings doch noch ganz gut durch die Wolken. So gelangen uns paar Aufnahmen von Pacern, HSTs und XCountryzügen mit ganz brauchbarem Licht. Ein VT in Arriva-Farbe lockerte das von First Great Western beherrschte Geschäft etwas auf.

Blick vom Langstone Rock auf einen XCountry Voyager bei der Durchfahrt durch den Bahnhof Dawlish Warren.


Im Nahverkehr wurde gezeigt, dass man auch unterschiedliche Bauarten zusammenkuppeln kann: Ein Pacer und ein einteiliger Sprinter der Reihe 153 von First Great Western auf dem Wege nach Paignton.

Als das Licht rum war, gingen wir langsam zurück. Ein Bild gab es noch von der Rockstone Bridge, dann lief ich allerdings allein weiter auf die andere Seite des Ortes zu dem Aussichtspunkt Lea Mount, von dem man schön auf den Haltepunkt und den Ort hinabschauen kann.

Ein Foto von unterwegs: Blick von der Coastguardsbridge auf einen westfahrenden HST.

Dummerweise zog jetzt, pünktlich für den lokbespannten Personenzug, eine Art Hochnebel vor die Sonne und nahm das Licht vollständig. Muss ich dazu sagen, dass dieser Hochnebel nach dem Lokbespannten genau so schnell weg war, wie er gekommen war? Immerhin gab es als kleine Entschädigung paar Minuten später einen unerwarteten XCountry HST mit ganz brauchbarem Licht.

Blick vom Lea Mount auf den Ort Dawlish und einen HST von CrossCountry im Ortsbereich.

Horst und Frits waren inzwischen auch auf den Aussichtsberg gekommen. Zusammen warteten wir noch etwas. Ein HST in blau kam bei vollem Licht durch; das war schon mal nicht schlecht. Der nächste XCountry HST ging dann aber in einer Wolkenfluse ab. Wir ergriffen deshalb die Flucht westwärts. Weiter westwärts sah der Himmel direkt richtig blau aus. Am Ufer des River Teign bzw über diesen hinüber machten wir nun paar Fotos zwischen den Bahnhöfen Teignmouth und Newton Abbot. Der Himmel hatte tatsächlich gut aufgemacht!

Erst waren wir an einer Bucht, wo paar verrückte Rørlegger mit ihren Lieferwagen pausierten. Der eine gab immer so komische Geräusche von sich. Dort gab es für uns auch den lokbespannten Zug auf der Rückfahrt mit dem Ort Bishopsteignton im Hintergrund. Die am Südufer des Teign verlaufende Straße war so richtig ätzend. Wie es auf dieser großen Insel so üblich ist, wurde die Fahrbahn direkt durch Hecken begrenzt. Und zwischen diesen Hecken war nicht wirklich viel Platz. Auf langen Abschnitten konnte man gar von einer einspurigen Straße sprechen. Dumm war nur, dass hier ganz schön viel Verkehr war. Schon mehrfach hatte ich das Gefühl, dass diese alten Straßen hierzulande dem Verkehr nicht besonders gut gewachsen sind. An dieser Straße konnte man ja nichtmal sein Auto irgendwo stehen lassen. Als ich nochmal zur Erkundung ein Stück fuhr und das Auto in die Abzweigung einer Hauseinfahrt stellte (so, dass man gut vorbei kam), kam natürlich direkt hinter mir die Lady des Hauses. Und um mich herumfahren ging für sie gar nicht...

Plötzlich fuhren hier richtig viele XCountry HSTs. Uns war das recht, hatte man doch so mal eine andere Farbvariante dieser interessanten Fernverkehrstriebzüge vor der Linse. Vorn der River Teign, hinten die westlichsten Ausläufer des Dorfes Bishopsteignton.

Anschließend blickten wir nochmal am westlichen Ortsrand von Teignmouth über den Fluss. Hier gab es noch einen HST mit trockengelegten Booten auf dem Schlick. Eigenartigerweise konnte ich zwei Motive, die ich mir für Teignmouth notiert hatte, nicht endecken. Dafür konnten wir auf einer hohen Brücke über die Bahn am östlichen Ortsende Position beziehen. Hier hatte man einen wunderbaren Ausblick auf die Steilküste, wo die Flut das Wasser nun wieder langsam näher brachte.

Einer der Höhepunkte des Tages war sicher der Blick am östlichen Ortsrand von Teignmouth auf die Seawall - hier mit einem First Great Western HST auf dem Weg nach Cornwall.

Nach zwei-drei Zügen (komischerweise alles HSTs) wechselten wir nochmal nach Dawlish. Wir wollten sehen, ob man nun von der Landseite etwas machen könnte. Das Licht war dort tatsächlich gerade rumgegangen. Und da wir noch eine Weile auf Züge warten mussten, konnte sich das Licht noch etwas optimieren. Unter anderem kam auch mal wieder ein Doppel aus 153 und Pacer vorbei. Der Ausblick war einfach klasse, auch wenn das Licht nun - viel zu früh, es war gerade erst 15 Uhr - wieder zu schwächeln anfing.

Der Nachmittagsblick vom Lea Mount auf Dawlish ging sich mit einem XCountry Voyager gut aus.

Ein Punkt sollte nun noch sein: Cockwood Harbour, das Hafenbecken, das immer trocken liegt. Na ja, fast immer... Wir fragten uns, wie so manches höhere Boot unter der Bahnbrücke hindurch käme. Wenn nämlich das Wasser so hoch steht, dass die Boote aus dem Schlick gehoben werden, ist der Wasserstand viel zu hoch, um unter der Bahnbrücke mit einem Boot durchfahren zu können. Leider hatte nun der Schmodder am Himmel wieder massiv Überhand genommen, so dass das schöne Motiv kaum ausgeleuchtet wurde. Dennoch paar Bilder gemacht. Zwischendurch mit einem sehr interessierten Radfahrer unterhalten; erst über die Fotokamera, dann über Dampfzüge, dann über die vielen Museumsbahnen, dann über die Wirtschaftsflaute und dann wollte er noch wissen, ob man in Deutschland noch Unterschiede zwischen Ossis und Wessis (diese beiden Begriffe kannte er wörtlich!) feststellen könne. Ich fand es ganz angenehm, mich mit ihm zu unterhalten, denn er sprach ein wunderbar verständliches Englisch.

Cockwood Harbour klassisch: Ein Regio-Zug nähert sich dem einzigen Ausgang aus dem kleinen Hafen.


Wenn man dem klassischen Blick den Rücken zukehrt, kann man diese für mich very britishe Szene entdecken.

Dieses Örtchen Cockwood Harbour ist allerdings nett. Rund um das malerische Hafenbecken gibt es paar urige Pubs und Restaurants. Mit einem kleinen Schlenker über Dawlish Warren mit seinen großen Wohnwagensiedlungen, wo auch Schlafwagen auf Nebengleisen stehen, in denen man sommers übernachten kann, gelangten wir zurück nach Dawlish. Der Ort ist auch abseits der touristisch geprägten Seawall sehr hübsch. Ein breiter Grünstreifen erstreckt sich entlang eines Baches durch den Ort. Ein schwarzer Schwan brütete direkt neben dem Gehweg. Wir suchten nun einen Tearoom auf. Da ich heute Mittag im Supermarkt all zu viele Leckerlis eingekauft und dann auch verzehrt hatte, verzichtete ich nun aber lieber mal auf die Cake zum Tee. Der grüne Tee war aber ausgezeichnet!

Komischerweise machte die Teestube schon um 17 Uhr zu. Wir fuhren nun direkt ins Hotel, wo wir erstmal etwas Zeit mit Buchführung verbrachten. Einen Inder für das Abendessen hatten wir allerdings schon entdeckt... Direkt hinterm Hotel begann eine Straße mit vielen Kneipen und Restaurants. Was muss hier im Sommer für ein Leben sein. Heute war es relativ ruhig. An dieser Straße sahen wir noch einen anderen Inder, für den wir uns letztendlich entschieden. War zwar ein ziemlicher Edel-Inder, aber was solls. Meine Ente war sehr lecker, der Knoblauchreis auch, allein es fehlte so'n bisken die Soße. Der Laden war für einen Dienstag außerhalb der Saison ganz gut gefülllt, was ja an sich ein gutes Zeichen ist.

Nach dem Essen suchten wir nochmal an der Bahn bzw am Hafen nach der Stelle, die ich aus dem Internet zu kennen glaubte, doch wir fanden nichts. Zurück im Hotel leisteten wir uns mal WLAN für 3,50 die Stunde, da wir für die nächsten Tage entscheiden mussten, wohin wir uns wenden wollen. Die Vorhersagen wiesen uns eher in Richtung Ostküste. Das war ja schon mal eine Aussage. Dann schauten wir noch nach dem Teignmouth-Motiv, das wir bislang vor Ort nicht gefunden haben. Nun wissen wir's: Das ist in einem Bereich, der neu hoch eingezäunt worden ist... Zusammen mit dem Mann von der Rezeption und ein/zwei anderen Gästen in der Lounge nebenbei Fußball geschaut, wobei nur der Kommentator zu sehen war, weil man wohl die Übertragungsrechte nicht hatte. Dann müde ins Bett gefallen.

Mi, 17.03.2010: Teignmouth - Barnetby

Heute fiel der Blick aus dem Fenster auf geschlossene Pampe am Himmel. Es war einfach nur grau draußen. So hielt uns nichts mehr hier. Diesmal waren paar Gäste mehr im Haus, so dass der richtige Frühstückssaal in Aktion treten durfte. Da gab es dann auch etwas mehr Auswahl an Frühstückszutaten. Da die Wetterberichte für die Ostküste ein wenig besser ausgesehen hatten, beschlossen wir, in Richtung Nordosten zu fahren. Vielleicht würde es ja unterwegs mal aufreißen.

So gehört sich das: Zu einem richtigen Thron geht es immer paar Stufen hoch. Für den besseren Überblick beim Geschäft ;-) (gesehen im Bay Hotel zu Teignmouth).

Entlang der Straße von Teignmouth aufwärts in die Berge, die wir vorgestern bei Dunkelheit gekommen waren, bemerkten wir erstmal, wie groß dieser Ort überhaupt ist. Bald verschwanden wir allerdings im Hochnebel. Nun stand uns eine lange Autofahrt bevor. Der Himmel über uns lockerte bestenfalls mal milchig auf, oft regnete es aber sogar. Wir nahmen den Weg über Exeter, Bristol, London North-Orbit und dann die M1 nordwärts parallel zu Westcoast- und Midland Mainline. Da man zuhause ja genügend Tüddeldraht ins Bild bekommt, waren wir eher Bildern auf der Dieselpiste der Midland Mainline zugetan. Tatsächlich lockerte es nördlich des Londoner Dunstkreises immer mehr auf - wenn auch nur in der milchigen Form, die wir ja von gestern kannten.

In Leicester (ausgesprochen wie der Vorname "L'ester") ging es von der Autobahn runter. Über verschiedene Landstraßen erreichten wir den Ort Cossington. Und dort sahen wir auch bald die Brücke einer Nebenstraße über die hier viergleisige Rennbahn unweit des Hp Sileby nördlich von Leicester. Als wir uns der Brücke näherten, wussten wir, hier waren wir richtig. Bereits sieben andere Eisenbahnfotografen standen auf der Brücke und starrten gebannt die Strecke entlang. Im Laufe unseres Aufenthaltes dort erhöhte sich deren Zahl sogar auf neun! Diesmal konnten wir die bereits mehrfach beim Fotografieren von Passanten gehörte Frage stellen: "Something special coming?" Einer gab uns Auskunft: Gleich sollte die Überführung von paar Museumsloks durchkommen.

Neben der Überholung eines East Midlands-158 durch einen HST derselben Firma, bei der allerdings nur der Triebkopf die aktuelle Farbgebung trägt, gibt es auf diesem Bild noch ein Kuriosum zu sehen: Uralte Wegerechte sorgen dafür, dass das ganze Land durch Public Footpathes erschlossen ist. Diese führen auf den historischen Routen über Privatbesitz und - auch mal über Verkehrswege. Und so muss in einem Land, in dem Bahnanlagen meist hermetisch abgeriegelt sind und keineswegs betreten werden dürfen, eben doch mal das Queren der Bahngleise erlaubt werden, wenn so ein altes Wegerecht vorhanden ist. Nur 200m von unserer Nebenstraßenbrücke entfernt führt ein solcher Footpath ohne jegliche technische Sicherung offiziell über die viergleisige Hauptstrecke! Vergleichbares findet man übrigens auch an Autobahnen.

Wir waren allerdings erstmal schon fasziniert von dem genialen Ausblick auf diese Rollbahn. Wo kann man sowas in Kontinentaleuropa finden: Vier Gleise ohne störende Fahrleitung? Zur Verwunderung des einheimischen Fotovolks drückten wir auch bei Ordinärem wie HSTs oder Meridians (class 222) oder gar einem Sprinter-VT ab.

Ein HST in der Gegenrichtung führt die gegenläufige Lackierung: TK in alter Farbgebung und Wagen in der (schmucken) neuen Stagecoach-Livery.

Immerhin kamen auch zwei Güterzüge durch. Die Sonne schien meist nur schwach, aber paar Fuhren gingen dann doch mit nur 1/3 Blende auf. Und der besondere Uuuaaah-Effekt der Brücke von Cossington war dann die Museumsüberführung, eine nette Mickymaus-Fuhre mit class 47, 26, 45 und 46 (die zwei letzten sind die achtachsigen "Peak"-Loks). Die ging nämlich bei recht gutem Licht ab.

Ein Güterzug quert auf dem Wege nach Norden gerade den Footpath-Übergang.


Und dann die Mickymaus-Fuhre. Preisfrage: Wieviele Achsen sind hier unterwegs?

Gern hätte ich allerdings weitere HSTs mitgenommen, denn die hiesigen East Midland Trains sehen alle unterschiedlich aus, da gerade auf die Stagecoach Farbgebung umgestellt wird, die sehr vorteilhaft aussieht. Das Licht ging allerdings nach den Museumsloks erstmal aus, und wir fuhren ein Stück weiter. In Barrow upon Soar schauten wir uns nochmal verschiedene Brücken an. Doch erst die letzte, eine Fußgängerbrücke am Ortsrand, brachte DEN Blick mit sich mit paar hübschen britischen Häuschen im Bild. Während die Schüler einer nahen Schule über die Brücke strömten, warteten wir im Fünftellicht auf irgendwas auf der Slowline. Die Fastline ließ sich hier leider wegen Schatten und einem Silberkasten nicht so günstig umsetzen. Mit dem letzten Hauch von Licht gab es dann tatsächlich noch einen Güterzug von Freightliner.

Auch wenn die Fastline für Fotos eher ungeeignet ist: Einen Meridian hatte ich noch nicht gezeigt; deshalb gibt es das Motiv von Barrow upon Soar mit einem solchen auf dem vordersten Gleis.

Nun zogen wir weiter - erstmal nach Laughborough, wo die Aussicht auf die alte Lokomotivschmiede allerdings durch paar hässliche neue Fabrikhallen verdorben wurde. Dann ging es zur Ratcliffe Power Station, wo wir hofften, von einem Wiesenhang auf Züge vor den acht Kühltürmen blicken zu können. Dazu mussten wir über das Gelände einer kleinen Bootswerft fahren, in der diese netten britischen Kanalboote gewartet, zusammengeschraubt oder repariert wurden. Das sah alles unglaublich urig aus. Ein Boot lag da im Leoparden-Look. Ein anderes sah aus wie ein schwarzer Leichentransporter. Nun ja, wer's mag...

Nur in unserer Angelegenheit kamen wir nicht weiter - im wahrsten Sinne des Wortes. Vor einem offenen Zauntor mit Aufschrift "private area" hielten wir lieber mal an. Ein Typ von der Werft kam auf uns zu. Wir fragten ihn, ob wir denn unser Auto hier auf der Werft parken dürften, um von dem Hügel Züge zu fotografierten. Er meinte, das sei schlecht, weil das ja Privatbesitz sei. Und die würden da oben häufig schießen. Ob auf Viecher allgemein oder auf Eindringlinge im Besonderen ließ er offen. Da das Licht nun doch fast nicht mehr vorhanden war, beließen wir es bei diesem Versuch und nahmen die letzten Kilometer unter die Räder.

Über Newark, wo man von der Schnellstraße einen genialen Blick auf die langgestreckte Bahnbrücke über eine urige Schleuse eines dieser alten Kanäle hatte, und Lincoln ging es direkt nach Barnetby. Das war nun quasi "Wohnen im Motiv", denn der Bahnhof Barnetby war ein Hauptziel unserer Tour. Hier ist nämlich die Welt der Formsignale noch voll in Ordnung. Es gibt Massen von diesen Semaphor-Signalen in allen möglichen Kombinationen. Außerdem bringt der nahe Hafen Immingham einen starken Güterverkehr mit sich. Nach unserer Ankunft konnten wir auch gleich einen EWS-Güterzug, bespannt mit 66 und 60, beim Personalwechsel beobachten. Der neue Lokführer hatte noch eine EWS-Warnweste, bei dem abgelösten Lokführer fiel sogleich der Schriftzg "DB Schenker" ins Auge. EWS ist ja bekanntlich jetzt DB Schenker. Die ersten verkehrsroten Loks sind in GB ja auch schon aufgetaucht.

Nun bezogen wir unsere Zimmer im Stationshotel "Whistle and Flute". Ich bekam ein enges Einzelzimmer im Hauptgebäude - leider ohne Dusche und WC. Horst und Frits hatten ein Doppelzimmer im komfortableren Nebengebäude. Den Abend verbrachten wir zusammen in der Gaststube. Ich aß nun endlich mal die Nationalspeise Fish and Chips - eine großzügige Portion! Davon, dass eine Insel weiter heute der St. Patrick's Day begangen wird, bekam man in dieser ostenglischen Gaststube kein Stück mit. Am Vorabend hatten wir in Devon noch einige Plakate für Feiern gesehen. Offenbar ist man im Süden den "ungeliebten" Nachbarn besser gesonnen als im Osten.

Es gab in der Gaststube sogar kostenloses WLAN. Das haben wir auch gleich mal ausprobiert. Die Wetteraussichten waren gar nicht mal so schlecht. Frits hat sich dann noch über die DSO-Galerie hergemacht, bis ich ihm den Laptop zum Schreiben des Reiseberichtes entzogen habe ;-) Als Verdauungsspaziergang ging es noch kurz auf den Bahnsteig.

Donnerstag, 18.03.2010: Barnetby - Scarborough

Die Nacht war für mich ziemlich ätzend. Mein Zimmer lag neben der Etagentoilette und ich konnte alles von nebenan hören, wobei die Tür (zum Glück...) den meisten Krach machte. Hauptproblem war allerdings, dass mich der Husten wieder ganz schön gepackt hatte. Erst nachdem ich um 1 Uhr nachts einen grünen Tee getrunken hatte und dazu die DSO-Galerie durchgeschaut habe, konnte ich vernünftig schlafen. Zumindest bis nebenan das morgendliche Klogepolter wieder losging. Dementsprechend war ich am Morgen leicht gerädert.

Beim Frühstück ließen uns ja erste ins Restaurant fallende Sonnenstrahlen ganz zappelig werden. Doch nach dem Checkout konnten wir draußen schnell erkennen, dass es sich wieder nur um den Milchbrei der vergangenen zwei Tage am Himmel handelte. Nun gut, wir mussten das beste draus machen. Frits war schon vor dem Frühstück draußen gewesen und hatte immerhin eine 60er bekommen. Wir warteten einfach mal am Bahnsteigende und nach rund einer halben Stunde Wartezeit kamen neben den Personenzügen auch vier Güterzüge in der richtigen Richtung - leider alle mit EWS-66. Das Licht war alles andere als toll gewesen, aber zur Dokumentation der westlichen Ausfahrt mit den ganzen Semaphorengruppen langte es.

Blick auf die westliche Ausfahrt aus dem Bahnhof Barnetby, die sich Wrawby Junction nennt. Einer von vier EWS-Güterzügen rollt ostwärts.


Und die Osteinfahrt mit einem EWS-Kurzgüterzug. Nachmittags war das Licht aber besser...

Zum nächsten Fotopunkt ging es nur einmal um den Hügel herum nach Melton Ross. Von einer ruhigen Nebenstraßenbrücke mit Namen "Knabbs Crossing" konnten wir entspannt beobachten, was unten so vor sich geht. Die Strecke war dreigleisig: Westwärts gab es neben dem normalen Streckengleis auch eine Slowline. So bestand keine Gefahr, dass die Güterzüge den "sagenhaften" Personenverkehr (paar ein- bis dreiteilige Triebwagen) behindern. Längere Zeit tat sich nun gar nichts. Doch dann kam erst ein kurzer EWS-Güterzug mit Doppeltraktion und dann mehrere Freightliner-Züge hintereinander durch. Davon ging dann auch einer in richtig brauchbarem Licht.

Ein Freightliner-Güterzug östlich von Barnetby bei Melton Ross. Blick von der Knabbs Crossing.


Der hochwertigere Personenverkehr: Ein britischer Desiro (Class 185) von First Transpennine rollt westwärts unter Knabbs Crossing hervor.

Horst und Frits fuhren nun noch zu einer Straßenbrücke mit Blick auf ein Zementwerk am Ostende von Melton Ross. Ich wanderte hingegen ein wenig über einen Public Footpath auf eine Wiese, von der ich einen Querab-Blick mit einteiligem Sprinter (153) umsetzen konnte.

Ein einteiliger Sprinter von East Midlands Trains vor der Ortskulisse Melton Ross, wobei sich der Ort im Wesentlichen hinter Bäumen verbirgt.

Bald kamen die beiden wieder und gemeinsam fuhren wir zurück nach Barnetby. Nach paar Sandwichs aus dem Supermarkt bezogen wir Stellung auf der überdimensionierten Fußgängerbrücke des Bahnhofs und versuchten uns nun noch mit paar Westfahrern und der sehr fotogenen Ostausfahrt mit Signalbox und vielen Semaphoren. Das Licht war zwischenzeitlich mal ganz weg gewesen, so dass wir uns freuten, dass doch nochmal kurz die Sonne mit 2/3 Beleuchtung aus der himmlischen Milchsuppe schien.

Die klassische Perspektive von Barnetby: Die östliche Ein- und Ausfahrt von der Bahnsteigbrücke aus. Von der Fastline gibt es drei Fahrmöglichkeiten, von der Slowline nur zwei. Dementsprechend viele Semaphoren gibt es an den Gleisen.

Bald änderten sich jedoch die Wolken. Eine völlig neue Schicht zog von Westen herein. Und diese Schicht brachte den für den Abend angekündigten Regen. Fast möchte ich von "erhofftem" Regen sprechen, da auf der Rückseite der Regenfront das Licht hoffentlich wieder klarer scheinen würde. Da wir noch ein Stück fahren mussten, verabschiedeten wir uns also kurz nach 13 Uhr von Barnetby und zogen nordwärts. Über die gigantische Humberbridge überquerten wir den gleichnamigen Fluss und fuhren in die Stadt Hull, wo Horst und Frits einen Hulltrain fotografieren wollten.

Die Stadt fand ich ja sowas von deprimierend. Nicht nur, dass ich meinen Müll im ganzen Bahnhof nicht losgeworden bin (da gibt es echt keine Mülleimer!), sondern die ganzen Menschen wirkten alle völlig komisch. Irgendwie gestresst, krank, ich weiß nicht was sonst... Trübes Wetter und meine immer mehr hervortretende Müdigkeit mögen diesen Eindruck noch unterstützt haben. Die Stadt ist allerdings riesig. Nachdem wir aus einer Haupt-Einkaufsstraße mit zu 3/4 heruntergelassenen Rolläden zur Hauptgeschäftszeit raus waren, wurden die Straßenzüge ein wenig freundlicher. Beim Blick in Nebenstraßen fielen die endlosen Reihen von Arbeiterhäuschen auf. Erst noch ziemlich verloddert, später in den Außenbezirken etwas gepflegter.

Die folgende Fahrt nach Bridlington habe ich nun etwas verschlafen. Nun zeigte sich der fehlende Schlaf in der letzten Nacht massiv. Nach viel Landschaft und auf mal wieder arg vollen Landstraßen hatten wir also das Seebad Bridlington erreicht. Der Bahnhof sah nach einem ehemals großen Kopfbahnhof aus. In der Westausfahrt stand noch eine große Signalbox mit Formsignalen. Wir machten ein wenig Pause in einer Teestube, wo es für mich lecker Kakao und sonen Rosinenbrotfladen namens Scone gab. Das tat gut.

Bis zum heutigen Etappenziel war es nicht mehr weit. Bald hatten wir Scarborough erreicht. Eine Visite beim Bahnhof ergab, dass die große Signalbrücke nebst Signalbox noch da war. Das ganze soll noch dieses Jahr ersetzt werden. Wir hofften, dass wir morgen ein Sonnenbild von dem Teil hinbekämen. Zur Hotelsuche probierten wir es zunächst mit dem Hotel Victoria gegenüber vom Bahnhof. Die laute Musik im Innern und die dort abhängenden Typen waren aber ein furchtbarer Gegensatz zum edel wirkenden Äußeren des Hotels. So fuhren wir mal lieber weiter. Letztendlich sind wir im Palm Court Hotel gelandet, das einen wirklich edlen Eindruck machte, das aber mit 55 GBP pro Person bei allem Komfort nach dem Preis-Leistungsverhältnis der vergangenen Nacht geradezu günstig wirkte.

Zum Essen drehten wir eine Runde durch die Stadt. Man hatte an einem Aussichtspunkt in der regnerischen Dämmerung einen klasse Ausblick auf die erleuchtete Unterstadt und über die ganze Bucht. Zum Essen sind wir bei einem Chinesen gelandet. Die Ente war lecker (wird hier im Nordosten "Duck" und nicht "Dack" ausgesprochen). Danach im Hotel Bericht geschrieben und noch etwas durchs Internet geblättert. Es wurde daran festgehalten: Morgen sollte es nochmal sonnig werden. Hoffentlich aber nach dem Regen ohne Milchsuppe am Himmel!

Freitag, 19.03.2010: Scarborough - Seaham - Huddersfield

Morgens fiel der Blick aus dem Fenster doch tatsächlich auf blauen Himmel. Einige hochnebelartige Wolken verabschiedeten sich gerade. Zeitlich kam es hin, dass wir vor dem Fotografieren der örtlichen Signalbrücke mit zwei einfahrenden Zügen noch frühstücken konnten. Jedenfalls bei einem normalen Frühstück. Diese britischen Breakfasts mit Bedienung dauern aber doch bischen länger. Und in diesem Hotel, in dem allem Anschein nach nur Rentner mit viel Zeit absteigen, besonders. So war also beim Hauptgang mit Bacon, egg, beans und mushrooms (=ein halber Pilz) etwas Herunterschlingen angesagt. Indem wir noch nicht ausgecheckt haben, sondern eilig wie die Zechpreller erstmal zum Auto gerannt sind, haben wir es allerdings bis 8.11 an die Signalbrücke geschafft. Um 8.13 kam der Transpennine durch. Wir hatten mehr Glück als Verstand: Trotz der Häuserschatten wurde der Zug weitestgehend und die Signalbox voll von der Sonne erfasst.

Trotz Schatten ging es wenigstens einigermaßen: Ein 185 von First Transpennine und die Signalbox von Scarborough / Falscrave.

Allerdings ist das definitiv eher ein Hochsommer-Morgenmotiv, denn das Licht stand schon fast rechtwinklig zum Gleis. Schade, dass die Signalbrücke bald fallen soll. Der nachfolgende 158 aus Hull sah ziemlich sch... aus, weil das seitliche Licht nur das linke Drittel der Front beleuchtete. Der hervorstehende Durchgangswulst schattete den Rest ein. Nach dieser Erkenntnis fuhren wir erstmal zum Hotel zurück, um unsere Koffer zu holen und die Rechnung zu begleichen. Dann setzten wir uns auf die Straße entlang der Ostküste nordwärts. Furchtbar lange ging es noch durch Bebauung durch. Doch dann änderte sich die Landschaft schlagartig: Wir ließen die letzten Besiedlungen hinter uns und gelangten in die North Yorkshire Moors. Das ist eine wunderschöne wilde Hügellandschaft aus endlosen Heideflächen. Diese Landschaft konnte gefallen!

In Whitby hatten wir einen schönen Ausblick von einer Straßenbrücke auf die tief unten im Tal am Fluss entlang verlaufende Bahnstrecke. Dumm nur, dass sich hier nur noch viermal am Tag ein Personenzug hin verirrt. Hier bzw bis einen Bahnhof vor Whitby verkehrt allerdings an vielen Wochenenden im Jahr auch die North Yorkshire Moors Railway, eine Museumsbahn, die durch diese Traumhügellandschaft führt. - Nun, jetzt jedenfalls sollte sich auf Stunden unten kein Rad bewegen, und so fuhren wir weiter durch die Traumlandschaft weiter nordwärts. Rechts war in der Ferne immer wieder das Meer zu sehen. Wegweiser nach links wiesen auf nahegelegene Stationen der Whitbyer Bahnlinie hin - gern hätte man da was in offener Heidelandschaft fotografiert.

Horst und Frits hatten allerdings ein anderes Ziel. Ich durfte mir anhören, dass England nicht nur aus Rosamunde Pilcher Motiven besteht und wurde schonend darauf vorbereitet, dass das nun folgende Motiv eher in die gegenteilige Richtung gehen würde. Und tatsächlich senkten sich bald die Heidehügel und in der Ferne, an der Mündung des River Tees in die Nordsee, waren Industrieanlagen zu erkennen. Darauf steuerten wir genau zu. Letztendlich landeten wir in South Bank, einem Industriebezirk am Ostrand der Stadt Middlesbrough am River Tees. Nun ja, die Werkskulisse war schon eindrucksvoll, aber nach der Rosamunde P. Landschaft versetzte mir das Motiv doch einen ganz schönen Kulturschock. Immerhin gab es neben Pacern auch Güterverkehr zu sehen - sogar eine für mich neue Farbvariante der class 66.

Ein Pacer vor der Werkskulisse von South Bank.

Was ich jetzt noch nicht wusste: Ich würde im Laufe des Tages noch dafür sorgen, dass wir nochmal hier herkämen. Nach einer Straßenbrücke testeten wir noch den Blick von einer gesperrten Wegbrücke bzw der Rampe dorthin. Ein aus der falschen Richtung kommender Güterzug hatte dankenswerterweise eine Schlusslok, so dass wir den Zug vor der fernen Kulisse der Schwebefähre aufnehmen konnten.

Ein Freightliner-Güterzug mit Schlusslok vor dem Gerüst der Schwebefähre / Transporter Bridge. Es handelt sich übrigens um die weltweit größte ihrer Art und hat auch schon in diversen Filmen mitgespielt, z.B. Billy Elliot.

Dann ging es auf diversen Schnellstraßen durch Middlesbrough. Zur Querung des Tees nahmen wir allerdings weder die (sich momentan eh nicht bewegende) Schwebefähre, noch die tolle alte Hubbrücke, sondern eine moderne Hochbrücke. Unterwegs stellte ich dann auch fest, dass meine Brille offenbar noch im "herrlichen" South Bank auf dem Gehweg liegt. Unser Programm unterbrachen wir dafür allerdings nicht. Am Nordufer des Tees liegt Billingham. Von einer Straßenbrücke am westlichen Ortsrand sollte es der Grand Central Triebwagen sein. Diese Gesellschaft betreibt wechselweise mit HSTs oder neuen Adelante-Triebwagen (class 180) einen durchgehenden Fernverkehr von London über die Eastcoast Mainline bis nördlich York und dann zu Zielen auf dieser Zweigstrecke entlang der Durham Coast.

Leider zog gerade ein Wolkenfeld vor die Sonne, das für wechselnde Lichtverhältnisse sorgte. Als der 180 aber angekullert kam, war gerade ganz ordentlich Licht. Mir war ja angekündigt worden, dass der Zug schwarz sei. Ich mag an sich keine schwarzen Fahrzeuge. Und der Kopfform der 180er stand ich auch eher skeptisch gegenüber. Aber ein roter Zierstreifen gab dem Zug ja ein sowas von edles Aussehen. Da waren schnell alle Vorurteile gegen diesen Zug vergessen. Das Grafitto am letzten Wagen war zum Glück von der Brücke aus nicht zu sehen.

Der neue Adelante von Grand Central kommt in seinem schwarzroten Äußeren schmuck daher, als er auf Billingham zurollt.

Der Blick in die andere Richtung von der Brücke war übrigens auch nicht schlecht. Da war ein Stellwerkstower mit einem Zwillingssignal, einer schmucken Fußgängerüberführung und einem Gate davor zu sehen. Wenn man das heute Nachmittag vielleicht noch umsetzen könnte? Dann könnte man auch meine Brille vor lebenslänglich in South Bank bewahren. Denn das würde ich selbst meiner schlechtesten Brille nicht zumuten wollen... Wir hatten nun allerdings erstmal weiter nordwärts an der Küste südlich von Seaham Motive offen. Da fuhren wir mal hin.

An einem Aussichtsparkplatz namens Nose's Point stellten wir unseren Zafira ab und machten uns auf dem Küstenwanderweg oberhalb des Steilufers auf den Weg entlang der Bahnstrecke. Der Ausblick auf das Meer war wunderschön. Die natürlich aussehende Küste war allerdings bis vor zwei Jahrzehnten noch gar nicht so natürlich. In der Steilküste wurde Kohle abgebaut! Der ganze Strand muss schwarz gewesen sein.

Seaham, Nose's Point. Hier wurde bis in die achtziger Jahre noch Kohle abgebaut.

Bei einigen Hügeln oberhalb der Bahn, die wir nun aufsuchten, handelte es sich offensichtlich um Abraum. Der spitzere Blick von den Hügeln fiel leider auf markante weiße Gewerbehallen auf dem nächsten Hügel. Ich wollte lieber mal wieder bischen "pilchern" und suchte mir auf den Hügeln einen seitlicheren Standpunkt, von dem ich mehr Meer statt weiße Hallen im Bild hatte. Bei Meeresblick konnte man hier mitgebrachte Sandwichs essen - das ist Urlaub!

Zwei Pacer gingen schon mal sehr gut als Appetizer. Leider waren von Südwesten schon wieder Wolken hinter uns her gezogen. Für den Schnellzug sahen wir schwarz. Doch als er kam, gab es ein herrlich leuchtendes Schwarz mit rotem Zierstreifen. Das Licht hatte nochmal "alles" gegeben. Super!

Schwarz rollt er durch die blassgelben Wiesen wieder zurück nach London: Grand Central Class 180 südlich Seaham.

Nächster Programmpunkt war nun ein Güterzug, der eine knappe Stunde später südwärts kommen sollte. Für den liefen wir den Fußweg nochmal ein Stück weiter gen Süden. Hinter einer S-Kurve und vor einem kleinen Viadukt gab es einen optimalen Aussichtspunkt, den unmittelbar vor uns auch ein einheimischer Eisenbahnfreund erreichte. Gemeinsam warteten wir nun, doch was kam, das waren die Wolken - und zwar massiv! Ein Sprinter ging noch mit brauchbarem Licht, dann war Schluss.

Das letzte Sonnenbild der Tour: Ein ordinärer Sprinter von Northern an der Durham Coast.

Der Einheimische brachte von paar Kollegen weiter nördlich in Erfahrung, dass der Güterzug wohl erstmal nicht käme. So brachen wir ab und liefen zur Straße zurück. Dort gab es für uns noch den nächsten nordfahrenden Schnellzug - leider ohne Sonne. Diesmal war es ein HST. Hatte ich es bis jetzt noch schade gefunden, dass der vorherige Schnelle kein HST gewesen war, so freute ich mich jetzt darüber. Denn der HST hatte gar keinen roten Zierstreifen und war nur schwarz. Das sah längst nicht so edel aus.

Der schwarze HST am südlichen Ortsrand von Seaham.

Nun fuhren wir erstmal denselben Weg wieder südwärts. In Billingham wollten wir trotz geschlossener Wolkendecke den Blick auf Gates, Signale und Stellwerk nehmen, was uns mit einem 156 auch gelang. Dann ging es nach South Bank. Horst entdeckte sie als erster: Meine Brille lag dort, wo wir das Auto verlassen hatten. Offenbar hatte ich die in der Tasche des Vordersitzes steckende Brille mit dem Rucksack "rausgefetzt". Nun war die Welt wieder vollständig in Ordnung!

Das Stellwerk von Billingham. Von den Gates ist so - mit Zug im Bild - leider weniger zu sehen...

Wir verließen das unwirtliche Industriegebiet und rollten südwärts. In Northallerton, wo die Bahn von Middlesbrough auf die Eastcoast Mainline stößt, machten wir Zwischenhalt. Das Städtchen war ganz sympatisch, aber hoffnungslos mit Autos verstopft. Endlich fanden wir sowohl Teahouse als auch Parkplatz und ließen uns in einer Art Innenhof unter Glasdach nieder. Es gab lecker Tee und Lemoncake. Dieses Teehaus war zwar doppelt so teuer wie bisher kennengelernte, aber damit lag es nur etwa auf deutschem Preisniveau. Und dafür wimmelte es in dem Laden auch von dienstbaren Geistern: Junge Frauen und ältere vom Typ "Hausmütterchen", denen die Arbeit sichtlich Spaß machte.

Etappenziel des heutigen Tages sollte schon ein gutes Stück in Richtung Flughafen Liverpool sein, denn morgen Abend war schließlich Abreise. Horst und Frits kannten in Huddersfield sowohl Hotel als auch einen guten Inder fürs Abendessen. Also auf nach Huddersfield. Welcher Deutsche auf Britannientour mag schon in Huddersfield übernachtet haben? Die Fahrt dauerte gar nicht so lange und gegen 18.45 führen wir vor dem Huddersfield Hotel vor. Es wirkte von außen ziemlich schäbig und direkt vor meinem Zimmer war ein Teppichleger bei der Arbeit. Aber das Zimmer war ok. Und das Geklapper und Geklopfe des Teppichlegers an der Tür hörte ich mir nicht lange an, denn wir gingen bald essen.

Der Inder war wirklich nicht schlecht. Mein Essen war ganz schön scharf, aber das war auch so angekündigt und ganz lecker. Auch hier wieselten unheimlich viele dienstbare Geister herum. Und alle wollten nach dem Essen wissen, ob es uns denn geschmeckt habe. Einer fragte, wo wir her kämen. Ja, er habe einen Freund in Düsseldorf. Ich konnte mir gerade noch verkneifen, ihm zu erzählen, dass mein 146er-Bus in Hamburg morgens zur Arbeit auch immer mit Indern total überfüllt ist...

Zur Verdauung schauten wir noch kurz am Bahnhof vorbei. Paar Fahrten standen noch an. Aber hier hingen wie in so vielen anderen Städten auch paar komische Figuren am Bahnhof herum. Zurück im Hotel durfte ich feststellen, dass in unmittelbarer Nachbarschaft ein Livekonzert stattfand - in strömendem Regen! War allerdings keine unangenehme Musik...

Samstag, 20.03.2010: Huddersfield - Hamburg

Ganz gut geschlafen. Irgendwann in der Nacht lag Stille über der Stadt. Morgens dann wieder Regen. Der war allerdings angekündigt und daher nicht weiter überraschend. Unser Flug ging heute Abend 19.20 ab Liverpool; wir hatten also noch den vollen Tag vor uns. Das Frühstück war nicht so dolle. Den Kaffee gab es im Bausatz aus Wasser und Nescafe (aus einer Familienpackungstonne!), Tassen dafür musste man sich von sonstwo holen, Marmelade war nicht verfügbar und auf dem englischen Teil des Frühstücks fehlten die Sausages. Das Publikum an den anderen Tischen machte auch einen komischen Eindruck. Bei einem jungen Päärchen fiel mir beim Anblick einiger gewisser Spuren in ihrem Gesicht die Liedzeile "Manchmal, aber nur manchmal..." (weiter zitiere ich jetzt aber nicht) ein.

Im strömenden Regen verließen wir das Hotel und stiegen ins Auto. Erstes Ziel war Manchester, wo wir die Verkehrsbuchhandlung von Ian Allan aufsuchen wollten. In die Richtung mussten wir über die Pennines rüber, und zwar etwas weiter nördlich als ich am Anreisetag gefahren war. Eine Bahnstrecke ging aber auch hier parallel. Die Täler, durch die es erst aufwärts und dann wieder abwärts ging, waren furchtbar stark (praktisch durchgehend) besiedelt. Lediglich für wenige Kilometer über den Pass rüber hatten wir wieder die herrliche offene Heidelandschaft.

Horst und Frits erzählten von diversen Motiven, die sich hier so rumtrieben. Auf die Hochfläche gelangt die Bahn allerdings nicht - auf diesem Abschnitt geht es durch einen Tunnel. Irgendwann wurden aus vielen Häusern entlang der Straße ganz besonders viele Häuser. Wir erreichten Stockport, wo wir das Auto parkten, um mit dem Zug nach Manchester rüber zu fahren. Der Parkplatz am Bahnhof kostete bis 3 Stunden nur 1 GBP, danach jedoch 10. Im Bahnhof Stockport waren sämtliche Automaten außer Betrieb. Das Reisezentrum war daher brechend voll. Am Bahnsteigzugang war ein provisorischer Fahrkartenverkauf aus Handterminals eingerichtet, den keiner kannte und keiner nutzte. Über den Preis von 2,60 hin und zurück konnten sich Horst und Frits aber nicht beklagen.

Northern Stockport 10.21 > Manchester Piccadilly 10.36-5

Am Piccadilly-Bahnhof paar Innenaufnahmen gemacht, dann zum Buchladen gegangen, der gleich um die Ecke liegt. Ich hatte ja jetzt erwartet, mir aus einer breiten Auswahl an tollen Bildbänden einen aussuchen zu können. Aber leider gab es nichts dergleichen. Zwar hatte er einige bildlastige Bücher, aber die Bilder gefielen mir meist zu einem großen Teil nicht wirklich. So zog ich also letztendlich mit einem Atlas des britischen Bahnnetzes und einem auf 0,50 GBP reduzierten Fotokalender aus dem Laden.

"Manpic" - Manchester Piccadilly. Zwei Virgin Trains stehen zur Fahrt auf der Westcoast Mainline nach London bereit. Die gut zweistündige Distanz wird alle 20 Minuten bedient!

Im Piccadilly Bahnhof genehmigten wir uns ein zweites Frühstück auf der Empore über der Halle und konnten unten das Treiben bestens beobachten. Und dann war es ja auch bald Zeit für die Rückfahrt innerhalb der 3-Stunden-Frist:

XCountry Manchester Piccadilly 12.27 > Stockport 12.34

Ein schön bequemer Ferntriebwagen, den man gut bis zu seinem Ziel Bournemouth an der Südküste hätte nutzen können. Tja, und nu? Es wurde entschieden, mal einfach nach Chester zu fahren. Frits und Horst wollten sich die Stadt anschauen und ich beschloss, noch büschen mit dem Zug durch die Gegend zu fahren. Leider waren Züge, mit denen man einen Ausflug ins Pilcher-Land (damit meine ich nicht Cornwall, aber halt hübsche Landschaften) hätte machen können, gerade alle weg. So musste ich mich mit einem Arriva Wales Service nach Manpic begnügen. Das war insofern interessant, da mich die Fahrt über die Strecke mit dem interessanten Viadukt führen würde, den wir nun schon paarmal von der Autobahn aus gesehen hatten.

Ich dachte nun an eine Tour einmal rund um die Mersey-Mündung. Denn ich ging davon aus, dass ich bei Earlestown auf die bereits vor einer Woche bereiste Ostweststrecke Manchester - Liverpool stoßen würde. Hafas warf mir auch eine entsprechende Verbindung aus.

Arriva Wales Chester 13.51 > Earlestown 14.26

In Earlestown hielt der Arrivazug im Schenkel eines Gleisdreiecks. Zum restlichen Bahnhof musste man durch ein kleines Wäldchen gehen, das übersäät war von Müll. Nein, das war nicht Pilcher-England. Ich stellte mich auf den Bahnsteig der Ost-West-Strecke, hörte aber zum Glück ein Geräusch vom Bahnsteig am Südwestschenkel des Gleisdreiecks. Da war ein Pacer hereingeschlichen, der vorne "Liverpool" dranstehen hatte. Das sollte wohl meiner sein. So kam ich also endlich auch mal dazu, Pacer zu fahren.

Northern Earlestown 14.34 > Liverpool Lime St 15.13-5

Furchtbares Teil. Durch die Omnibustüren zog es herein und die Sitze waren unkomfortable Bänke in Fünferbestuhlung. Zum Glück wurde der Zug nicht so richtig voll. Angesichts von 40 Minuten Fahrzeit bis Liverpool fragte ich mich aber bald, ob der Zug denn einen Umweg fahren würde. Der Blick auf einen Plan auf einem Bahnsteig verschaffte Klarheit: Dies ist eine weitere Ost-West-Strecke Manchester - Liverpool, die ein Stück weiter nördlich als die von letzter Woche verläuft. Zum Schluss ging es durch tiefe Backsteinschluchten und viele Tunnel. Dann rollten wir mit 5 Minuten Verfrühung in den Bahnhof Lime St ein. Diese Verfrühung passte mir sehr gut, denn um 15.13 sollte auch ein Stromschienenzug von Merseyrail nach Chester abfahren.

Dass die Stromschienenzüge nicht in der Halle abfuhren, in der ich nun angekommen war, hatte ich bald spitzgekriegt. Aber wo fahren sie ab? Ich entdeckte eine Treppe nach unten, die beschriftet war mit "Wirral Line". Zum Glück stand da auch noch was von Chester mit dran, so dass ich dann schnell mal die Rolltreppe in die Tiefe gestürzt bin. An der Sperre bin ich mit meiner Netzkarte reibungslos durchgekommen und gleichzeitig mit einem dreiteiligen Stromschienentriebwagen nach Chester traf ich auf dem einzigen Bahnsteig unter dem Lime St Bahnhof ein. Die "Wirral Line" fährt hier nämlich eine Schleife, und daher nur in einer Richtung.

Merseyrail Liverpool Lime St 15.13 > Chester 15.56

Die Strecke schien keinen Mischverkehr zu haben. Erster Kontakt zu anderen, "richtigen" Bahnen schien erst in Chester zu bestehen. Der Zug war ganz bequem. er hatte nur Viererbestuhlung und die Sitze hatten hohe Rückenlehnen, so dass man auch den Kopf anlehnen konnte. Ansonsten natürlich das kalte Plastik-Interieur aller 2nd-Generation Triebwagen. In Chester traf ich Horst und Frits auf dem Bahnsteig. Durch die Sperre waren die beiden mit Bahnsteigkarten für 0,10 GBP gekommen. Ein Foto sollte nämlich jetzt doch noch sein, und zwar von einem lokbespannten Reisezug. Der jetzt anstehende 16.20 Virgin-Service nach London Euston besteht nämlich aus einem ET, der von einer Class 57 Diesellok gezogen wird.

Der "Virgin 14.36 Holyhead to London Euston Service" (Zug-Code 1A55) besteht samstags planmäßig aus einer E-Pendolino Einheit, der bis Crewe eine Diesellok der Class 57 vorgespannt wird.

Danach wurde es langsam Zeit, die letzte Etappe zum Flughafen in Angriff zu nehmen. Tragisch dabei: Im Nordwesten zeigte sich ein kräftiger heller Schein. Die Wolkendecke hatte dort ein jähes Ende. Wir würden kurz vor Untergang noch die Sonne zu sehen bekommen. Allerdings sparten wir uns jegliche weitere Fotoambitionen. Wir tankten, gaben das Auto ab und checkten bei Ryan ein. Nun wurde für mich der Bücherkauf (inkl Fahrplan!) nochmal um einiges teurer. Mein Koffer, der bei Abreise gut 13 kg gewogen hatte, lag nun bei 16,9 kg. Da Ryan ja die Grenze auf 15 kg festgesetzt hat und sich jedes weitere kg vergolden lässt, durfte ich also 20 GBP draufzahlen. Da das auch noch an einem anderen Schalter stattfinden musste, zog sich das Prozedere dadurch in die Länge.

Nun Blut geschwitzt, dass sich niemand um meinen Fotorucksack kümmert, denn der entspricht vermutlich auch nicht so ganz den Idealmaßen für Handgepäck. Erstmal war aber bei der Durchleuchtung die nächste Verzögerung angesagt. Sowohl Laptop als auch Jacke mussten abgepinselt und das Abgepinselte untersucht werden. Danach kurz in ein Cafe gesetzt, dann aber bald zum Gate gegangen. Wie befürchtet war man auch da hundertprozentig: Einige vor mir mussten ihr Handgepäck in so ein Messgestänge für Lademaßüberschreitungen quetschen. Zum Glück ist mein Rucksack allerdings wenig auffällig, wenn man ihn auf dem Rücken hat und jemandem das Gesicht zuwendet. So blieb mir das dann zum Glück erspart...

Ryan Liverpool 19.20-10 > Bremen 22.00-30

Ryan rühmt sich ja damit, eine sehr pünktliche Fluggesellschaft zu sein. Unser Flug dürfte diese Statistik jedenfalls unterstützt haben. Wir erreichten die Straßenbahn um 21.48 ab Flughafen (der Automat verweigerte die Schein-Annahme!) und damit locker den Metronom um 22.28 nach Hamburg.

ME Bremen 22.28 > Hamburg-Harburg 23.30

Und so traf ich mit einem auf der rechten Straßenseite fahrenden Linienbus gegen Mitternacht heil und wohlbehalten auf meinem Wilstorfer Hügel ein...

Epilog

Dies war die erste längere und intensivere Bahnfototour, die ich in GB durchgeführt habe. Grund genug, einmal die Eindrücke zusammenzufassen.

Besonders faszinierend finde ich, dass England zwar das Mutterland der Eisenbahn ist, dass sich die britische Eisenbahn aber so grundlegend von den mitteleuropäischen Eisenbahnen unterscheidet. Während in Europa die Grenzen zwischen den Bahnen immer mehr fallen und viele Fahrzeugtypen bereits in mehreren Ländern zuhause sind, hat sich die britische Eisenbahn ihr "Inseldasein" auch Jahre nach Eröffnung der Bahnverbindung zum Festland bewahrt. Einzige Ausnahme ist die schmalprofilige Diesellok der Reihe Class 66, die mittlerweile auch in vielen anderen europäischen Ländern angetroffen wird.

Zusammen mit der Tatsache, dass das traditionelle Großbritannien noch voll von alten Bauwerken ist, die das Land wirklich prägen, bietet sich also auch der Eisenbahnfotografie ein ganz eigener Charakter. Ob es verwinkelte Häuschen, sakrale Bauwerke oder auf dem Lande die Hecken und Steinmäuerchen in prächtger Landschaft sind: Der Charakter der Insel kommt praktisch an jeder Ecke aufs Bild.

Mein erster Kontakt mit der britischen Eisenbahn war ein Quartett, das ich als Schüler hatte. Man sah nur irgendwelche platte gelbe Fronten und Seiten in einer Unfarbe, die kein Blau und kein Grün war. Scheußlich! Seit diesem Quartett hat sich das Bild der britischen Eisenbahn allerdings sehr gewandelt. Gerade die moderneren Fahrzeuge finde ich persönlich sehr formschön, und die bunten Farbgebungen der verschiedenen Anbieter schaffen ein interessantes farbenfrohes Fahrzeugbild. So gesehen kann ich konstatieren, dass ich mit GB sicherlich noch nicht durch bin.

In einem Punkt muss ich allerdings das Resumme der Skandinavientour Mai 2009 wiederholen: "Urlaub" in dem Sinne war das diesmal bestenfalls sehr punktuell. Den starken Straßenverkehr auf den Landstraßen fand ich schon recht nervig - auch wenn ich meist nicht selbst gefahren bin. Bei meinen Reisezielen habe ich ja gerne Gegenden, wo man mal kilometerlang fahren kann, ohne dass ein Ort kommt und wo der Straßenverkehr sich stark in Grenzen hält. Davon gibt es in GB eben doch nicht so viel. Und leider sind es gerade die Bahnlinien in der Wildnis Großbritanniens (denn die gibt es ja durchaus!), wo sich noch die hässlichen 2nd Generation Triebwagen hartnäckig halten.

Natürlich kommt es auch sehr darauf an, wie man den Urlaub angeht. Wir wollten Sonnenbilder, sind dem Wetter hinterhergedüst und haben so wettertechnisch mit Sicherheit das beste aus dem launischen Inselwetter herausgeholt. Insofern war die Tour definitiv ein voller Erfolg und hat viel Spaß gemacht. Der "Urlaub" fängt auf der Insel wahrscheinlich an, wenn man das Auto stehen lässt, und einem Wegweiser "Public Footpath" in das Herz des Landes folgt (was ich ja auch gern mal machen würde).

Fazit: GB unbedingt mal wieder, aber erstmal zur Entspannung woanders hin. Ob das gelingt? ;-)

Großer Dank geht zum Schluss an die beiden "Reiseleiter" Frits und Horst, die bestens auf alles vorbereitet waren und mir GB-Anfänger einen tollen Einstieg in das Land verpasst haben!

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