In die Ecke gedrängt - USA März 2022

Autor: Jan-Geert Lukner. Alle Rechte am Text und an den Bildern liegen beim Autor.

Zum Ausdrucken bitte in der Druckvorschau unter "Seite einrichten" die Ränder auf max. 5mm beschränken und als Skalierung "Auf Seitengröße verkleinern" wählen. Dann sollte alles auf dem Papier ankommen. Das Drucken von Hintergründen bitte unterbinden. Alternativ ginge auch Querformat und "Auf Seitengröße verkleinern".
Text zu breit für das Browserfenster? Der Text hat eine festgesetzte Breite von 1200 pixeln. Bei kleineren Monitorauflösungen kann mit gleichzeitigem Drücken der Tasten [Strg] und [-] die Darstellung verkleinert werden, so dass es passt.

✈ = Drohnenbild

Die letzte USA-Reise ist jetzt 25 Monate her und fand statt vor dem Hintergrund der aufkommenden Corona-Pandemie. Gern hätte ich geschrieben, dass nun die aktuelle Reise das Ende der Pandemie markiert. Wäre toll gewesen und hätte wunderbar gepasst. Nun ja, statt dessen hat die Seuche vielleicht etwas von ihrem tödlichen Schrecken verloren und wir haben gelernt, damit zu leben. Aber "vorbei" sieht anders aus und haben will mans auch nicht. Statt das Ende der einen Katastrophe zu markieren, hat nun gerade ein zweites Unheil in Form des Ukraine-Kriegs begonnen.

Yannick und ich hatten allerdings beschlossen, wenn möglich in die USA zu reisen. Ein Hinderungsgrund wäre für mich gewesen, wenn man sich in den USA hätte testen lassen müssen, um dann womöglich (bei positiver Testung) den Urlaub in einem Quarantänehotel zu verbringen. Aber die USA wollten nur, dass man geimpft ist und am Tag vor Abreise einen Schnelltest oä macht, dessen Ergebnis natürlich negativ sein muss.

Aber auch so war die Anspannung vor dem Urlaub bei mir extrem groß. Auch wenn ich mich in der Woche vor dem Urlaub mit Kontakten stärkstmöglichst zurückgehalten hatte, konnte das Risiko eines positiven Tests nicht ausgeschlossen werdem. Und die Geschehnisse in der Ukraine mitsamt der daraus resultierenden Frage, wohin das alles noch führt, gingen auch nicht spurlos an einem vorüber.

Das war aber noch nicht Spannung genug. In der Vorwoche hatte die Gewerkschaft Verdi entschieden, dass es mal Zeit für einen Streik des Sicherheitspersonals am Flughafen sei. Wir mussten damit rechnen, dass auch in unserer Abflugwoche gestreikt wird. Am Vorwochenende war von Streik noch nichts zu hören. Am Montag aber schon. Für Dienstag. Am Dienstag sollte der Flugverkehr komplett lahmgelegt sein, die Sicherheit würde an den großen Flughäfen (da zähle ich Hamburg jetzt einfach mal zu) gar nicht arbeiten. Wir waren um einen Tag dran vorbeigeschlittert und konnten nur hoffen, dass der Streik nicht verlängert wird oder die Umläufe noch völlig durcheinander sind.

Und finally konnte Yannick am Vortag nicht einchecken. Unsere beider Tests (die wir lange für die größte Hürde gehalten hatten), waren unspektakulär im positiven Sinne negativ gewesen. Zum Einchecken verlangte Lufthansa, dass Impf- und Testzertifikate hochgeladen werden müssen. Und es gab einen weiteren Service von LH, die Überprüfung aller für die Reise erforderlichen Dokumente. Die musste man da auch nochmal hochladen. Während das bei mir alles reibungslos klappte, verweigerten beide Systeme Yannicks Testbescheinigung. Vielleicht ein Schaden an der Datei? Doch auch ein Ausdruck plus neuem Einscannen brachte keine Besserung. Auch das Abdecken des enthaltenen QR-Codes vor dem neuerlichen Einscannen war eine Idee. Eine Idee, die aber auch nichts nutzte. Auch von meinem Rechner funzte das nicht. Wir waren mit unserem Latein am Ende. Yannick gab sich noch stundenlange Warteschleifen an zwei verschiedenen Hotlines, aber null Resultat. Er würde vor der Abreise am Schalter einchecken müssen. Für den Notfall hatte sich Yannick auch noch einen weiteren Test am Flughafen gebucht. Super, wenn der positiv ist, muss ich allein fahren...

Natürlich hatten wir die Verabredung getroffen, dass wenn einer von uns positiv getestet wird, wir beide nicht fliegen und nach der Quarantäne etwas in Deutschland machen. Die Absprache konnte nun über den Haufen geworfen werden, außer ich würde ggf in Frankfurt abbrechen und meinen Koffer irgendwo rauskramen lassen.

Interessant war auch die Geschichte mit der Mietwagenbuchung. Wir haben rund zwei Monate vor der Reise ziemlich viel Zeit investiert in die Erforschung des günstigsten Angebotes. Aber "günstig" war definitiv aus! Die von uns in den USA bevorzugten Mini-SUVs waren komplett nicht oder erst weit über 2000€ für die 2,5 Wochen verfügbar. Auch andere Autos waren teuer. Unter Ausklammerung einiger deutlich günstigerer, aber eher obskur wirkenden, unbekannten Verleihern mit vernichtenden Kritiken, landeten wir bei AVIS und bei einem VW Passat für 1300€. Das ist so rund das doppelte dessen, was man bisher für einen Mini-SUV bezahlt hat. Zum Glück war der Wagen bis 48h vorher stornierbar. Denn eine Woche vor dem Urlaub muss ich wohl einen Alptraum gehabt haben, in dem wir mit einem Passat übelste, steinige Pisten durch die Berge gerumpelt sind. Also echt, Passat geht gar nicht. Ich schaute nochmal nach, ob es nicht doch was erschwingliches Hochbeiniges gäbe. Und siehe da, auf derselben AVIS-Seite mit demselben Rabattcode wurde nun als Mini-SUV ein Mazda CX5 für knapp 1000€ angeboten. Der Passat wäre gar für nur noch 800€ zu haben gewesen! Schnell mit Yannick telefoniert, und die alte Buchung war storniert. Wir buchten den Mazda. Puuuh!

Warum nahmen wir überhaupt Lufthansa, die uns auf der letzten Reise so schmählich in Stich gelassen hatten? Dem Personal von United, das uns damals in Seattle so wunderbar aus der Patsche geholfen hatte, hatten wir eigentlich zugesagt, nächstes Mal bei United zu buchen. Dass wir das nicht getan haben, hatte eine sehr praktische Ursache. United setzte ausschließlich Fluggerät mit Dreierbestuhlung ein. Der A340 von Lufthansa, der nach Denver fliegen sollte, hätte hingegen an den Fenstern nur Zweierbestuhlung. Man würde niemand Fremdes neben sich sitzen haben. Gerade in Zeiten von Corona fanden wir das so angenehm, dass wir mal wieder auf Lufthansa gesetzt haben. Und so konnte die Reise beginnen.

Mittwoch, 23.03.2022

Ohne größere Zwischenfälle erreichte ich mit der S-Bahn um 8 Uhr den Flughafen. Das Aufgeben des Koffers am Automaten ging mühelos und schnell. Die Sicherheitskontrolle war wohl immer noch nicht ganz da, nur wenige Passagen hatten geöffnet und da musste erstmal 20min Schlange gestanden werden. Egal, ich hatte viel Zeit. Erstmalig mit der Drohne durch die Sicherheit. Da ich gleich alles ausgepackt hatte, lief dann auch alles glatt. So war sogar noch Zeit für ein leckeres Frühstück bei Marche.


So weit, so gut. Das Frühstück war erstmal verdient.

LH 017: Hamburg 10:00 - Frankfurt 11:10

Hinter mir saß die Familie, die man auf dem Langstreckenflug nicht unbedingt hinter sich haben möchte. Die Kinder waren zumindest anfangs laut und das direkt hinter mir beim Vater auf dem Schoß sitzende bollerte dauernd gegen meinen Sitz. Na ja, war ja zum Glück nur ein Stündchen. Viel lauter war allerdings eine Gruppe weiter hinten, die sich lautstark quer durch den Flieger unterhalten "musste".

Der Start war wunderschön. Ich saß rechts und hatte in einer Schleife schöne Ausblicke auf Norderstedt, Rahlstedt, Bergedorf, Maschen. Extrem hob sich die schon lange stillgelegte Strecke (Buchholz-) Jesteburg - Lüneburg als schnurgerader grüner Streifen in der Landschaft ab. Suchen musste man hingegen das gewundene OHE-Gleis Winsen - Soltau. Wie klein doch die Schleife über Salzhausen von oben aussah... Schwieriger war es, vor Frankfurt wieder eine belastbare Landmarke zu finden. Es sollte dann der Bahnhof Königstein mit seiner kleinen Triebwagenhalle sein, der mich wieder in die geografische Orientierung eingleiste.

Bei der Landung wuchs die Spannung. Ich hoffte, von Yannick eine gute Nachricht lesen zu können. Ich glaube, so richtig würde der Urlaub für mich erst beginnen, wenn wir uns am Gate getroffen haben. Und - - - er konnte beginnen. Bei Yannick war alles glatt gegangen und wir konnten uns am Gate treffen. Und - in dieser Minute begann tatsächlich der Urlaub. Die Erklärung am Checkin war gewesen, dass bei Yannick wohl im System hinterlegt war, dass er Visum und nicht ESTA bräuchte. Den kausalen Zusammenhang zu der beim Upload verweigerten Testbescheinigung konnte ich zwar nicht so hundertprozentig herstellen, und ich verstehe auch nicht, weshalb das die Hotline am Vorabend nicht hat bemerken können, aber was solls. Nun war ja alles gut.

LH 446: Frankfurt 13:10 MEZ - Denver 17:10-25 MDST

Der Flug war lang, aber unspektakulär. Hier nahm ich mir dann doch lieber mal nur die OP-Maske. Mit der war das gut auszuhalten (ich hätte vor zwei Jahren nicht gedacht, dass ich das mal sagen würde). Und beim Essen nahmen alle gleichzeitig die Masken ab, damit auch der Virus eine Chance hatte... Da war es vielleicht ganz gut, dass der sonst bei Lufthansa so geschätzte Bordservice auf ein Minimum reduziert war. Es gab nach dem Start das Mittagessen (vegetarische Lasagne, hmm, nun ja) mit freier Getränkewahl, dann wurden noch Wasserflaschen verteilt und das war es für viele Stunden.

Schon ab Grönland und über Kanada gab es ziemlich heftige Turbulenzen. Das wurde dann auch als Begründung angegeben, als das Abendessen erst eine Stunde vor der Landung hektisch verteilt wurde. Getränke gab es gar nicht. Uns wurde auch heftiger Sturm bei der Landung angekündigt, doch als wir weit vor Plan den Boden berührten, war es eine extrem sanfte Landung. Es war wieder mal ein Erlebnis, in dieser absoluten Einöde zu landen. Da wir bei der Landung auf der Ostseite saßen, war wirklich nichts von der Stadt zu sehen. Später, beim Rollen ans Terminal, gab es dann im Westen die grandiose Kulisse der schneebedeckten Rockies in der Ferne hinter der Stadt. Es war ein glasklarer Abend, was für ein Hammerlicht!

Auch am Denver International Airport ging alles extrem reibungslos. Die Immigration Automaten waren kalt, man wurde direkt zu den Officers runter geschickt. Da hielt sich die Wartezeit mit 20-30 Minuten auch noch stark in Grenzen. Während der Beamte alles erledigte, stellte er nur paar nette Fragen, die eher wie Smalltalk wirkten, dann waren wir im Land. Draußen kamen wir zeitgleich mit dem AVIS Bus an, so dass wir bereits eine Stunde nach der Landung am Mietwagenschalter standen.

Der AVIS-Kollege gab sich nun gar keine Mühe, ein verständliches Englisch zu sprechen und nuschelte seine Fragen runter. Irgendwas von kostenlosem Upgrade glaubten wir zu hören, dann kamen lange Telefonate, was das denn für ein Auto sei. Eine Aussage dazu uns gegenüber war nicht zu verstehen. Und das, obwohl die Landung hier in 1,6 km Höhe wieder herrlich druckfrei gewesen war und die Ohren wirklich aufnahmebereit waren. Wir hatten schon Befürchtungen, dass er uns irgendeinen Ladenhüter aufschwatzen wollte, denn es schien klar, dass wir uns nicht wie sonst in USA einen Wagen von mehreren würden aussuchen können. Nein, der Wagen würde gleich direkt von der Wäsche vor der Tür vorgefahren. Ok, auch das ging aber optimal für uns aus. Auf dem Vertrag stand nun was von Toyota RAV4. Das war im Prinzip unser Wunschauto (gebucht war ein Mazda CX5), das dann auch bald triefend nass vorgefahren wurde. Der Wagen war noch ziemlich neu, aber nicht zu neu. Alles topp! Vielleicht hing der geschilderte Ablauf auch mit der momentanen Mietwagenknappheit zusammen. Freunde waren paar Wochen vor uns in Denver gewesen (zum Skilaufen, dafür fliegt man hierher!) und hatten von vollkommen chaotischen Zuständen bei der Mietwagenabholung mit über einer Stunde Wartezeit im dichten Gedränge berichtet.

Insofern konnten wir uns einfach nur freuen, als wir mit unserem Auto im gleißenden Gegenlicht einmal quer durch Denver westwärts fuhren. Teilweise fuhren die Autos auf der Autobahn regelrecht langsamer, weil bei dem Wahnsinnslicht nichts mehr zu sehen war. Erst auf Höhe der Innenstadt wurde es besser, weil man nun der gezackten Bergkette der Rocky Mountains so nah gekommen war, dass die tief stehende Sonne dahinter verschwand. Das war schon sehr eindrucksvoll. Und wir waren total happy, mal wieder in diesem doch so verschiedenartigen Land zu sein. Wir mussten zum Glück nicht weit fahren, denn nach mitteleuropäischer Zeit war es nun bald 2 Uhr in der Nacht. Im westlichen Speckgürtel von Denver liegt die Stadt Golden, wo wir das Hampton Inn gebucht hatten.

Nach dem reibungslosen Checkin und Bezug der Zimmer waren wir aber doch noch so fit und hatten einfach Lust, dass wir nochmal zur nächsten Wendys Filiale fuhren. Der Kassierer dort war ein schrulliger älterer Herr, der uns für Schweden hielt und erstmal nach dem Woher und Wohin fragte. Und selbiges mussten wir eine halbe Stunde später auch nochmal der Supermerkt Kassiererin erzählen, die das offenbar vollkommen interessant fand. Willkommen in den USA! Auch wenn das alles nur Smalltalk ist, so ist das doch so unglaublich viel freundlicher als die aus Deutschland gewohnte einzige Frage "Sammeln Sie Payback-Punkte?" Im Hotel gab es noch ein Pale Ale aus einer Brauerei in Denver und um 22 Uhr löschten wir das Licht.

Bisherige Beobachtungen zur Corona Protection: Im Flughafen und im Transferbus herrschte Maskenpflicht. Im Hotel und Supermarkt fiel man mit Maske aber schon ziemlich auf. Wobei man vereinzelt Leute mit Maske sah. Aber es gab keine Aushänge, die auf Maskenpflicht hinwiesen.

Donnerstag, 24.03.2022

Diesmal hatten wir extra nicht das billigste Hotel gewählt, da wir ja damit rechnen mussten, früh wach zu werden (ich zumindest). Dass ich dann immerhin bis 4 durchgeschlafen hab, verbuchte ich als Erfolg. Nun hatte ich aber auch noch bischen was zu tun. Reisebericht auf den aktuellen Stand bringen und ich wollte mal bischen Wetterrecherche betreiben. Während wir unser Konzept für die nächsten Tage wohl würden angehen können, sah das Wetter ab dem kommenden Wochenende im gesamten Westen erstmal unbeständiger aus. Unser Konzept? Ja, ich gebe es ja zu, der Anreisetermin war auf den Potash Local in Utah ausgerichtet, einen nur einmal die Woche freitags fahrenden Lokalgüterzug auf die Cane Creek Subdivision, die durch imposante Felsenlandschaft führt. Danach wollten wir allerdings gern nach Montana, doch da oben war nun leider auf absehbare Zeit gar kein stabiles Wetter zu erwarten.

Um 6:30 schauten wir uns erstmal an, was das Hotel so an Frühstück bereit hielt. Und das war sehr ordentlich! Dann ging es auf die Autobahn, die Interstate 70 hoch in die Berge und dann stramm westwärts in Richtung Utah. Das waren dann doch schon wieder fünf Stunden Fahrt, die aufgrund der Topografie aber nicht langweilig wurden. Oben in den Bergen lag noch ordentlich Schnee - außer auf den Südhängen. Einige Skilifte waren in Betrieb.

Noch spannender wurde die Fahrt natürlich ab Dotsero, wo mit dem Colorado River auch die Bahn auf unsere Route stieß. Und im Laufe der Fahrt bis Grand Junction kamen uns tatsächlich drei Züge entgegen. Der erste war ein Manifest mit Loks von CN und BNSF. Der zweite war ein sehr kurzer UP-Zug, dessen Wagen aus dem Potash-Verkehr kommen konnten. Der dritte war ein UP-Kohlezug. Irgendwann im Laufe der langen Fahrt knallte es plötzlich heftig von der Windschutzscheibe her. Wir hatten einen ordentlichen Steinschlag vorn drin. Na prosit! Er war zum Glück nicht im Sichtfeld und (noch) sehr klein, aber sehr tief. Wir würden das beobachten müssen... Erstmal wurde er aber nicht sichtlich größer, so dass wir nichts gemacht haben.

In Fruita (hinter Grand Junction) tankten wir, dann ging es in den Endspurt ins Zielgebiet. Bei Sagers, eine Abfahrt vor Thompson Springs, verließen wir die Autobahn und fuhren lieber mal auf dem Old Highway. Mit Auskundschaften einiger Motive gelangten wir nach Brendel und dann auf der Autobahn nach Floy, wo uns ein Motiv anlachte, das auch noch gutes Frontlicht für den erst nach 13 Uhr zu erwartenden ostfahrenden Amtrak haben sollte. Der Zug war heute mit fünfeinhalb Stunden Verspätung im Rennen. Den hätte man auch schön im Price Canyon machen können, aber das war für uns natürlich nicht zu schaffen.

Bei Floy war es herrlich. Wir konnten uns erstmal die Pullover ausziehen und die 2022er T-Shirt Saison einläuten. Von einem Aussichtshügel konnte man gut in beide Richtungen schauen. Und anders als vor vier Jahren in dieser Gegend hatten wir auch an Kopfbedeckung und Sonnenchreme gedacht. Rechtzeitig zum Zug starteten wir die Drohnen. Doch der Zug brauchte so dermaßen lange und näherte sich im besseren Schritttempo, dass die Batterien bald zu fiepen anfingen. Ich hatte die Fernbedienung auf die Erde gelegt, um mich erstmal voll und ganz auf die bodenständigen Bilder zu konzentrieren. Deshalb konnte ich mich auch nicht um die freundliche Anfrage im Display der Fernsteuerung kümmern, dass die Drohne nun zurückkommen wolle oder ob ich etwas dagegen hätte. Egal, der Hauptschuss war definitiv die Schräg-von-vorn-Perspektive, zumal der Zug eine Lok im Retro-Lack vor hatte, die ja wirklich schick aussieht. Yannick war dem Zug entgegen geflogen und konnte, da er die Fernbedienung in der Hand behalten hatte, die Rückkehr unterbinden und das Foto noch machen.


✈ Wenn schon nur ein Zug pro Richtung und Tag fährt, kann man ja mal paar Bilder mehr von einer Zugfahrt zeigen. Als erstes gelang es Yannicks Drohne, mit dem allerletzten Batteriesaft einen weiten Landschaftsüberblick zu schaffen. Zug Amtrak 06 "California Zephyr" war extrem langsam unterwegs.


Danach kam mein Tele-Objektiv zum Einsatz. Wir befinden uns zwischen den Ausweichbahnhöfen Solitude und Floy an der UP Green River Subdivision. Falls ihr die Namen vergeblich auf der Karte sucht: Das liegt zwischen Green River und Crescent Junction.


Wir freuten uns, dass wir als Hauptschuss einen klassischen Schräg-von-vorn-Blick gewählt hatten, kam doch mit Lok 184 die Heritage Unit "Phase IV", die den Amtrak Look des Jahres 2011 wiedergibt.

Da der Zug sooo dermaßen langsam war und wir eh nicht viel besseres zu tun hatten, folgten wir dem Zug nochmal über paar Autobahnabfahrten. Das entstandene Bild war nett, mehr aber auch nicht.


Zu guter Letzt gibt es Amtrak 06 unmittelbar vor Erreichen der Ausweichstelle Whitehouse.

Nun fuhren wir nach Thompson Springs zurück, wo wir uns bei 7eleven mit Salaten und Wasser eindeckten. Thompson Springs ist eine dieser "trockenen" Siedlungen, wie man sie so viel im Westen der USA antrifft. Eine Reihe von Holzhäusern und Mobile Homes, um die herum man allerdings jegliche Art von gepflegtem Garten mit Rasen vermisste. Dafür lagert dort dann viel "Altbrauchbares". Sogar ein aufgeständertes Wohnboot gab es dort. Ein verrammeltes und dem Zusammenfallen preisgegebenes Motel, eine äußerlich nicht viel besser aussehende Herberge, die tatsächlich noch in Betrieb war und ein durchaus genutzter Campingplatz rundeten das Bild ab. Was machen die Leute hier, wovon leben die lt Wikipedia 39 Einwohner? Ein Mann blickte uns im Vorüberfahren neugierig an und grüßte freundlich zu uns rüber. Wir winkten zurück.

Danach stellten wir uns an der Ostausfahrt des Bahnhofs Thompson an den Rand und schauten erwartungsvoll die Signale an. Das war eine der Stellen, wo man einfach nur herrlich ungestört und abseits von allem warten konnte. Und ganz ehrlich, auf sowas hatte ich mich auch gefreut. Einfach gemütlich abhängen und warten, natürlich mit der Hoffnung, dass die Signale mal angehen, aber mit dem Wissen, dass das wahrscheinlich eher nicht der Fall sein wird. Und so war es auch.


Unser Leihwagen, ein Toyota RAV4. Mit dem waren wir sehr zufrieden. Ich hatte das Gefühl, dass der aktuelle im Gegensatz zu den Vorgängermodellen etwas hochbeiniger ist, was uns noch sehr entgegen kommen sollte.

Aber abends hatten wir ja noch den westfahrenden Amtrak. Dummerweise meldete der nun auch schon wieder eine Stunde Verspätung, Tendenz steigend. Das konnte mit dem Sonnenuntergang schon knapp werden. Yannick hatte beschlossen, den Zug dort, wo wir waren, zu machen. Ich hatte als absolutes Musthave einen Ausblick vor Green River, den Dennis Kraus in der Galerie gezeigt hatte. Ich beschloss, das Risiko einzugehen und zu hoffen, dass der Zug dort eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang noch abgeht.


Blick in die vom Abendlicht beschienene unwirkliche Landschaft östlich von Green River nahe des Ausweichbf Solitude.

So fuhr ich also allein dorthin, fand auch bald den benötigten Hügel und hatte noch eine Stunde, um dort die vollendete Stille zu genießen. Wobei die Stille auch gern für einen Güterzug als Vorprogramm hätte unterbrochen werden dürfen. Wurde sie aber nicht. Immerhin klingelte das Handy für Yannicks Zugvormeldung so rechtzeitig, dass der Zug noch bei Sonne durchkommen müsste. Die Drohne schickte ich diesmal dem Zug entgegen.


Vor Thompson trifft Zug 05 als erstes auf Yannick, der die schneebedeckten La Sal Mountains als Hintergrund wählt. Der höchste Gipfel ist Mount Peale (3877m), der etwas unscheinbar zurückgezogen über dem ersten Doppelstockwagen aufragt. - Ich liebe die App PeakFinder ;-) Die Berge sehen nicht so gewaltig nach Beinahe-Viertausendern aus, weil wir uns bereits auf 1600m Höhe befinden. Vor den hohen Bergen sind links schon einige der roten Felsformationen rund um den Colorado zu sehen, die morgen unser Thema werden sollen.


✈ 20min später bei mir ist es die Drohne, der das erste Foto vom Zug Amtrak 05 "California Zephyr" gelingt.


Mit rund 75 min Verspätung rollt der Amtrak 05 zwischen Floy und Solitude im letzten Licht des Tages westwärts.


Da auch dieser Zug interessantes Material mitführt, gibt es nochmal eine Nahaufnahme. Hinter den beiden Noch-Standard-Zugloks der Bauart P42DC "Genesis" folgt etwas Historisches. Ich bin nun absolut kein Lokspezialist, aber bei dem NPCU 90221 an dritter Stelle müsste es sich um einen aus einer Lok umgebauten Steuerwagen ("Control Cab") handeln. Am Schluss des Zuges laufen zwei historische Panoramawagen und ein Kanzelwagen mit. Offenbar eine Überführung für eine Sonderfahrt. Die Genesis stehen allerdings auch kurz vor der Ablösung durch in Sacramento zusammengeschraubte Siemens "Charger".

Danach war es das dann auch. Yannick hatte DEN nachfolgenden Güterzug noch nicht vorgemeldet. Also konnte definitiv nichts mehr bei Sonne kommen. Ich fuhr zurück nach Thompson Springs und gabelte Yannick auf. Etwas stutzig machte mich allerdings unterwegs, dass der in Brendel abgestellte Uranzug plötzlich Loks dran hatte. Das war vorhin nicht der Fall. Aber paar Loks konnten mir vorhin auch unbemerkt entgegen gekommen sein. - Dann ging es in den langen Endspurt nach Grand Junction. Puuh, am Ende war ich aber gut erschlagen. Um 21 Uhr checkten wir im Days Inn ein, dann ging es noch zu Dennys und dann war es das...

Freitag, 25.03.2022

Hab ich tief und fest geschlafen. Das tat sehr gut. Erst zehn Minuten vor der geplanten Aufstehzeit wurde ich wach. Lange überlegte ich, ob ich zur Uhr schauen sollte. Ist doch sicher erst 1:47 oder so. Doch es war 5:50. Yannick schaute, was unser erster Programmpunkt, der Amtrak, macht. Pünktlich! Also gab es nichtmal Frühstück, sondern nur einen Kaffee to go. Für den Amtrak ging es nun wieder durch die herrliche Wüstenlandschaft rüber bis Floy. Der dort eigentlich angepeilte Abschnitt sah nicht ganz so aufregend aus.

Spontan entschieden wir, dem Zug sogar noch etwas entgegen zu fahren und dann von der anderen Seite der Bahn etwas zu machen. Und da fanden wir auch einen super Spot. Der Zug musste schon in Green River abgefahren sein. Glaubten wir jetzt tatsächlich, dass wir das Bild quasi sicher im Kasten hätten? Wenn mir jemand Pessimismus vorwirft, dann kann das nun folgende gern als Erklärung dienen. Es begann damit, dass der Zug einfach mal nicht kam. Bei näherem Hinsehen konnte man der Amtrak App nun tatsächlich entnehmen, dass der Zug zwar pünktlich in Green River angekommen sei, den Bahnhof aber selbst jetzt, 20min nach Plan, noch nicht verlassen habe.

Na toll. Natürlich flogen jetzt wieder die wildesten Spekulationen hin und her. Die übelste war, dass Personen am Gleis gemeldet worden seien und gleich der Sheriff kommt. Haha, hier war weit und breit nichts und niemand, der uns gemeldet haben könnte. Und dem Ami ist es glaubich auch herzlich egal, ob jemand mal in der Wildnis ein Gleis quert. Aber solche "deutschen" Gedanken kommen dann halt. Irgendwann gegen 8:30 bemerkte die App nun, dass der Zug noch gar nicht in Green River sei und man sich auf 1:07 Verspätung einstellen solle. Tja, was tun? Hier würde das Licht spitzer werden. Und auch wenn wir nicht so arg schnell mit dem Potash Local, der heute definitiv Hauptprogramm sein musste, rechnen konnten, wollten wir uns doch lieber an dessen Fahrstrecke begeben. Auf zum Fuzzyhügel bei Thompson Springs! Da konnte man auch den Amtrak aufnehmen. Dachten wir.

Wir ließen uns für die Strecke von zwei Autobahnabfahrten Zeit und suchten in Thompson Springs als erstes mal unsere Stamm-Verpflegungsstätte, die Tanke mit dem 7eleven auf. Mit lecker und selbstgemacht aussehenden Sandwiches, zu denen je eine Gewürzgurke beigelegt war, und Kakao fuhren wir voller Vorfreude auf ein entspanntes Frühstück den letzten Kilometer zum Aussichtsfelsen, wo wir dann auch den ganzen Frühstückskram mit hoch schleppten. Eine Viertelstunde später schleppten wir dann alles ungekaut und erst recht unverdaut wieder runter. Wir waren kaum oben gewesen, da kam der Potash Local schon! Das war jetzt viel früher als erwartet!


Erst hatten wir angesichts der beachtlichen Zuglänge etwas Zweifel, doch er war es wirklich schon: Der Potash Local rollt viel früher als erwartet auf Thompson zu.

Aber was für ein Glück hatten wir, dass wir nicht hinten bei Floy auf den Amtrak gewartet hatten! Dann wäre der Potash Local unbemerkt von uns auf die Nebenbahn abgebogen und wir hätten uns auf den Fuzzyhügel bei Thompson Springs gesetzt und (mal wieder) vergeblich gewartet. Ohne Halt in Brendel bretterte der Zug in einem Affenzahn auf die Nebenbahn. Eine Geschwindigkeit, die eigentlich untypisch für die Cane Creek Subdivision ist. Ok, einen halben Kilometer hinter Brendel verfiel der Zug dann in die bekannte bessere Schrittgeschwindigkeit. Wir passten den Zug zunächst zweimal im oberen Abschnitt vor Emkay ab. Natürlich ginge noch mehr, aber zumindest beim zweiten Halt musste zumindest ich auch noch etwas in die Botanik laufen.


Nur noch weit im Hintergrund sind die Felsenberge entlang der UP Green River Subdivision zu sehen. Der Potash Local ist in Brendel (der Bahnhof an der "Ortschaft" Crescent Junction) nach Süden auf die UP Cane Creek Subdivision abgebogen.


Die Berge sind erreicht. Von einer Anhöhe hat man zunächst einen guten Blick auf grüne Felsen.


Nach Objektivwechsel und einem kleinen Spurt auf die andere Seite einer Leitung konnte ich den Zug nochmal mit den ersten roten Felsen aufnehmen. Von denen sollen im weiteren Streckenverlauf noch mehr folgen.

Nun interessierte uns aber ein schon mehrfach gesehener Ausblick von oben auf den Bootlegger Canyon, den Seitencanyon, durch den die Bahn hinter dem Tunnel in die Coloradoschlucht gelangt. Dazu würde man auf einen Felsen klettern müssen. Und wir wussten weder auf welchen Felsen noch wie und von wo man dort hoch kommt. In der Coloradoschlucht herrschte wieder reger Ausflugsverkehr. Die Autos vor uns konnten sich nicht entscheiden, wo sie parken sollten. Mann, immer diese Leute, die in der Geschwindigkeit ihrer Gedanken auf der Hauptstraße weiter rollen statt an den Rand zu fahren... Irgendwann hatten wir es aber doch und standen am Ausgang des Bootleggercanyons. Tja, welcher Felsen ist zuständig? Yannick lief direkt den Corona Arch Trail, einen hier beginnenden Wanderweg, hoch zum Gleis und wollte durch den Einschnitt laufen, um von hinten irgendwie auf die Felsen zu kommen. Ich suchte erst woanders, doch dann schien mir Yannicks Weg doch der erfolgreichste zu sein.

Meine Vorstellung, dass auf der anderen Seite des Einschnitts ein wunderbar sanfter Aufstieg auf den Felsen wartet, erwies sich leider als Trugschluss. Da war zwar eine Art aufstieg, aber irgendwie fehlte mir da eine Stufe. Und hinter mir ging es steil runter. Nö, das war mir zu riskant. Ich blieb stehen, wo ich war, auch wenn man von dort sicher bei späterem Verkehren des Zuges viel besser hätte fotografieren können. Und dann kam der Zug auch schon. Unter mir im Einschnitt spielte eine ganze Familie (wie gesagt, reger Ausflugsverkehr hier!). Wo es in Deutschland Gemotze gegeben hätte, schaltete der Tf einfach seine Glocke an und fuhr seelenruhig bimmelnd weiter...


✈ Ok, zugegeben, wir hatten beide nicht den Aussichtsfelsen erreicht, der uns vorgeschwebt hatte. In den Aufstieg dorthin muss man wohl doch etwas mehr Zeit investieren und direkt von Thompson ohne weitere Stopps hierher fahren. Yannick hatte es aber noch geschafft, seine Drohne anzuschmeißen, die nun in etwa die beabsichtigte Perspektive zeigt. Mit im Bild ist der Corona Arch, ein natürlicher Felsenbogen, der hier zusammen mit einem anderen Bogen ein wenig abseits des Arches Nationalparks steht. Der Arches NP auf der anderen Seite des Highway 191 nach Moab ist voll von solchen Steinbögen.


Yannick war noch einen Felsen weiter gelaufen als ich. Dies ist seine Perspektive auf den Potash Local im Bootlegger Canyon.


Eine Ecke weiter hatten der Zug mich erreicht.

Yannick hatte gesagt, dass er hierbleiben wollte. Ich lief parallel zum Zug durch den Einschnitt zurück, wobei mir ein lauter Knall der Kupplungen bei Anlegen der Bremsen gehörig den Schreck in die Glieder jagte. Nach dem Abstieg zum Parkplatz fuhr ich dem Zug hinterher und bekam ihn im folgenden auch noch das eine oder andere Mal. Am besten war die frühe Lage des Zuges dann bei der Einfahrt in den Werksbahnhof, wo man eine der imposantesten Felskulissen hatte.


Trotz des Abstiegs zum Parkplatz hatte ich den langsam fahrenden Zug bald wieder eingeholt.


Auf dem letzten Stück zum Werksbahnhof Potash läuft die Straße parallel. Die Felskulisse bleibt einzigartig.


Einfahrt nach Potash...


...vor gigantischen Fels-Palisaden.

Der Zug zog nun ganz durch das Werk durch. Ich fuhr mal hinterher und war erstaunt, wie weit da die Gleisanlagen noch weiter führen. Bodenständig ging da nichts, aber mit der Drohne ließ sich der Zug wunderbar noch ein ganzes Stück verfolgen. Das war eindrucksvoll!


✈ Langsam zieht der Zug durch das Werk. Und rollt, und rollt. Immer weiter...


✈ Erst kurz vorm absoluten Ende der Bahnanlage wird halt gemacht. Nur für die Loks geht es zum Umlaufen noch ein kleines Stück weiter. Blick über den Colorado.

Mit dabei war jetzt Jonathan, ein Fdl aus Nordirland, mit dem ich am Werk ins Gespräch gekommen war. Zusammen warteten wir auf die Rückfahrt. Als der Zug bespannt wurde, fuhren wir zurück zum Corona Arch Trail und warteten einfach mal im Schatten der Felsen. Es war nun ganz schön warm geworden, während man morgens noch die Wollmütze auf dem Kopf haben konnte. Da wir dort auf paar Geröllbrocken am Hang herum balancierten, verzichteten wir beide auf den Start unserer Drohnen. Yannick zeigte später, was wir verpasst hatten.


Aber auch unser Standpunkt ermöglicht die verschiedensten Varianten. Erstmal ein Fernschuss mit Spiegelung. Fernab jeder Zivilisation?


Ups, da wurde die Zivilisation eben bloß nicht ins Bild gelassen. Am Corona Arch Trailhead gibt es Park- und Campingplätze.


Direkt zu unseren Füßen quert der Corona Arch Trail das Bahngleis. Für die Wanderer stellt der einmal die Woche verkehrende Zug eine kleine Abwechslung dar.


✈ Yannick hatte inzwischen Zeit genug gehabt, einen "Standpunkt" für seine Drohne zu suchen und diese starten zu lassen. Der Potash Local biegt nun wieder in den Bootlegger Canyon ein.

Nachdem der Zug durch war, verabschiedete ich mich von Jonathan und wartete auf Yannick. Hoffentlich kam er heil von den Felsen runter, auf welchem er auch immer gewesen war. Telefonkontakt war hier nicht. Die Coloradoschlucht ist frei von Handywellen. Aber lange brauchte ich nicht zu warten, da kam Yannick durch den Einschnitt angelaufen. Der Plan war nun, den Zug nochmal östlich Thompson Springs abzupassen. Ein Bild genehmigten wir uns noch an der Nebenbahn.

Mit Raststopp an der bekannten Tanke in Thompson und kalten Getränken an Bord fuhren wir ins Motiv. Ein Ostfahrer hatte schon Ausfahrt. Vielleicht würde ja vor dem Local noch ein anderer Zug kommen. Haha, Scherz! Im Motiv stand Jonathan auch schon bereit. Das grüne Signal war dann aber erst für den Local.


Nun hat der Potash Local wieder die Green River Subdivision erreicht und eine Kurve zuvor den Bahnhof Thompson durchfahren. Sein Ziel ist Grand Junction.

Vom Abzweigbahnhof der Cane Creek Subdivision Brendel und Emkay bei Moab gibt es auf der Cane Creek Subdivision einen weiteren Verkehr, einen Uran-Pendel, der quasi dem Umzug einer Halde dient. Da die Loks am Uranzug vorhin in Brendel geräuchert hatten, fragten wir uns, ob der Zug nun vielleicht auch noch fahren würde. Wir schauten mal nach. Doch stille ruhte in Brendel der See, der Uranzug hatte nichtmal Licht an. Wir legten eine kleine Signalbeobachtungssiesta ein. Der Tag war bis jetzt ja doch sehr ereignisreich gewesen, da konnte man nun mal runterschalten.

Ganz so weit runterschalten wäre aber auch nicht nötig gewesen. Es kam mal wieder gar nichts, weder die anderthalb Stunden in Brendel noch nach Wechsel zu dem Amtrak-Blick von gestern Abend dort. Zusammen mit Jonathan warteten wir dort auch noch weit über eine Stunde, aber immerhin hatte der Amtrak heute nur zehn Minuten Verspätung, so dass die Lichtsituation eben eine andere war.


✈ Für die Drohnenperspektive für den Amtrak 05 hatte Yannick einen Geländeabbruch mit genialer Schattenbildung gefunden.


Und auch seine Tele-Perspektive konnte sich sehen lassen, während ich eigentlich nur einen Abklatsch von gestern vollbracht bekam. Im Hintergrund sind wieder die La Sal Mountains zu sehen.

Damit es nicht wieder so spät wie gestern wird, lautete die Absprache, dass wir nicht noch bis Sonnenuntergang auf DEN Güterzug warten, der dann ja doch nicht kommt. Es ging zurück ins Hotel nach Grand Junction. Solange die Sonne noch schien, kam uns auch kein Güterzug mehr entgegen.

Wegen guter Tankstellenverpflegung hatte zumindest ich nicht mehr den ganz großen Hunger. Yannick aber schon. Gegenüber vom Hotel hatte uns schon das Applebees Grill und Barhaus angelacht, das wir heute mal testen wollten. Ich unkte schon, dass man in Deutschland ja in letzter Zeit freitags und samstags ohne Reservierung keinen Platz mehr bekommt. Und hier war es ähnlich. Eine Viertelstunde Wartezeit wurde uns angeboten. Dazu hatten wir nun aber keine Lust mehr. Wir befanden uns in der Straße der Köstlichkeiten. Da gab es alles. Wir fuhren für einen Burger zu Wendys. Da war es bis auf paar der typischen, etwas schrägen "Abhänger" ganz leer. An der Wand hing eine Karte und die Gäste sollten mit Nadeln kennzeichnen, wo sie her kämen. Leider reichte die Karte nicht bis Deutschland...

Die weitere Weichenstellung für die Tour war nun absolut nicht einfach. Es sollte eine sehr unbeständige Wetterlage folgen, bei der das schönste Wetter (auf eher niedrigem Niveau) Tag für Tag woanders wäre. Aktuell drängte uns das, was vom guten Wetter übrig bleiben sollte, eher in die Südwestecke der Staaten. Aber bitteschön nicht zu weit! Direkt an der Pazifikküste sollte der Hochnebel herrschen. An unserem Wunschziel Montana würde man in den nächsten Tagen offenbar kaum Sonne haben. Aber der Cajonpass ist für uns beide noch ne Lücke, und für den soll zumindest ab Dienstag wieder besseres Wetter sein. Das konnte unsere Chance sein.

Samstag, 26.03.2022

Abgemacht war, dass wir heute das Hotel verlassen. Eigentlich war für unsere Gegend nochmal ordentlich Sonne angesagt, allerdings mit Schleierwolken. Da war nun die Frage, ob das nur paar fotogene Schleier wären oder ob der Himmel völlig zugeschlonzt sein wird. Wir wollten erstmal genauso starten wie gestern: Die gestern nicht umgesetzte Stelle für den Morgen-Amtrak sollte es gern nochmal sein, wenn der Zug pünktlich ist. Und das sollte er laut Amtrak App auch sein. Auf dem Weg bekamen wir allerdings von Jonathan die Nachricht, dass der Zug über zwei Stunden verspätet sei. Er hatte sich den Zuglauf schlauerweise auf der Livemap angeschaut, die Amtrak auf ihrer Website anbietet. Na toll. Wir beschlossen, dennoch einfach mal für ein Stündchen dort ins Motiv zu fahren.

Es kam natürlich nichts. Doch, etwas kam. Im Westen stand schon die ganze Zeit Bewölkung, und die kam nun herüber. Irgendwann, als der Schlonz völlig dicht wurde, wechselten wir nach Thompson zur Frühstücksbeschaffung. Mit den Sandwichs und Gürkchen an Bord fuhren wir nun wieder ein Stück zurück nach Brendel, um wenigstens in einem lichteren Moment mal ein Bild vom abgestellten Uranzug zu machen.


Der Uranzug steht in Crescent Junction im Bf Brendel in seinem Anschluss unweit der neuen Lagerungsstätte abgestellt. Der ganze Bereich untersteht dem U.S. Department of Energy, Office of Environmental Management.

Danach ging es auf den Fuzzyhügel südlich Thompson Springs, wo wir trotz Wolken nochmal auf den Amtrak warten wollten. Vielleicht käme er ja in einem Wolkenloch. Jonathan war auch hier und es gab noch wieder einen regen Erfahrungsaustausch. So laaangsam kam der Amtrak nun näher. Und tatsächlich rückte auch ebenso nervig langsam eine blauere Fläche am Himmel auf die Sonne zu. Tja, und tatsächlich passte es. Der California Zephyr kam im vollen, aber schon recht hoch stehenden Sonnenlicht durch. Das war doch schön.


Amtrak 06 "California Zephyr" zwischen den Bahnhöfen Thompson und Sagers.


✈ Und nochmal nach Passieren unseres Hügels von der Drohne aus.

Wir hatten uns unten am Auto von Jonathan verabschiedet, der nun nordwärts wollte. Und fünf Minuten später standen wir alle drei wieder auf dem Hügel, denn Jonathan hatte in der Ferne eine Schlange mit Spitzenlicht entdeckt. Sollte hier tatsächlich mal ein Güterzug kommen? Ja, das war einer! An seiner Geschwindigkeit bemerkte man erst, wie steil das bis Thompson hoch ging. Der Zug fuhr fast im Schritttempo, während die Loks ordentlich am arbeiten waren.


In Sagers muss der Amtrak mit diesem Kohlezug gekreuzt haben, der sich nun lautstark zur einstweiligen Scheitelhöhe bei Thompson Springs hocharbeitet.

Wir fuhren dem Zug nochmal gemeinsam mit Jonathan bis Green River voraus. Das Hochlicht war alles andere als attraktiv, aber immerhin gelang auch hier noch ein Bild mit voller Sonne. Nun trennten wir uns aber endgültig von Jonathan, der trotz der Wettervorhersage nordwärts wollte, während Yannick und ich wie ersatzweise angedacht in Richtung Kalifornien starteten.


Und nochmal kurz vor Green River.

Wie groß die Entfernungen sind, mag man daran erkennen, dass wir heute nichtmal Nevada erreichen würden. Wir hätten es vielleicht noch bis Las Vegas geschafft, aber da waren uns die Unterkünfte viel zu teuer und es wäre schon ganz schön spät geworden. Die letzte vorhergehende Unterkunftsmöglichkeit war St George, wo wir zu einem erschwinglichen Preis unterkommen konnten. Die Ankunftsprognose lag schon bei 17 Uhr, so dass wir uns Zeit ließen.

Und Gelegenheiten zum Zeitlassen gab es reichlich. Der hinter Green River folgende Autobahnabschnitt erinnerte mich an eine Straße durch einen der Nationalparks. Es war gigantisch. Westlich von Green River steht eine Mauer aus gezackten Felsen. Und auf die ging es nun genau zu. Auch der weitere Verlauf der I70 war eine Show. Die Betreiber der Autobahn waren sich darüber offenbar im Klaren und hatten eine große Anzahl Rast- und Aussichtsplätze angelegt. Nur an einem sind wir vorbei gefahren, um es aber gleich darauf zu bereuen. Zum Glück kam Stück weiter noch so ein toller Rastplatz.


Die Autobahn verschwindet in einem kleinen Spalt in dieser natürlichen Felsmauer, dem 120km langen San Rafael Reef.


Steil steigt die Interstate nun an, und von weiter oben jenseits des Spaltes ergibt sich dieser Blick zurück.


Ein anderer Rastplatz ermöglicht einen schönen Ausblick auf den Eagle Canyon.


Weit fällt vom Parkplatz Salt Wash View Area der Blick in Richtung Muddy Creek Canyon.

Und wir hatten Zeit für etwas Augenpflege, damit auch die weitere Fahrt sicher vonstatten gehen konnte. Die I70 war schön leer. Doch irgendwann war sie zuende und wir bogen nach links auf die I15 ab, die von Salt Lake City runter kommt und nach Las Vegas und LA führt. Dort war ganz ordentlich Verkehr. Und die Landschaft war nicht mehr so aufregend. Wir vertrieben uns die Zeit mit einem True Crime Podcast aus der Reihe "Mordlust". Die waren wirklich gut gemacht und spannend aufbereitet. Nur die ständige Verwendung der ":innen" Form machte mich kirre.

In St George hatten wir im Howard Johnson Motel gebucht. Es war einfach, aber ok. Beim Ausstieg aus dem Auto traf uns der Hitzeschlag und wir hatten ordentlich Druck auf den Ohren. Quasi unbemerkt waren wir nicht nur ordentlich südwärts gefahren, sondern hatten auch massiv an Höhe verloren. Unser Motel befand sich direkt in der südlichen Straße der Köstlichkeiten. Und diese Straße hatte ein besonderes Bonbon, nämlich einen Black Bear Diner, auf den wir uns schon den ganzen Nachmittag freuten. Immerhin waren wir so rechtzeitig, dass wir trotz Samstagabends nach wenigen Minuten Wartezeit einen schönen Platz bekamen. Für mich gab es "Slow cooked pot roast". Das war genau das, was ich mir vor zwei Jahren angesichts des Pulled Pork mit fettem Käse und Pommes gewünscht hatte: Herrliches Pulled Pork, aber mit grünen Bohnen und Kartoffelbrei. Man sollte gar nicht so schlecht über amerikanisches Essen sprechen, es war wunderbar. Und bei der Bierkarte war ich froh, nicht mehr fahren zu müssen. Das empfohlene einheimische dunkle Bier erwies sich als Doppelbock, nun ja, ich mag das...


"Slow cooked Pot Roast" im Black Bear Diner zu St George.

Sonntag, 27.03.2022

Nach den eher kürzeren Nächten tat dieser unter keinerlei Zeitdruck stehende Übernachtungsaufenthalt sehr gut. Der Plan war die verbleibende viereinhalbstündige Fahrt in Richtung Barstow oder weiter zum Cajonpass. Für heute war überall ziemliches Schlonzwetter angesagt. Insofern hatten wir keine Eile, und wenn Wetter wäre, bräuchten wir eh erst nach dem Hochlicht dort zu sein. Der morgendliche Blick aus dem Fenster konnte den Schlonz nur bestätigen. Das angebotene Frühstück war eine dieser Minimalversionen in der Lobby, aber frisch wirkende, getostete Bagels mit Cream Cheese waren drin.

Am Ortsrand von St George besuchten wir nun noch einen Walmart, um Getränke zu bunkern und einen Kabeladapter für Yannicks Iphone zum Aufladen im Auto zu suchen. Dann setzten wir uns in Bewegung. Die nun bis Las Vegas durchfahrene Landschaft war nochmal sehr interessant. Durch zerklüftete Felsenberge ging es abwärts. Ein kleines Stück ging es sogar durch Arizona, bevor die Autobahn nach Nevada hinein führte. Direkt hinter der Grenze kam die erste "Casino-Siedlung". Irgendwann sahen wir dann auch endlich mal wieder Bahngleise. Und einen Zug! Der entschwand gerade nordwärts in Richtung Salt Lake City.

Nun ging es durch viel Ödland. Nach dem Passieren einer kleinen Anhöhe war es dann soweit. Weit unterhalb voraus lag mitten in der Wüste einer Mondstadt gleich Las Vegas. Das war schon ein beeindruckender Anblick. Wir hielten uns aber nicht weiter hier auf. Zügig ging es auf der Autobahn mitten durch die Innenstadt. Hinter Las Vegas war die Autobahn plötzlich heftig voll. Immer wieder kam es zu Stockungen. Von dem extremen Verkehr waren wir ziemlich überrascht. Und das an einem Sonntag! Vielleicht Ferienende? An einer Abfahrt mitten in der Einöde auf einer Bergkuppe - nunmehr schon in Kalifornien - machten wir Pause. Eine abgewickelte Tankstelle sorgte für Lost Place Atmosphäre.


Schnurgerade führt die I15 hügelauf und hügelab. Blick vom Halloran Summit,...


...dessen Tankstelle schon von weitem erkennbar Werbung macht. Doch wehe dem Autofahrer, dessen Tank hier wirklich leer ist...

Im weiteren Verlauf bis Barstow gab es immer wieder Stockungen bis hin zu kleinen Staus. Normalerweise geht der Straßenverkehr in den USA ja recht entspannt zu. Hier jedoch kamen immer wieder besonders "Eilige" die sich wild von Spur zu Spur schlängelten und jede Lücke ausnutzten. So waren wir richtig froh, als wir in Barstow ankamen. Da gab es erstmal Mittagessen von Panda Express. Das war in einem Holzgebäude drin, das offenbar einen alten Bahnhof darstellen sollte. Erstmals seit dem Flughafen sahen wir wieder mehrere Leute mit Mundschutz. Gegessen haben wir im Auto mit direktem Bahnblick.

Zum Nachmittagsprogramm wollten wir uns schon mal den Cajonpass anschauen. Wegen Staus auf der Autobahn ging es ab Victorville über Stadt- und Landstraßen dorthin. Am Pass testeten wir einfach mal einen Fahrweg durch die Botanik aus, der zum Aussichtspunkt "Hill 582" führte. Dort und auf einem vom Hill 582 ausgehenden Hügelrücken schauten wir uns mehrere Aussichtspunkte an. Für Züge auf der Hauptlinie war leider das Licht schon zu weit rum. Lediglich die Drohne konnten wir mal um die nächste Kurve herum schicken, um mit Seitenlicht zu fotografieren.


✈ Selbst mit Drohne keine Chance: Es waren nicht alle elf Zugloks dieses Abwärtsfahrers in den Bildausschnitt zu bekommen... Der Summit, die Passhöhe, liegt etwas hinterm rechten Bildrand. Ab dort geht es steil die gut 1150 Höhenmeter bis zum Meer hinab.

Die Hoffnung lag auf einem Zug auf dem unteren Gleis, das aber wohl kaum genutzt wird. Wir bekamen dort jedenfalls keinen Zug zu sehen. Auf den anderen drei Gleisen tat sich schon bischen was. Zum Schluss gab es sogar die Parallelfahrt zweier UP-Züge. Ein Autologistikzug auf der BNSF und ein Manifest auf der eingleisigen UP-Strecke. Wobei die Züge schon etwa um eine halbe Zuglänge versetzt fuhren. Ich begnügte mich damit, die Szene zu beobachten. Kalt war es geworden. Von der Hitze in St George war nichts mehr zu merken. Ein eisiger, starker Wind wehte durch das Tal. Wir waren froh, als die Schatten uns zum Auto trieben.


✈ Und noch ein Aufwärtsfahrer kurz vor Hill 582.


Blick vom Bahndamm auf die gepflegte Anlage des Hill 582. An den Folgetagen trafen wir sogar zweimal ältere Herren, die sich mit Harke und Gießkanne bewaffnet um die kleine Grünanlage kümmerten.

Das Hotel hatten wir in Victorville gebucht. Dorthin fuhren wir mit kleinem Schlenker über die Autobahn. Bei der Auffahrt Cajon Junction gab es für die mehrspurige Hauptstraße, die Autobahnabfahrt und eine Nebenstraße eine Stop All Ways Kreuzung. Völlig bescheuert an so einer großen unübersichtlichen Kreuzung. Aber irgendwie funktionierte das! Auf der Autobahn ging es nun wieder steil aufwärts. In der Gegenrichtung herrschte immer noch fetter Stau. Gut, dass wir vorhin den anderen Weg gefahren waren.

Wir bezogen unser Zimmer im Days Inn und fuhren zum Abendessen zur nächsten Wendys-Filiale. Danach gab es noch nen Einkauf im benachbarten Supermarkt. Und danach, auf dem Zimmer, wurden wir nicht mehr all zu alt. Allerdings musste ich noch ein im Supermarkt mitgenommenes Stück Schokotorte probieren. Die hieß auch noch "German Cake". Oh je, der Name brachte das deutsche Konditorhandwerk aber gut in Verruf... Na ja ungenießbar war sie aber nicht, und ein süßer Nachtisch passte noch irgendwie. Danach stellte ich beim Zubettgehen fest, dass das Bettlaken fehlte. Die (wie selten gereinigte?) Wolldecke lag ohne Laken auf dem Bett. Na lecker. Zum Glück war noch jemand an der Rezeption, so dass ich mir ein Bettlaken geben lassen konnte. Er bot auch Zimmerwechsel an, aber wir hatten uns schon eingerichtet, so dass ich dazu keine Lust mehr hatte...

Montag, 28.03.2022

Da am Morgen der Himmel klar und blau aussah, starteten wir um 7 in Richtung Cajonpass. Erst beim freien Blick in Richtung Südwesten sahen wir das (durchaus angekündigte) Elend: Über der Gebirgskette hingen fett die Wolken. Erst hofften wir noch, dass der Pass selbst noch frei wäre oder dass zumindest die im Osten tief stehende Sonne bis unter die Wolken scheinen würde. Doch ab dem südlichen Ortsrand von Victorville war eigentlich klar, dass das nichts werden würde. Wir drehten um und schauten, ob zwischen Victorville und Barstow etwas ginge - vielleicht mit den imposanten Wolken im Hintergrund.

Vorbei an einem riesigen Zementwerk, das auch gerade auf der Schiene bedient wurde und das ein großes Gleisnetz mit Schleife besaß, gelangten wir raus in die relativ unspektakuläre Pläne. Unterwegs sahen wir keinen einzigen Zug. Doch als wir zwecks Motiverkundung zum BÜ "Wild Crossing" abbogen, kam auf selbigem gerade ein schön beladener Ostfahrer, ein Stacktrain, zum stehen. Ok, der brachte uns hier nichts mehr. Wir fuhren mal weiter. Vor dem Containerzug stand ein weiterer Zug in der Landschaft, ein leerer Tragwagenzug. Dahinter war das eine Streckengleis gesperrt, zahlreiche Baumobile standen dort aufgereiht. Auf der weiteren Erkundungsfahrt nach Barstow kam uns ein hochwertiger J. B. Hunt Zug entgegen, auf den die beiden Ostfahrer offenbar warteten. Na, dann konnte es für die ja gleich weiter gehen.

Wir schauten eben noch bis zu einer Brücke am Ortsrand von Barstow weiter, doch die war nichts wegen heftigem Leitungsgetüddel ringsherum. Daher fuhren wir zurück zur Oak Grove Road, die wir vorhin auch schon kurz reingekundschaftet waren und die uns das geringste Übel zu sein schien. Und so übel war das dann gar nicht. Man hatte immerhin durch einige Sandhügel einen erhöhten Standpunkt. Aber warten taten wir lieber im Auto. Es wehte ein Wahnsinnssturm. Und auf den Flächen hinter der Bahn bildeten sich regelrechte Sandstürme. Erstmal konnten wir im Auto sitzen bleiben. Es kamen noch drei Züge von hinten. Einer hatte immerhin eine Lok vorn und eine hinten. Nach über einer Stunde kamen endlich die Ostfahrer.


Für den Leerwagenzug nutze ich die Möglichkeit eines seitlicheren Blickes mit den Sandstürmen im Hintergrund.


Danach kam der schöne Stacktrain. Hier zwischen den Betriebsstellen Hodge und Lenwood westlich von Barstow wurde gerade eingleisig gefahren.


Ein UP-Zug kommt auf der BNSF Cajon Subdivision direkt hinterher. Alle UP-Züge der Relation Los Angeles - Las Vegas - Salt Lake City müssen hier die BNSF mitbenutzen, was vertraglich geregelt ist ("trackage rights").

Als wir es von dem Hügel gesehen hatten, fuhren wir bahnparallel ostwärts, wo wir einen weiteren Hügel fanden, von dem aus es auch nochmal zwei Züge gab. Danach konnte man getrost die Hochlichtpause einläuten.


Für den nun folgenden UP-Zug nahm Yannick einen großen Baum als Vordergrund.


Wobei hier bei "Größe" immer die Verhältnismäßigkeit im Auge behalten werden muss...

Wir hatten uns fürs Mittagessen Jack in the Box in Barstow ausgesucht. Vor sechs Jahren waren wir nach einem Besuch der Filiale in Needles nicht so begeistert gewesen. Heute würde ich sagen, war ok. Mehr aber auch nicht. Sympatisch war der Beilagensalat, den man for a few Dollars more dazu bestellen konnte. Da wir nicht wirklich gefrühstückt hatten (bis auf den Rest des furchtbaren Tortenstücks von gestern Abend), hatten wir nach dem stürmischen Vormittag gut Hunger.

Nach dem Essen dachten wir, dass es eine gute Idee sei, den Afton Canyon anzuschauen, also Zuwegung testen usw. Die Wolken hatten in Barstow mittlerweile die Oberhand, aber in Richtung Nordosten sah es noch ganz chico aus. Aber wir wollten ja eh nur kundschaften. Ok, das war dann doch schon wieder ganz schön weit zu fahren. Und diese I15 ist auf diesem Abschnitt südlich von Las Vegas einfach nur furchtbar. Und kein Mensch hält sich an die Geschwindigkeitsbeschränkungen. Das habe ich nun auch gelernt.

Irgendwann konnten wir dann auf die Afton Road abzweigen, eine Schotterpiste, die in den Canyon führte. Besonders komfortabel zu fahren war die nicht, aber es ging. Bei einem Campground war dann aber Schluss für uns. Der Weg führte nun durch eine Furt, die ganz gut unter Wasser stand. Wir wären mit unserem hochbeinigen RAV4 da zwar sicher durchgekommen, aber nur zum Kundschaften musste man sich das nicht unbedingt antun. Ein grünes Signal hatte mich noch die Drohne herauskramen lassen, doch was kam, war nur ein Hi-Railer aus der anderen Richtung. Es hatte sich eh ziemlich zugewölkt, ja, paar Tropfen kamen sogar hernieder.

Nach einer gewissen Zeit der Regeneration fuhren wir auf der furchtbaren Autobahn zurück. Hinter Barstow wurden wir gewahr, dass die Rückseite des Regengebietes nun im Westen richtig klaren blauen Himmel mit sich brachte. Erst kundschafteten wir nochmal beim Kalkwerk nördlich Victorville herum, doch da war man der Wolkengrenze zu nah. Also doch nochmal zum Cajonpass und einfach darauf hoffen, dass vielleicht mal was auf dem unteren Gleis kommt.

Der Cajonpass ist ähnlich wie der Tehachapipass ein eher einseitig bemerkenswerter Pass. Wenn man aus der Mojavewüste, also aus Richtung Barstow, kommt, hat man das Gefühl, dass man über eine Ebene fährt und plötzlich am Summit in das Loch schaut, in das die Verkehrswege steil hinab führen. Besagtes Gefühl mag an der unspektakulären Landschaft wüstenseitig des Passes liegen, bildet aber die Wirklichkeit nicht ganz korrekt ab. Denn immerhin steigt die Strecke von Victorville bis zur Passhöhe auch noch etwa 300m an. Doch dann kommt eben dieser heftige Abstieg in eine ganz andere, gebirgige Landschaft, bei dem auf 40km Streckenlänge bis San Bernhardino 800m Höhe verloren werden. Dazu winden sich die Strecken in das Tal des Cajon Wash hinab, in dem sie zur Verlängerung der Strecke manchen Schlenker fahren. Der Bahnhof Summit an der BNSF-Strecke liegt gute 1150m über dem Meer.

Als wir dort das Auto verließen, war es richtig kalt. Ok, immerhin befand man sich da auf ca 1000m Höhe über dem Meer. Der Wind wehte heftig und die doch noch an den Bergen klebenden Wolken sorgten für ein ständiges An und Aus des Sonnenscheins. Aber der Regen hatte den Kräutern ihren Duft entlockt, so dass es wunderbar würzig duftete.

Die Wege hatte der Regen allerdings in seifige Rutschbahnen verwandelt. Das Zeug blieb regelrecht an den Schuhen kleben und sorgte dafür, dass man gar keinen Halt mehr hatte. Irgendwie waren wir dann aber doch oben auf Hügel 582 angekommen. Und nun passierte das unglaubliche: Oben am Pass tauchte ein sehr fotogener Containerzug auf, der auf das untere Gleis abbog. Und gerade herrschte mal wieder ein sonniger Abschnitt! Perfekt!


Immerhin kam zeitlich passend ein Zug auf dem unteren Gleis abwärts gefahren.


Ein weiterer Containerzug kommt abwärts, bleibt aber auf den oberen Gleisen und daher für uns lichttechnisch eher ungünstig. An zweiter Stelle läuft eine schwarze Norfolk Southern Lok mit.


Der Blick abwärts in das "Loch", in dem Cajon Junction liegt,...


...offenbart interessante Lichtsituationen.

Wir warteten noch eine Weile und machten auch noch den einen oder anderen Fernschuss in Richtung Passhöhe. Doch bald gewannen die Wolken die Oberhand bzw die Sonne sank einfach in die Wolkenschicht hinein. Wir fuhren zurück in unser Hotel nach Victorville. Zum Abendessen fuhren wir zu Panda Express. Da hatten wir uns schon den ganzen Nachmittag drauf gefreut. Zurück im Hotel schoben wir noch nen Tatort rein.

Dienstag, 29.03.2020

Heute war der Start vom Wetter abhängig, zu dem es keine so richtig klare Aussage gab. Hauptwunsch wäre ein Vormittag am Cajonpass. Dafür waren wir schließlich hier. Entferntere Optionen wäre ein Morgenprogramm in Ludlow oder ab Mittag Programm an der Pazifikküste westlich von Santa Barbara. Als Trinkgeld ließen wir im Zimmer nur einen Dollar als Zeichen, dass der "Service" unter aller Sau gewesen war. Damit checkten wir aus.

Wir entschieden uns für den Pass. Über Victorville war es wieder ordentlich aufgeklart, und auch zum Pass hin war alles blau. Erst beim Näherkommen sah man die tief hängenden Nebelwolken, die aus dem "Loch", durch das die Verkehrswege in die Tiefe führen, hervorquollen. Tatsächlich hing dort fett der Nebel drin, wobei es hinter der Passhöhe eher Hochnebel war. Wir stauten uns auf der Autobahn langsam runter. In Cajon Junction schien die Hochnebeldecke aufreißen zu wollen. Deshalb stellten wir uns erstmal dort an einen Punkt mit Blick auf interessante Felsen. Auf der UP war gerade ein Bergfahrer oben am Hang verschwunden, und der nächste parkte gerade vor dem Ausfahrsignal. Immerhin hatte er eine günstig stehende Schiebelok und die Sonne hatte gerade die Gleise erreicht, so dass immerhin schon mal ein Nachschuss im herrlichen Morgenlicht drin war.


Ein Bergfahrer verschwindet auf der UP Mojave Subdivision bergauf.

Danach war der Verkehr allerdings plötzlich tot, wie abgerissen. Bald lockerte der Nebel auch schon weiter oben an unserem eigentlich angedachten Motiv auf, aber das hier unten wollte man nun auch gerne mal vollwertig mit einem Talfahrer auf den vorderen BNSF-Gleisen haben. Lange mussten wir warten. Dann tauchte immerhin hinten bei der UP ein Talfahrer auf.


Nur hinten bei UP rollt es. Ein Talfahrer erreicht die Siedlung Cajon Junction bzw den dort gelegenen Ausweichbahnhof Canyon. (Leitungsmast digital geext).


Auf der BNSF kommt während des schönen Morgenlichtes nur ein Ultraschall-Messfahrzeug von Sperry Rail.

Na gut, wir hätten aber trotzdem gern vorn auf der BNSF einen Zug. Weiter warten. Nun tauchte ein Zug von unten auf der BNSF auf. Der wäre natürlich was für unser oberes Motiv. Ok, das konnten wir schaffen. Trotz der üblen "Stop - all ways" Kreuzung und trotz einer Brückenbaustelle mit manueller Verkehrsregelung, bei dem der Typ auf unserer Seite sein Stoppschild ununterbrochen am ausgestreckten Arm hielt, schafften wir es locker, dicke vor dem Zug oben an unserem Standpunkt zu sein. Sogar so rechtzeitig, um genau zu beobachten, wie sich im Angesicht des sich nähernden Zuges eine Wolke im Motiv ausbreitete. Das war eine zielgerichtete Nervwolke. So ein Mist, stundenlang wartet man in der Sonne, und dann ist Wolke zum Zug. Immerhin kam auf der BNSF noch ein UP-Zug hinterher, der dann klappte.


Für mich persönlich war dies eigentlich das größte Wunsch-Motiv am Cajonpass: Der Ausblick von Hügel 581. Der nächste Hügel ist der bekannte "Hill 582", so dass wir diesen Standpunkt kurzerhand "Hügel 581" getauft haben. Immerhin klappt ein UP-Zug hier schon mal.

Schade war an diesem Ausblick, dass die schneebedeckte Bergkette, für die es offenbar sogar Neuschnee gegeben hatte, fast vollständig von Wolken verborgen war. Wir waren uns einig, dass wir das morgen nochmal und auch etwas früher ausprobieren müssen. Hoffentlich kommt die Sonne morgen etwas früher raus und hoffentlich kommen dann auch passende Züge. Der Unwägbarkeiten sind gar viele. Da hier oben die Front nicht mehr komplett ausgeleuchtet wurde, fuhren wir wieder ins untere Motiv bei den Felsen. Die BNSF nutzte jetzt mehrmals das untere Gleis, das uns um diese Tageszeit herzlich wenig nutzte. Und bald hörte man im Straßenlärm immer deutlicher die Hochlichtglocke durch das Tal schrillen. Immerhin gab es an beiden Stellen wieder diesen schön würzigen Duft der Kräuter zu atmen.

Zum Mittagessen probierten wir mal wieder eine neue Kette aus. Wir fuhren nach Hesperia zum The Habit Grill. Der Laden machte vor allem einen saubereren und durch abgeteilte Sitzgruppen etwas gemütlicheren Eindruck. Und der Burger war definitiv gut. Für die restliche Hochlicht Siesta fuhren wir zurück zum Pass. Yannick stromerte etwas in der Gegend rum und ich setzte mich einfach auf Hügel 582 auf eine Bank. Bald waren Züge in beide Richtungen gekommen, die ich mit den Pflanzungen der Gedenkstätte im Vordergrund nehmen konnte.


Blick durch die Palmen von Hill 582 auf einen Bergfahrer...


...und zwischen den Beeten hindurch auf einen Talfahrer.

Dann lief ich einen schönen Fahrweg durch die Hügel weiter. Der Weg wandt sich hin und her und auf und ab, sollte aber wieder an die Bahn ran führen. Das tat er dann auch. Während oben an der Gedenkstätte noch ein kalter Wind wehte, wurde es hier im Windschatten der Hügel richtig warm. Oben auf einer Hügelspitze saß Yannick. Gemeinsam warteten wir paar Züge ab, wobei zwei wirklich auffällig waren. Der erste hatte reine CSX-Bespannung und der zweite war auch für US-Verhältnisse irre lang. Yannick hat mitgezählt: 240 Wagen bzw Stelleinheiten, dazu sieben Loks. Das dürfte eine Zuglänge von 4km gewesen sein.


Reichlich kurios war die Bespannung eines Stacktrains mit zwei CSX-Loks. Solche "Durchläufer" aus dem "Ostnetz" kommen gelegentlich vor.


Hinten am Hang an der Passhöhe ist derselbe Zug zu sehen wie vorn! Das war definitiv einer der längsten Züge, die wir bisher in den Staaten gesehen haben, mit einer geschätzten Länge von rund 4km.

Irgendwann hatten wir es hier gesehen. Die Frage war jetzt, ob man sich nochmal für Züge auf dem unteren Gleis aufstellen sollte oder ob wir die Nachmittagsansicht der Felsen unten am Bf Canyon machen sollten. Da unten hätte man aber Züge auf dem UP-Gleis gebraucht. Da hatten wir den ganzen Nachmittag nichts fahren sehen. Das konnte jetzt ein gutes oder auch ein schlechtes Zeichen sein. Wir entschieden uns runter zu fahren, auch wenn man dort sicher kein Frontlicht mehr hätte.

Unten angekommen kraxelte Yannick einen Hang hoch, während ich mir weiter unten im Dickicht ein Motiv mit Blühsträuchern zurechtrückte. Und nun passierte das Unglaubliche: Plötzlich fing es an, auf der UP zu rollen. Der benötigte Zug von oben kam praktisch sofort! Auf allen Strecken rollte es nun ständig. Der UP-Zug wurde im Bf Canyon gestellt. Der bald eintreffende Gegenzug fuhr aber auch nicht durch, denn es kam ein weiterer Zug von oben - sogar ein schöner Stacktrain. Ich war nur noch ständig am Hin- und Herlaufen, um für den jeweiligen Zug die beste Perspektive zu finden.


Plötzlich rollte es auch auf der UP! Ein gemischter Güterzug ("Manifest") rollt auf den Bahnhof Canyon zu.


Der nachfolgende Stacktrain an derselben Stelle, aber aus Yannicks Perspektive.


Auch auf der BNSF kommen immer wieder Züge vorbei.


Der UP-Bergfahrer hatte nun zwei Kreuzungen im Bahnhof Canyon und verlässt die Ausweiche in Richtung Passhöhe.

Irgendwann nach 18 Uhr versank die Sonne aber in den an den Bergen hängenden Wolken. Und wir konnten die Rückreise antreten. Wir hatten nun ein Motel6 in Hesperia gebucht, das noch einen Ticken dichter am Pass liegt als Victorville, das wir aber vorgestern bei der Buchung nicht so auf der Rechnung gehabt hatten. Das Hotel lag sogar etwas von der Autobahn entfernt und war ein richtiges Hotel, also mit richtigen Räumen und Fenstern nicht nur auf den Laubengang. Vor unserem Fenster stand allerdings gerade ein fetter SUV, deren Insassen laute Musik hörten und am kiffen waren. Also doch wieder Vorhang zu.

Erstmal war es uns egal, da wir noch Essen fahren wollten. Dazu steuerten wir erst einen Inder an, denn den hatten wir uns nach dem Nachmittag dann doch echt verdient. Die Butze erwies sich allerdings als reiner Abholladen oder Bringdienst. Da wir nicht im Hotelzimmer hinter vorgezogenen Vorhängen mümmeln wollten, entschieden wir uns für das Texas Roadhouse, wo es für mich das erste Steak der Tour und für Yannick eine Riesenportion Rippchen gab. Der "Rippchengeber" muss ein besonderes Schwein gewesen sein. Da war viel mehr Fleisch zwischen den Knochen als man es kannte. War aber alles lecker und am Ende waren wir satt. Überhaupt konnten wir froh sein, dass wir Platz bekommen haben. Der Parkplatz war so voll gewesen, dass wir nicht viel Hoffnung hatten. Zurück im Hotel war der SUV mit den komischen Typen vor unserem Fenster immerhin verschwunden.

Mittwoch, 30.03.2022

Der Morgen zeigte sich mit klarem, wolkenlosen Himmel - jedenfalls beim Blick aus dem Hotelfenster. Der fiel nämlich in südliche Richtung; insofern waren wir voller Hoffnung. Nun mussten nur noch passende Züge kommen. Wir beschafften uns Sandwichs aus der Tanke und fuhren los. Als die Autobahn in das "Loch" runterführte, herrschte wieder der übliche zähflüssige Verkehr, aber es ging voran. Und erstmalig quollen keine Wolken aus dem Loch hervor! Weniger voran ging es offenbar auf der Schiene, denn der für unser Motiv benötigte Zug stand da! Ob wir den noch bekommen würden? Wir fuhren zügig ins Motiv hoch und wurden gewahr, dass davor ein weiterer Zug im Stau stand. Ein Zug kam auf der UP durch; den konnten wir schon mal verarzten. Unser Standort war dabei Hügel 581.


Während auf der BNSF die ganze Zeit ein Zug vor dem Blocksignal am Hügel 582 steht, werden wir hier auf Hügel 581 nur von einem UP-Zug auf dem oberen Gleis bedient.

Aber ein Zug auf den vorderen Gleisen wäre schon netter. Da sich nun erstmal offenbar gar nichts tat, lief ich nochmal runter zum Auto, um Mütze und Proviant zu holen. Das hätte ich mal besser bleiben lassen. Nun zog nämlich ein vorher nicht bemerkter UP-Zug auf dem Gegengleis an den Wartenden vorbei. Das wäre der Zug für unser Motiv gewesen... Es kam ein weiterer Zug oben auf der UP, super... Der stellte sich nun auch noch ins Motiv, so dass ich die angeschnittene Wagenkette im Bild gehabt hätte, wenn der BNSF-Zug, der die ganze Zeit hinten vor dem Blocksignal zu sehen war, mal weiterführe. Und er hätte weiterfahren können, denn der Zug vor ihm hatte das Feld geräumt. Doch der UP-Zug wollte auch in Richtung Barstow, musste also auch in die BNSF eingefädelt werden (die UP führt oben am Pass in Richtung Mojave weiter) und wurde zum Glück als erster hinter dem Weitergefahrenen eingereiht. Puuuh, Glück gehabt! Bei unserem "Motivzug", tat sich weiterhin nichts. Aber irgendwann wurde dann doch endlich wieder das Spitzenlicht angeschaltet und es ging los. Topp!


Nun klappt mein persönliches "Must have" hier am Pass doch noch wie erhofft. Ein BNSF-Zug mit Stacktrain vor der Kulisse der schneebedeckten Berge rund um den Mt San Antonio (3068m).

Die Frage war, was jetzt weiter passieren würde. Wir warteten nochmal weiter. Zwar hatten wir unten im Tal bewusst nichts mehr fahren sehen und man hatte nachfolgende Züge ja anscheinend um den Stau herum fahren lassen, aber vielleicht käme ja doch noch etwas. Yannick war zwischenzeitlich einen Hügel weiter gelaufen auf den 582.


Derselbe Zug wie eben, diesmal aber vom Hügel 582 aus. Vor der Signalbrücke hatte der Stacktrain nun mindestens anderthalb Stunden gestanden.

Gegen 9:30 kam Yannick in Richtung Auto zurückgelaufen. Als er fast am Auto war, brach ich von meinem Hügel 581 ebenfalls auf, aber nur, um nach wenigen Schritten wieder umzudrehen. Wir hatten ihn weder unten im Tal erspäht noch an den BÜs in der Kehre hornen hören, aber da tauchte noch ein schöner Trailerzug auf. Prima, so ging immerhin noch eine zweite Perspektive (von vielen möglichen).


Nach einiger Zeit kommt noch ein Trailerzug hinterher.

Danach fuhren wir aber runter. Wir hofften ja wirklich noch, einen Talfahrer bei den markanten Felsen zu bekommen. Dort angekommen, fuhren erstmal zwei Bergfahrer zweigleisig hoch. Ich war noch voraus zu den Punkten von eben gefahren, brach dann aber ab und fuhr zurück. Lange mussten wir nun warten. Leider erst mit Einsetzen des Hochlichtes kam dann tatsächlich noch ein Talfahrer angefahren. Immerhin!


Ein Stacktrain der BNSF kommt zwischen den Felsen bei Cajon Junction hervorgefahren.

Wir mussten uns nun die Karten legen, was wir weiter wollten. Für Donnerstag war erstmal in ganz Kalifornien Vollschlonze vorhergesagt. Aber an den anderen Tagen war es nach wie vor so, dass in Kalifornien das beste Wetter sein sollte - mit Ausnahme der Surfküste zwischen LA und San Diego. Es darf ja nicht zu viel gehen. Montana konnten wir wohl für den Rest des Urlaubs knicken. Um die mega lange Reise auf uns zu nehmen, hätte dort jetzt für mindestens zwei-drei Tage richtig gutes Wetter angesagt sein müssen. Doch über zwei-drei Stunden Sonne pro Tag kam die Vorhersage nicht hinüber. Oft weniger. Aber auch in sonstigen sicheren Sonnenregionen wie Utah oder Arizona sah es längst nicht so stabil aus wie in Südkalifornien (wie gesagt außer Ri San Diego runter).

Ok, Kalifornien kann ja auch wirklich was. Auch wenn wir den Cajonpass sicher nicht vollständig hatten, so glaubten wir, es jetzt erstmal gesehen zu haben. Für heute Nachmittag und wirklich nur für heute Nachmittag war an der südlichen Surfküste sogar ganz gutes Wetter angesagt. Wir wollten mal in die Richtung fahren. Nachdem noch ein hochlichtiger Talfahrer durchgekommen war, starteten wir einfach mal.

Man kam gut auf Autobahnen östlich an Los Angeles vorbei. In Menifee gab es die Mittagsrast bei Taco Bell. Das ist immer ideal, wenn der Hunger nicht ganz so groß ist. Dann fuhren wir direkt zur großen Trestlebrücke in Solana Beach. Leider trat nun das ein, was vermutlich hier die ganze Zeit den Küstenstreifen zur unsonnigen Ausnahme macht: Es bildete sich über dem Küstenstreifen Hochnebel. Erst fing es ganz langsam an, aber dann... Und der Zugfahrplan war auch völlig bescheuert. Von meinem letzten Besuch hatte ich für den Surfliner einen über den ganzen Tag verteilten 70min-Takt mit nur minimalen Unterbrechungen in Erinnerung. Ok, ist 13 Jahre her... Jetzt gab es jedenfalls von Norden her eine dreistündige Zugpause, na toll! Aber immerhin gingen ein Coaster mit Steuerwagen voraus und ein Amtrak Nachschuss bei voller Sonne ab. Das war jedenfalls sehr schön. Die neuen Charger Loks haben leider ein sehr deutliches Schlusssignal. Qualitätsware nach deutschem Rezept, was solls.


Ein Surfliner quert die lange Trestlebrücke zwischen Del Mar und Solana Beach. Hier geht es über den San Dieguito River.


Derselbe Zug mit mehr Blühblumen.

Nach all den Tagen in der Wüste und in Gegenden, die irgendwie doch sehr trocken und ärmlich wirken, war es geradezu ein Kulturschock, hier plötzlich zwischen den gepflegten Gärten sehr wohlhabender Häuser zu stehen. Das Amerika der Städte und das der weiten Gegenden kann von den Menschen her nicht unterschiedlicher sein. Wir kennen das Phänomen ja hinreichend von den US-Wahlen.

Anschließend fuhren wir zu der Straßenbrücke südlich Del Mar mit Blick in das Soledad Valley. Der Coaster fuhr nun in etwas dichterer Folge und konnte hier dank Lok am Nordende gut umgesetzt werden. Leider gab es nur noch einige kleinere Risse in der Wolkendecke. Allerdings gab es tatsächlich noch drei Züge, die irgendwo im überblickten Bereich noch Licht hatten. Zusammen mit den immer dunkler werdenden Wolken im Hintergrund kam das gar nicht so schlecht.


Auch der San Diego Coaster hat mittlerweile Siemens Charger. Und die Wagen sind zu 3/4 mit Werbung zugekleistert. Wieso nennt man eine Lok eigentlich "Ladegerät"? Ok, "Charger" ist ein "Teekesselchen"-Wort und heißt auch "Schlachtross"; bischen kriegerisch, aber vielleicht zutreffender...


Der nächste Coaster kommt noch mit einer "alten" F59PHI angefahren. Auch er geht immerhin in einem schönen Lichtspot.

Der Blick von der Brücke zum Strand hin war übrigens durch irgendwelche Bauarbeiten verdorben. Rechtzeitig zum Ablauf unseres Parkscheins für 3$ die Stunde drehten wir noch ne kleine Runde durch den Park, aus dem man den schönen Morgenblick hat, und liefen zum Auto zurück. Nun wollten wir es nochmal mit der Trestlebrücke in Solana Beach wissen - diesmal mit Blick von Nordwesten. Die Wolkenrisse wurden aber immer weniger. Somit konnten wir ruhigen Gewissens noch einen kleinen Strandspaziergang einschieben, wobei wir ausgerechnet den Hundestrand erwischt hatten.


Der Hundestrand von Solana Beach zu Füßen der North Bluffs.

Danach konnten wir noch einen Felsen besteigen, die North Bluffs. Da sich nun auch bald der nächste Coaster nähern sollte, bereitete ich mich einfach mal auf ein sonnenloses Foto des Zuges auf der Trestlebrücke vor. Als der Zug kam, wurde er nördlich der Brücke sogar leicht von der Sonne erfasst. Mehr war nicht mehr zu erwarten.


Spot on für den Coaster! Blick von den North Bluffs auf den San Dieguito Trestle.

Nun sollte es das aber gewesen sein. Allerdings fuhren wir nicht über die Autobahn zurück, sondern nutzten die Küstenstraße. Denn wir wollten eine Bestandsaufnahme der noch vorhandenen Trestlebrücken machen. Wobei die großen Überraschungen nicht zu erwarten waren, denn Yannick hatte schon alles über Streetview ausgespäht. Also: Neben der langen Brücke in Solana Beach ist nur noch die Brücke über die Batiquitos Lagoon am Nordrand von Leucadia Trestlebauweise.


Abendlicher Blick von den North Bluffs auf den Pazifik.

Das letzte Stück von Carlsbad bis zum Ramada Hotel in Oceanside fuhren wir nun direkten Weges über die Autobahn. Es war spät geworden. Wegen der fortgeschrittenen Stunde ging es nur zu Fuß über die Autobahn zu Panda Express, wo im Laufe unseres Mahls um uns herum aber auch schon die Stühle hochgestellt wurden. Tja, hatte sich der Abstecher hierher nun gelohnt? Immerhin hatten wir im Wolkenunglück ja noch viel Glück mit dem Licht bei Zugfahrt. Also wollen wir uns mal nicht beschweren. Schade nur, dass das Wetter die nächsten Tage auch nichts werden soll. Für heute orakelte Meteoblue auch abends noch, dass der komplette Tag hier unten wolkenlos gewesen sein sollte...

Donnerstag, 31.03.2020

Ankündigungsgemäß wachten wir bei bedecktem Himmel auf. Im Zimmer konnte ich mir Kaffee kochen und ließ Yannick bis 9 Uhr schlafen. Heute stand uns die Fahrt einmal quer durch den Großraum LA bevor. Der Hochnebel sollte zwar auf die Küstenpartie südlich LA beschränkt sein, doch abseits des Hochnebels sollte es heute ziemlich schlonzig sein. Ein guter Fahrtag. Mir lagen nun zwei Küstenmotive nördlich LA am Herzen, die man praktisch nur mit dem Amtrak "Coast Starlight" machen konnte. Das Verkehrsaufkommen auf der dortigen UP Santa Barbara Subdivision dürfte insgesamt ähnlich übersichtlich sein wie auf der Piste durch Green River.

Das Auschecken aus dem Ramada Hotel in Oceanside lief so: Die Rezeptionistin sprach über ein Handfunkgerät irgendjemanden an, dass Zimmer 302 zu checken wäre. Erst als die Person über das Walkitalkie "clear" gab, bekamen wir die 200$ wieder ausgezahlt, die wir gestern als Depot hatten hinterlassen müssen. Und wie gestern Abend schon mussten haufenweise Zettel ausgefüllt oder zumindest unterschrieben werden. Wir fragten uns nur, wie die das in der Hauptsaison machen, wenn ein gewisser Andrang herrscht. Ansonsten war das aber ein schönes Hotel gewesen.

Zum Frühstück ging es in die Mc Donalds Filiale an der Nebenstrecke nach Escondido. Bei leckeren Mc Muffins und Pancakes mit Sirup gab es draußen die vorbeifahrenden Desiros zu beobachten. Dann ging es gut gestärkt auf die Reise.

Eigentlich empfinde ich das Fahren auf Autobahnen in Ländern mit Tempolimit immer sehr angenehm. Das setzt natürlich voraus, dass alle mehr oder weniger die zugelassene Geschwindigkeit fahren. Das ist hier nun aber ganz und gar nicht der Fall. Alle fahren deutlich schneller und nicht wenige brettern nur so durch die Gegend, überholen rechts und links (beides in USA erlaubt) und quetschen sich knapp irgendwo zwischen. Abgesehen von der dadurch erforderlichen Konzentration war die Fahrt aber zügig und verlief ohne große Stockungen.

Da sich im Westen nun wieder etwas blauerer Himmel zeigte, hielten wir uns gar nicht weiter in Santa Barbara auf, sondern erkundeten mal paar Motive. An der Küste, wenn man den Highway verlassen hatte, war es wunderschön. Erstmal schauten wir uns den Viadukt von Gaviota an. Danach fuhren wir zum völlig abgelegenen Strand von Jalama Beach. Allein die Straße dorthin, die sich durch eine Landschaft mit saftig grünen und steilen Hügeln wandt, war wunderschön. Hier lagen auch paar einsame Farmen. In Jalama Beach stellten wir uns etwas oberhalb der kleinen Feriensiedlung an den Rand. Hier hatte man den schönen Blick auf die Bahn an der Steilküste.

Allerdings standen wir im Parkverbot. Also, eigentlich nach deutscher StVO auch wieder nicht, denn wir standen ja nicht auf der Straße, sondern auf einer breiten Schotterfläche neben der Straße, und nur die Straße war zugespamt mit Parkverbotsschildern, aber ich fürchte, dass diese Schilder auch die Schotterfläche einschließen sollten. Man sollte wohl unten am Resort kostenpflichtig parken. Egal, wir standen unseres Erachtens gut. Und wir mussten noch eine ganze Weile warten. Den Amtrak "Coast Starlight" erwarteten wir so ab 16:30. Es war zwar wunderschön dort, aber es wehte ein saukalter Wind. Insofern waren wir froh, dass wir das tolle Panorama aus dem Auto beobachten konnten.


Paar vereinzelte Kiter waren in der Brandung vor Jalama Beach unterwegs.

Wir standen hier die ganze Zeit in der Sonne. Allerdings war die Luft sehr dunstig, was sich bei dem beabsichtigten Fernschuss bemerkbar machen würde. Die großartige Bergkulisse war größtenteils von Wolken verhüllt, und draußen über dem Pazifik machte es der aufziehende Seenebel immer wieder spannend. Aber insgesamt war die Wetterlage deutlich besser als erwartet, so dass wir jedes Bild als Bonus betrachten konnten. Eigentlich waren wir ja nur zum Kundschaften da...

Es war schon ein Stück nach der erwarteten Zeit, als gaaanz weit hinten im Dunst eine Zugschlange und ein helles Licht zu erkennen waren. Weit weg glitt die Kette unaufhaltsam näher. Doch was war das? Plötzlich und völlig unerwartet tauchte bei uns von hinten ein Güterzug auf, der dem Amtrak entgegen fuhr. Wir hatten keine Ahnung von der Lage der Ausweichbahnhöfe und schauten nun gespannt, welcher von beiden Zügen nun anhalten würde. Es war letztendlich der Amtrak, der dann irgendwo im Nichts zum Stillstand kam. Es handelte sich um den Bahnhof Sudden, der mitten im Sperrgebiet der riesigen Vandenberg Space Force Base liegt. Lange brauchte der Amtrak allerdings nicht zu warten. Dann konnten wir ihn dreimal auf verschiedene Weise fotografieren.


Auf zig Meilen führt das Gleis der UP Santa Barbara Subdivision entlang eines völlig einsamen, abgeschiedenen Küstenstreifens. Es ist das Gebiet der Vandenberg Space Force Base (SFB). In den nebelverhangenen Bergen, die im Hintergrund aufragen, befinden sich zahlreiche Raketen-Startrampen. Die Berge sind voll von geheimnisvollen Masten, Kuppeln und Türmen. Besichtigung jeden dritten Dienstag im Monat ;-)


Und wieder mal blendet die Verringerung der Brennweite die Zivilisation ein. Amtrak Zug 11 "Coast Starlight" aus Seattle oberhalb der völlig abgelegenen Feriensiedlung Jalama Beach, die quasi eingerahmt ist von verbotenem Land: Nördlich die Vandenberg SFB, südlich jede Menge Farmland der Marke "No Trespassing".


Direkt an der Feriensiedlung wird ein Viadukt gequert.

Dem "Coast Starlight" sollte noch ein Surfliner folgen. Wenige Surfliner sind über Santa Barbara hinaus bis und ab San Luis Obispo durchgebunden. Den wollten wir gern auf dem Viadukt von Jalama Beach aufnehmen. Deshalb fuhren wir mal runter zum Parkplatz des Campingplatzes. Angesichts von 10$ Parkgebühr (es gab nur Tagesnutzung) drehten wir erstmal wieder um, entschieden uns dann aber doch, das Geld zu investieren. Das Kassenhäuschen war zwar nicht besetzt, aber es gab eine Bezahlvorrichtung mit Umschlägen und Briefkasten ähnlich wie bei vielen norwegischen Bezahlstraßen.


Blick in die Brandung.

Am Strand war es wunderschön. Kalt, aber wunderschön. Der Surfliner ließ uns nun wieder ganz schön lange warten. Offenbar hatte der Güterzug ihn ordentlich verbogen. Mit 27 Minuten Verspätung tauchte er in der Ferne auf, als die Sonne bereits immer wieder in die Hochnebelpampe dort draußen über dem Meer eingetaucht war. Aber er ging dann noch bei guter Beleuchtung auf dem Viadukt. Klasse!


Der geschobene Surfliner taucht in der Ferne auf...


...und quert dann auch den Jalama Beach Trestle.

Damit sich die Parkgebühr wenigstens ansatzweise lohnte, machten wir noch einen kleinen Strandspaziergang. Doch so langsam machten sich Kälte und Hunger bemerkbar, und wir verließen den wunderschönen Ort. Über die herrliche, gewundene Straße ging es rasch zurück zum Highway, auf dem wir binnen fünf Minuten Lompoc und dort das Hotel Lotus of Lompoc erreichten. Yannick war etwas irritiert, weil er das Hotel schon über booking.com bezahlt hatte, die Dame an der winzigen Fensterluke aber seine Kreditkarte haben wollte und offenbar auch etwas abgebucht hat. Sie meinte aber, das wäre so richtig. Wir sind gespannt... (Nachtrag: Alles gut!)

Zum Abendessen fuhren wir zu Applebees. Yannick nahm Spareribs, ich wählte eine sehr leckere Nudelportion mit Spinatsauce und gegrilltem Hähnchen. Dazu probierte ich mal Erdbeerlimonade, die gar nicht mal schlecht war.

Freitag, 01.04.2022

Das Zimmer im "Lotus of Lompoc" war zwar klein, aber es war alles sauber und wir fühlten uns wohl. Nur die Kaffeemaschine auf dem Zimmer funktionierte nicht. Oder ich war zu doof dafür. Aber nebenan war eine Tanke. Etwas überrascht war ich, dass man da auswählen konnte zwischen Columbianischem Kaffee, einem aus Machu Picchu und einer Hausmischung. Hmmm, viel Aufhebens für wässrigen Ami-Kaffee, oder? Ich wählte Machu Picchu. Der Geschmack war dann tatsächlich eine positive Überraschung. Das war richtig guter, kräftiger Kaffee!

Wir konnten es ruhig angehen lassen. Das Bild vom morgendlichen Surfliner in Lompoc-Surf, dem abseits an der Küste gelegenen und nur im Transit durch die Vandenberg SFB erreichbaren Bahnhof der Kleinstadt, schenkten wir uns, denn der Hochnebel hatte alles im Griff. Da hätten wir keine Chance gehabt. Wäre eh nur Steuerwagen voraus gekommen.

Überhaupt war die Sache mit dem Wetter einfach nur anstrengend. Samstag hätte man wohl oben in der High Desert rund um Barstow noch was machen können, Sonntag schon wieder nicht. Noch war für die kommende Woche ganz gutes Wetter sogar für die Küste prognostiziert. Auch wenn wir nicht ganz glauben konnten, dass der Seenebel da nicht auch noch mitreden will, war doch eine gewisse Hoffnung vorhanden, vielleicht nochmal was an der Küste südlich Oceanside machen zu können. Fast neigten wir dazu, das Wochenende auszusitzen, vielleicht mal nach LA reinzufahren.

Ich kann gerade so viel rumlabern, weil draußen immer noch grauer Himnel vorherrscht. Heute wollten wir nochmal was zwischen Santa Barbara und Lompoc reißen (wenn man das angesichts nur weniger Züge so sagen kann). So langsam packten wir mal unsere Siebensachen zusammen. Bei Mägges luden wir paar McMuffins und McGriddles ein, dann ging es zur Kundschaft zur Amtrak-Station. Unterwegs kamen uns Schwertransporte mit drei riesigen Windradflügeln entgegen. Der Amerikaner liebt flackernde und blinkende Lichter; entsprechend war dieser Transport auch von einem wahren Blitzlichtgewitter der Begleitfahrzeuge in verschiedensten Farben begleitet. Das letzte Stück bis zur Bahn und Küste hatte man den Zaun der SFB auf beiden Seiten. Man sah geheimnisvoll aussehende Gebäude, Kuppeln und Türme auf den Hügeln ringsherum.

Am Bf Lompoc-Surf frühstückten wir erstmal, während einige Amtrak-Mitarbeiter dabei waren, einen Schaltschrank umzupflanzen. Hier wimmelte es von ziemlich fetten Hörnchen, die Yannick natürlich auch füttern musste. Ich machte zur Verdauung einen kleinen Spaziergang an den Strand, wobei mich ein Hinweisschild, welchen Abschnitt des Strandes man wann betreten dürfe und vor allem wann nicht, etwas überforderte. Das Verbot war wohl auch weniger militärischer Natur, als zum Schutz irgendeines Vogels, der hier in der Abgeschiedenheit der Vandenberg Space Force Base gerade so überlebt...

Der immer noch fette Hochnebel wirkte sich jetzt nicht so richtig motivierend aus. Auf dem Rückweg in die Stadt kamen allerdings erste Sonnenspots heraus. Wir zogen nun einfach mal unser angedachtes Programm durch, nämlich Abhängen in Jalama Beach, und hoffen, dass außer einem ungünstig nordwärts fahrenden Surfliner noch irgendwas kommt. Auf der wunderschönen gewundenen Straße nach Jalama Beach, die mich irgendwie nach England versetzte (auch wenn Steinmäuerchen fehlten und die Bäume andere waren) ging es bei Querung der letzten Hügelkette plötzlich in blauen Himmel raus. In RICHTIG blauen Himmel. Das war schon mal sehr sehr schön. Da bereits nordwärts grün war, postierten wir uns schon mal für den Surfliner auf einer Wiese. Bischen Angst vor Klapperschlangen hatten wir ja, aber wir hofften, die beim Gehen durch lautes Grasknistern zu vertreiben.


Der vormittägliche Surfliner nach San Luis Obispo brummelt entlang der Küste nordwärts an Jalama Beach vorüber. Heute führt er sogar ein Observation Car mit Panoramafenstern.

Die neuen Siemens Charger Loks haben eine Funktion, die die beiden unteren Spitzenlichter immer wechselweise blinken lässt. Das sieht auf dem Foto ggf nicht so toll aus. Nachdem der Surfliner durch war (in anderen Ländern hätte ich gesagt "der Bummelzug"), mussten wir uns langsam für den nordfahrenden "Coast Starlight" in Position bringen. Den wollten wir weiter südlich in Gaviota nehmen. Da hatten wir uns schon eine Stelle ausgeschaut, an der wir das Hauptmotiv per Drohne umsetzen konnten und wo wir dann auch noch eine hübsche bodenständige Stelle hatten. Der einzige Nachteil war: Das ging nur im mega Hochlicht. Aber das war dann eben so. Sollte ich mal im Januar herkommen, werde ich gewiss an eine Wiederholung denken. Es war nicht leicht, die Fahrzeit des Zuges von Santa Barbara bis hier abzuschätzen. Aber es gelang uns dann doch ganz gut. Als die Drohnen zehn Minuten oben waren, kam der Zug.


✈ Ein weiterer von vielen Viadukten auf dieser Strecke steht westlich von Gaviota. Hier gab es den nordfahrenden Amtrak 14 "Coast Starlight" nach Seattle.


Und ein Stück weiter rollt der Zug bei uns vorüber.

Der Nachmittag sollte eine Wiederholung des gestrigen werden - dabei hofften wir aber auf eher wolkenfreie Berge und damit auf ein "ganz anderes" Motiv. Erst meldete sich doch ein kleines Hüngerchen, so dass wir erst noch eben zu Wendys nach Lompoc fuhren. Da gab es den Daves Double mit Chili statt Pommes. Zum Glück brachen wir dann bald auf. Denn als wir auf der schönen Jalama Road den letzten Hügelkamm querten, lag nicht nur das Meer vor uns, sondern wir sahen auch ein helles Licht leuchten in der Ferne. Da kam ein Güterzug! Es handelte sich um dasselbe Loktriple, das gestern nach 16:30 nordwärts gefahren war. Irgendein Local. Wir nahmen ihn dankbar mit, auch wenn die Tele-Aufnahmen durch ziemliches Hitzeflimmern beeinflusst wurden.


Der UP Local schlängelt sich an der Küste entlang. Führende Lok ist eine GP60, die allerdings auf beiden Seiten ziemlich heftig beschmiert war.


Dann geht es in die Gerade zu Füßen des Tranquillon Mountain (628m).

Dann bauten wir uns zunächst wieder an unserem Aussichtspunkt an der Schotterfläche neben dem Parkverbot auf und genossen die Aussicht. Dann lockte aber doch irgendwie das Meer. Wir zahlten wieder die 10$ (diesmal war die Wärterbude besetzt), parkten unser Auto und zumindest ich unternahm einen kleinen Fußbadespaziergang beiderseits der Wasserkante. Das Wasser war aber ganz schön kalt! Um 16:15 schreckte ich allerdings auf, denn ich dachte, der südfahrende "Coast Starlight" könnte ab 16:35 kommen. Und ich musste noch ein ganzes Stück zurück zum Auto und dann die Straße hoch zu unserem Aussichtspunkt laufen. Yannick bewegte sich praktisch gegenläufig und wollte, wie ich später erfuhr, jetzt sein Fußbad starten, allerdings mit Fotoambition. Es sollte ein längeres Fußbad werden!

Als ich oben angekommen war, sah ich auf der Kamera, dass der Zug gestern doch erst nach 17:10 gekommen war. Nun gut, da musste ich noch etwas warten. Hinter den Bergen wälzte sich schon wieder sichtlich eine Nebelwand hoch. Musste man sich schon wieder Sorgen um die Motivvariante "mit Bergen" machen? Das Sitzen oberhalb der Bucht war aber jedenfalls wunderschön. Temperaturmäßig war das alles ein Zwiestreit zwischen der Sonnenhitze und dem wieder auffrischenden, starken und kalten Seewind.

Die Nebel erkletterten von hinten immer mal wieder die Berge der Tranquillon Ridge, umarmten die Spitzen zum Teil, gaben sie aber immer wieder frei. Bald war das allerdings nicht mehr die spannendste Frage. Die lautete nämlich ab 17:15 "Wo bleibt der Zug?" Ich versuchte, von meinem Hügel Zugang zum WLAN des Campingplatzes zu bekommen. In einem kurzen Lüftchen gelang tatsächlich die Verbindung, und ich fand heraus, dass der Zug in der Prognose für San Luis Obispo mit +51 drin stand. Viel besorgniserregender war allerdings, dass für die vorherigen Stationen Verspätungen von weit über einer Stunde angegeben waren. Und der Datenstand sollte von 13:05 gewesen sein. Na Mahlzeit! Der Zug wird sonstwann kommen können.

Ich nutzte die Info aber wenigstens, um mir paar wärmere Klamotten aus dem Auto zu holen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung, wo Yannick genau steckte. Er hatte irgendwo am Strand was machen wollen. Vielleicht ist er auch mal ein Stück Richtung Campingplatz zurückgelaufen und hat ein WLAN-Lüftchen und darin die entsprechenden Infos gefunden. Langsam stellte sich dann auch die Frage, ob der Surfliner vorweg käme. Notfalls müsste man den halt in dem Motiv nehmen. Das Licht wurde jetzt immer schöner. Natürlich war es der Surfliner, der dann irgendwann und auch schon ordentlich verspätet in der Ferne auftauchte. Nun ja, Steuerwagen voraus halt, was bei den Fernmotiven aber verschmerzbar sein mochte...


Der Surfliner kommt geschoben über den Jalama Beach Trestle.

Weitere Versuche, ins WLAN zu kommen, schlugen fehl. Ohne mich jetzt mit Yannick verständigen zu können, dürfte Einigkeit geherrscht haben, dass man es halt bis zum Sonnenuntergang aussitzt. Groß was anderes konnte man jetzt eh nicht machen. Aber so lange brauchten wir gar nicht zu warten. Nach rund zwanzig Minuten schob sich erneut ein helles Band ins Sichtfeld. Ich hielt einfach drauf, wenn der Zug mal schön leuchtete. Und das tat er teils gleißend hell.


Ich glaube, sechs Fotos von einer einzigen Zugvorbeifahrt habe ich noch nie im Reisebericht gezeigt. Aber ich finde, die Bilder sind unterschiedlich genug. Amtrak Zug 11 taucht hinten an der Küste auf und durchfährt in etwa den Ausweichbahnhof Sudden.


Aus Yannicks Perspektive von unten kommt natürlich die Brandung wesentlich imposanter.


Auch bei diesem Bild machen sich die Wellen gut als Vordergrund für den Zug mit der Tranquillon Ridge, Bestandteil der Santa Ynez Mountains, im Hintergrund.


Von meiner Position kann ich nicht nur Yannick "bei der Arbeit" fotografieren, sondern habe die Bergwelt schön im Hintergrund. Diesmal ist der Gipfel des Tranquillon Mountain schön frei von Wolken, während weiter links der Nebel über die Tranquillon Ridge drückt.


Yannick hat fertig und watet aus dem Wasser, während ich den Zug nochmal vor den schattiger werdenden Hügeln aufnehme.


Dann muss einfach nochmal das Bild vom Viadukt sein. Der Oak Mountain im Hintergrund mit seinem "faltigen" Hang kommt im Schattenspiel der tiefen Sonne besonders gut.

Tja, alles wird gut. Ich glaube, der Spruch hat sich heute bewahrheitet. Das Abendlicht war topp, die Berge nahezu wolkenfrei, das passte alles. Während Yannick sich nun noch für einen nordwärts fahrenden Surfliner, der kurz vor Sonnenuntergang kommen sollte, positionierte, vertrieb ich mir die restliche Zeit des Sonnenscheins mit Gegenlichtaufnahmen auf die Brandung. Als Vordergrund dienten mir zwei Enten, wobei sie mir selten beide gleichzeitig ihr Profil zeigten. Aber der Sonnenuntergang war trotzdem schön.


Zusammen mit zwei Enten...


...genieße ich den Sonnenuntergang.

Der Surfliner war natürlich nicht mehr gekommen. Yannick schimpfte auf der Rückfahrt über Amtrak und diese horrenden Verspätungen, später auch über viele andere Sachen, zB die Preise beim Essengehen. Die Lebensmittelpreise hatten wirklich gut angezogen, ebenso wie der Sprit. Zwar war der Spritpreis außerhalb Kaliforniens mit um die 4$ pro Gallon für uns Deutsche trotzdem noch sehr günstig, doch in Kalifornien zahlte man schon fast deutsche Preise (na ja so ca 1,50€ pro Liter). Wir waren nochmal zu Applebees gefahren. Es gab lecker Ribeyesteak, aber brown gravy zum Kartoffelbrei und zu den Brokkoli war nicht verfügbar. Auf dem Rückweg ins Hotel besuchten wir noch einen rustikalen Liquor-Shop. Das Angebot war schon sehr interessant. Yannick besorgte verschiedene Mitbringsel (nein, wir sind noch längst nicht am Ende der Reise, aber wenn halt mal die Gelegenheit besteht...), ich begnügte mich mit ner Sprite fürs Auto.

Irgendwas muss ja immer sein. Abends im Hotelzimmer spürte ich einen gewissen Schmerz im/am Bauchnabel. Im Spiegel hatte ich den Eindruck, dass da irgendwas drin ist. Irgendein Dorn von einer Pflanze vielleicht, der dort beim Durchstreifen der Büsche unbemerkt reingelangt ist? Ich machte ein Selfie vom Bauchnabel. Auf dem Bild sah man Füße von irgendeinem Insekt. E-kel-haft! Ein Fall für Dr Steinle, der sogar seine OP-Pinzette mitgebracht hatte. Es stellte sich heraus, dass das Handyfoto das Insekt natürlich mega vergrößert hatte. Es handelte sich "nur" um eine kleine Zecke, vielleicht nuanciell größer als die in Deutschland bekannten. Mit der Pinzette kam sie offenbar vollständig raus. Hoffentlich kommt da nichts nach... (Nachtrag: Kam nicht.)

Samstag, 02.04.2022

So, wie geht es wettertechnisch weiter? Das Wochenende sollte zumindest hier an der Küste kaum Sonne bringen. Aber der große Ritt in andere Gegenden lohnte auch nicht, da es überall nicht hundertprozentig aussah. Im Laufe des Montags sollte es aber immer besser werden und für die neue Woche sah es in allen Teilen Kaliforniens sehr gut aus. Das war nun insofern "lustig", da wir auch langsam mal eine Taktik für die lange Rückreise nach Denver entwerfen mussten. Na ja, immerhin sah die Vorhersage für Arizona und New Mexico auch topp aus... Wir überlegten, uns von heute bis Montag ein Hotel im Speckgürtel von LA zu nehmen und Sonntag mit dem Zug in die Stadt zu fahren.

Das war nun wieder gar nicht sooo einfach, da sonntags nicht auf allen Linien Zugverkehr besteht. Da wir doch nochmal mit 1-2 Tagen südlich Oceanside liebäugelten, fiel die Wahl auf San Juan Capistrano, also schon im Süden von LA. Dort gibt es immerhin paar passende Metrolink-Verbindungen, und "notfalls" fährt da auch der Surfliner. Der Vorteil am Süden war, dass wir dann heute und nicht erst Montag den Weg mit dem Auto durch den Großraum LA hätten.

Wir ließen es sehr entspannt angehen. Es gab nochmal den guten Machu Picchu Kaffee, es wurde geplant und studiert. Letztendlich war es 10:30, als wir das Hotel in Lompoc verließen. Die Fahrt war angenehm. Wir hörten wieder einen True Crime Podcast an. Die Reihe nannten wir nur noch "Mordlust:innen", weil im ansonsten gut gemachten Podcast konsequent die unsägliche ":innen"-Form angewandt wurde. Thema war diesmal, dass Insekten zur Verbrechensaufklärung dienen. War stellenweise nicht so appetitlich. Und passte ja zu meiner Zecke gestern...

Es ging den Küstenhighway 101 entlang, den "El Camino Real". Entlang dieses alten Königswegs, der verschiedene Missionen entlang der Pazifikküste verband, erinnern immer wieder Schilder an den historischen Namen, die nachts von interessanten alten Laternen beleuchtet werden. Ab Santa Barbara ging es dann ins Landesinnere. Als der Podcast nach anderthalb Stunden zuende war, hatten wir gut Hüngerchen. Yannick checkte die nächsten Straßen der Köstlichkeiten. Wir näherten uns Thousand Oaks. Dort gab es The Habit. Der Santa Barbara Char mit doppelt Frikadellen und Avocado und eine Portion gegrillter Rosenkohl mit Knobi waren wunderbar. Wir ahnten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wie schnell wir all diese Kalorien wieder loswerden würden.

Auf der Weiterfahrt überlegten wir, dass wir eigentlich nicht unbedingt um 15 Uhr im Zielhotel sein müssen. Ich dachte, dass auf der Südseite der Bergkette, nördlich derer wir ostwärts fuhren, irgendwo Hollywood kommen müsste. So in etwa war es dann auch. Wir durften nur nicht den direkten Weg über die I405 nehmen (wobei - hätten wir mal, dann hätten wir auch noch durch Beverly Hills cruisen können), sondern einfach warten, bis unser 101er die Hügelkette quert. Als sich der Highway nun über die Hügel rüber auf den Großraum LA zu senkte, war eine der ersten Abfahrten unsere.

Und unser erster Eindruck von Hollywood war absolute Armut. Unter der Autobahnbrücke hatten sich Obdachlose auf den Fußwegen regelrechte Zelt- und Kartonburgen gebaut, eine reihte sich an die andere. Nach nur wenigen Straßenecken hatte sich das Bild erst in eine Gegend mit einfachen Handwerksbetrieben und dann schnell in ein Quartier aus gepflegten Wohngrundstücken gewandelt. Wir wollten absolutes Touriprogramm und einmal den "Hollywood"-Schriftzug am Hang sehen. Dazu fuhren wir erst den Beachwood Drive hoch. Doch als wir den zweiten Hinweis "nur für Anwohner" und "keine Parkmöglichkeit" passierten, überdachten wir lieber mal unser Konzept.

Eine andere Möglichkeit gab es vielleicht noch. Yannick navigierte mich durch herzallerliebste kleine, sich an den Hängen entlang windende einspurige Straßen (wer auf der Karte mitfahren möchte: Verbena Drive - Graciosa Drive - Canyon Cove) in das Nachbartal. Ein wunderschönes Wohngebiet in steiler Hanglage, aber recht eng bebaut, also vielleicht die Häuser der Reichen und Schönen, nicht aber die Villen und Parkgrundstücke der Reichsten und Schönsten. Da ich großer Fan der in Los Angeles, hauptsächlich aber sogar in Hollywood spielenden Krimiserie "Bosch" bin, versuchte ich, verschiedene markante Stellen aus den Filmen zu lokalisieren. Ich kann allerdings nicht sagen, dass mir das gelungen wäre. Bereits auf der bisherigen Fahrt fand ich es faszinierend, immer mal wieder Straßen- und Ortsnamen zu lesen, die einem aus Filmen oder auch von den "Drei Fragezeichen"-Hörspielen bekannt vorkamen.

Der Canyon Drive führte uns nun geradewegs in den Bronson Canyon. Hier war man offenbar Besuchern aufgeschlossener. Man konnte ein Tor durchfahren, dass laut Schild zum Sonnenuntergang geschlossen wird, dann kam ein großer, langgezogener Parkplatz. Finde den Fehler! Ok, unser Ziel lag etwa zwei Bergrücken weiter und war ganz hoch oben, wir hingegen standen in diesem Bronson Canyon ganz tief unten. Egal. Hier startete der breite, fast boulevardähnliche Wanderweg in die Hollywood Hills. Der führte nun steil bergauf. Was waren wir froh, dass die Sonne nicht so bruzzelte. Es herrschte ideales Wanderwetter. Zügig, später aber auch ganz gut schwitzend, arbeiteten wir uns hoch und hatten irgendwann nach einer Dreiviertelstunde den OLLYWOOD-Schriftzug vor uns. Müssen wir jetzt auch noch ein H dazu kaufen? Nein, mussten wir nicht. Paar Kurven weiter kam perspektivisch auch das H in Sicht. Wir machten paar Handybilder, dann ging es zurück. Yannick war derweil schon wieder am schimpfen, weil er die ganze Zeit null Handyempfang hatte. Da fielen dann (sicher auch beeinflusst durch andere Faktoren) Ausdrücke wie "Entwicklungsland"...


Bischen Touriprogramm muss auch mal sein...


Und nach 180°-Wendung die Aussicht auf LA. Bei Wetter hätte man hinter allem wohl den Pazifik gesehen.

Übrigens wären wir über unsere erste Straße direkt hier oben mit dem Auto rausgekommen. Aber wir durften ja nicht, denn die anliegenden Grundstücke hier ganz oben dürften doch vielleicht dem einen oder anderen Reichsten und und der einen oder anderen Schönsten (urgs, war das jetzt klischeemäßiges Gendern?) gehört haben. Und die wollen natürlich nicht von Touristen belästigt werden.

Zurück am Auto ging es gemütlich zum El Camino Real zurück, auf dem es sich immer wieder etwas staute. Später auf der I5 gab es eine Car Pool Lane, auf der wir zügig zum Ziel gelangten. Die anderen mussten uns da immer über die normalen Spuren überholen, weil wir nur die zugelassene Geschwindigkeit fuhren. Sowas aber auch, immer diese Ausländer... Das Best Western in San Juan Capistrano machte einen guten Eindruck, und wir bekamen ein schönes Zimmer nach hinten raus. Sogar mit Fenster und Balkon nach hinten raus und nicht wie sonst meistens in USA mit Fenster zum Laubengang, bei denen man praktisch immer hinter geschlossenen Vorhängen (oder wahlweise auf dem Präsentierteller) sitzt.

Eigentlich wollten wir jetzt einen "gemütlichen Hüttenabend" mit paar Leckereien aus dem Supermarkt machen. Aber das Paar in unserem Nachbarzimmer gab echt alles. Lautes Gegröhle und Gegackerin, außerdem Geräusche und vor allem Geräuschinnen, die ihr erst lesen dürft, wenn ihr einen Adult-Check durchgeführt habt. Bei der nun folgenden Siesta gab ich mir Apocalyptica auf die Ohren, die bewährte Geräuschübermalung für ICE-Fahrten mit Keglerinnengruppen (bewusst ohne ":") im Abteil. Irgendwann verschwanden die beiden aber. Wir schöpften Hoffnung und fuhren zum Supermarkt. Da gab es dann auch lecker Schinken, Salami, Käse, Melonen und einen gekühlten Weißwein aus Kalifornien bzw eine Lasagne für Yannick. Danach hielten wir noch an einem Liquor-Shop, da Yannick sich noch Bier besorgen wollte (der Supermarkt hatte nur Sixpacks). Aus einem benachbarten Restaurant kam ein Paar (er: gröhlende Lache, sie: schrilles Gekicher) und lief in Richtung unseres Hotels. Wir sagten noch so: Das sind bestimmt die aus dem Nachbarzimmer. Als wir per Auto wieder im Hotel waren, dauerte es keine zehn Minuten und das Paar kam wieder ins Nachbarzimmer.

Der Wein war wunderbar, alles andere auch, und zumindest erstmal hielt sich die Geräuschuntermalung aus dem Nachbarzimmer in Grenzen. Ich musste nur zusehen, dass ich mein Tablet ein wenig geladen bekam, bevor ich die Apocalyptica wieder aktivieren konnte. Dummerweise kann ich nur entweder laden oder Kopfhörer anschließen. Später hatte sich das Nachbarzimmer offenbar so verausgabt, dass es richtig ruhig wurde. Dafür fing draußen vor dem Fenster bayrische Musi' an. Ja mei!

Sonntag, 03.04.2022

Eigentlich wäre es ja ganz nice gewesen, nach Los Angeles eine Richtung mit dem Metrolink und die andere Richtung mit dem Amtrak Surfliner zu fahren. Aber die Einzelfahrt sollte 12,50$ bei Metrolink und 21$ bei Amtrak kosten. Da erschien uns das 10$ Weekend-Day Ticket doch "etwas" günstiger. Das gilt allerdings nicht bei Amtrak. Metrolink bietet auf der Orange County line zwar nur vier Zugpaare an Sa und So an, aber es gab Passendes zur Hin- und Rückfahrt.

Auf dem Weg zum Bahnhof, als wir das größte Hindernis, nämlich die Autobahn mit ihren diversen Auffahrten und langen Ampel-Wartephasen für die Fußgänger, passiert hatten, fühlte ich mich ein wenig an Osteuropa erinnert. Es strebten auffällig viele Fußgänger in Richtung Bahn-Haltepunkt. Und die wollten tatsächlich alle zum Zug! Die Dame in der Touri-Info am Hp, die auch Fahrkarten verkaufte, zeigte sich völlig überrascht von dem Ansturm. Auf dem Weg kamen wir auch an der Ruine der alten Mission vorüber. San Juan Capistrano ist eine der ältesten Missionen entlang der Pazifikküste. Als Ortsgründung wird 1776 genannt. Rund um den Hp dann viele Restaurants, der Hp war von hohen Palmen beherrscht. Schon hübsch hier.


Unser Zug nach Los Angeles fährt ein. Der Steuerwagen führt.

Metrolink 661: San Juan Capistrano 9:08 - Los Angeles Union Station 10:37

Wir bekamen gut Platz im zweiten Wagen, dem einzigen Wagen des älteren Typs im Zug. Die Schaffnerin scannte den QR-Code auf unseren Fahrkarten. Auf unsere Frage, ob das Dayticket auch in der Metro gälte, meinte sie, wir sollten die Nummer auf der Rückseite des Tickets anrufen. Die wüssten das bestimmt. Nun ja... Ein anderer Fahrgast, der mit seinem Sohn unterwegs war, meinte anschließend, dass ihn das auch interessieren würde und dass das vermutlich der Fall sei. Wir hatten es auf der Website auch so verstanden, dass wir alle Verkehrsmittel außer Amtrak nutzen könnten.


Einer der alten Wagen des Metrolink von innen. Es handelt sich um einen von der kanadischen Firma HSC ab den 1970er Jahren gebauten Typ.

Die SCRRA Orange Subdivision war ab der nächsten Station Laguna Niguel/Mission Viejo ganz gut ausgebaut. Der Zug raste mit 90mph (ca 145km/h) durch die Gegend. SCRRA ist die Southern California Regional Rail Authority, die sowohl als Infrastrukturbetreiber einiger hauptsächlich von Personenzügen befahrenen Strecken als auch als regionaler Auftraggeber für den Metrolink-Verkehr auftritt. Wobei einige Quellen auch davon sprechen, dass "Metrolink" einfach nur der öffentliche Markenname (engl "moniker") der SCRRA sei. Gelegentlich liest man als Streckenbezeichnung auch "Metrolink Orange Subdivision". Mit der Durchführung des Metrolink-Verkehrs werden nun aber durch die SCRRA die ganz Großen beauftragt. Zur Zeit betreibt kein geringerer als Amtrak den Metrolink. Der Name "Amtrak" taucht allerdings im Zusammenhang mit Metrolink nirgends öffentlich auf. Die Schaffnerin machte viele manuelle Durchsagen. An den Stationen klang das dann so: Durchsage.

Die Strecke war grundsätzlich eingezäunt. Dennoch fanden sich innerhalb der Einzäunung, aber auf der anderen Seite eines parallelen Betongrabens, immer mal wieder Zelte von Obdachlosen. Bei Fullerton stießen wir auf die BNSF San Bernardino Subdivision. Das ist die Strecke der BNSF Southern Transcon, die letztendlich vom Cajonpass herunter kommt. Hier gab es also auch parallelen Güterverkehr. Nachdem wir die ganze Zeit rechts gefahren waren, ging es kurz vor Einfädelung in die BNSF auf das linke Gleis. An der San Bernardino Subdivision waren die Bahnsteige dann auch tatsächlich fest für Linksverkehr beschildert. Uns war ja am Cajonpass schon aufgefallen, dass dort in der Regel Linksverkehr herrschte. Die Bahnsteige befanden sich außen, ein-zwei mittlere (Güter-)Gleise waren bahnsteiglos.


Unser Metrolink 661 ist in LA Union Station angekommen. Hatte ich jetzt eine schmucke Bahnhofshalle erwartet? Über den Gleisen war jedenfalls keine. Gut erkennbar ist der HSC-Wagen als Exot im Zug zwischen den ab 2010 gelieferten Hyundai Rotem Wagen.


Schön wird die Union Station erst unten in der alten Bahnhofshalle.

In Los Angeles angekommen, war uns eigentlich gar nicht so recht klar, was wir denn sehen wollten. Gegenüber der Union Station gab es einen kleinen mexikanisch angehauchten Straßenzug mit vielen Buden, der mich etwas an die Altstadt von Sarajevo erinnerte, aber viel kleiner. Es handelte sich um die Olvera Street. Die hatte auch ein konsultierter Reiseführer empfohlen. Ansonsten meinte er, man sei mit LA in zwei Stunden durch. Uns kam fast die Frage auf, was der Autor denn zwei Stunden lang in LA machen will.

Von meinen Bosch-Krimis wusste ich noch von der Standseilbahn "Angels Flight". Die aufzusuchen gab uns einen Grund, paar Blöcke durch die Stadt zu laufen. Nachdem wir erst die North Main Street eher ernüchternd fanden (erst wieder Zelte der Obdachlosen, dann eine spanischsprachige lautstarke Demo), gelangten wir dann doch noch in einen Bereich mit innerstädtischem Flair.


Die Standseilbahn "Angels Flight". Böse Zungen behaupten, über die Treppe sei man schneller oben...

Gegenüber vom Angels Flight gab es den Grand Central Market, durch den wir eine Runde drehten. Es wurden viele leckere Speisen angeboten. Wir begnügten uns einstweilen mit einem Bierchen. Und nun? Die Sehenswürdigkeit, die ich bisher immer am meisten mit Los Angeles verbunden habe, ist der Walk of Fame. Der befindet sich nun allerdings in Hollywood draußen. Wir beschlossen, einfach mal zur Metro hinabzusteigen und an der Sperre den QR-Code des Tickets unter den Scanner zu halten. Das klappte, wir kamen rein. So fuhren wir dann mit der roten Linie vom Pershing Square bis Hollywood/Vine, wo wir direkt vor der U-Bahnstation über die ersten Sterne stolperten. Wir drehten dann noch eine kleine Runde über einen Markt. Da gab es zwar auch lecker Essen, aber irgendwie nicht so die Sitzgelegenheiten.


Wenigstens ist die Metrostation Hollywood / Vine angemessen mit Filmrollen geschmückt.

Deshalb enterten wir dann bald wieder die Metro. Da fahren vielleicht abgefahrene Typ:inn:en mit. Die gefühlte eine Hälfte der Fahrgäste steht unter Drogen, die andere Hälfte schaut sich ängstlich um. Letztere verhalten sich übrigens genau nach Anweisung des Metro-Betreibers, der auf seinen Plakaten rät, stets die Umgebung kritisch im Auge zu behalten. Eine andere Regel lautete ernsthaft, am besten nur mit einem Freund zusammen Metro zu fahren. Auf der Hinfahrt nach Hollywood lag an einer Stelle ein ganzer Hausstand auf dem Wagenboden verteilt. Daneben schlief jemand. Die illustresten Gestalten waren eine komplett in einen Bademantel mit Spitzkapuze verhüllt über den Bahnsteig schlurfende Person (nein, das war sicher kein Kukluxer!) und eine Frau, die vor sich hinbrabbelnd in Hollywood aus der Gegenmetro stieg, offensichtlich unten ohne war und vollkommen zerstochene Beine hatte und die dann noch schimpfend und gestikulierend an der Bahnsteigkante stand, als ihr und zum Glück dann auch unser Zug längst weg waren.


Sicherheitsregeln in der Metro Los Angeles.

Ich muss ehrlich zugeben, dass das ein für mich neues Bild der USA war. Vielleicht waren diese Eindrücke auch zu punktuell, um sie zu verallgemeinern, aber wenn sich schon sonntags um die Mittagszeit zwischen LA Downtown und Hollywood so ein Bild ergibt, dann möchte ich nicht wissen, wie es abends auf weniger populären Linien aussieht. Meine Streifzüge mit Öffis durch New York und Chicago liegen zwar schon viele Jahre zurück, doch so ein Bild hat sich dort nie ergeben. Aber Yannick und ich waren ja zum Glück mit je einem Freund unterwegs, und daher gelangten wir an der Union Station auch wieder heil an die Erdoberfläche. Wir hatten damit gerechnet in der neuen Osthalle rauszukommen, weil die Metro ja auch eher neuer ist (feiert gerade 25th anniversary), doch kamen wir in einer stillen Ecke der historischen Halle im Westen der Gleise raus.

Unser Zugpark war gerade auf Gleis 8 eingefahren, Yannick war schon halb im Klo des Wagens verschwunden, da wurden wir per Lautsprecher wieder hinaus komplimentiert. Obwohl schon viele Leute warteten, wurden erstmal die Türen geschlossen. Das Metrolink-Publikum machte übrigens zu 98% denselben Eindruck, den auch die Fahrgäste eines durchschnittlichen deutschen REs machen (außer Hansa Rostock hat gespielt, dann würde ich die Metrolink-Passagiere eindeutig vorziehen). Als dann die Türen geöffnet wurden, verteilte sich die Menschenmenge in dem fünfteiligen Doppelstockzug so gut (bzw so schlecht), dass wir im letzten Wagen sogar das Oberdeck für uns hatten. Das sollte man sicher nur machen, wenn man mit einem Freund zusammen reist...

Metrolink 664: Los Angeles Union Station 14:00 - San Juan Capistrano 15:25

Wir hatten uns extra einen neuen Wagen ausgesucht. Die Sitzlehnen waren höher (aber bei den alten absolut ausreichend), aber dadurch hatte man auch keine so gute Rundumsicht mehr. Und irgendwie waren die alten Wagen bequemer.


Diesmal sitzen wir in einem der ab 2010 gelieferten Hyundai Rotem Bi-Level Coaches.

Eigenartigerweise fuhren wir jetzt auf der BNSF San Bernardino Subdivision rechts, obwohl die fest montierten Zielschilder "Oceanside" (das Ziel unseres Zuges) links hingen. Nun würde mich wirklich mal interessieren, wie die Fahrgäste über den Gleiswechsel informiert worden sind. Die variablen Zugzielanzeiger schienen nicht in Betrieb zu sein. In Buena Park, einem topp gestalteten Neubau-Bahnhof, dessen Brücke und Fahrstuhltürme im Stil der in dieser Gegend so typischen Missionen nachempfunden waren, hatte die Fahrgastinfo offenbar nicht ganz so gut geklappt. Ein älterer Herr kam im letzten Moment mit seinem Fahrrad die Treppe runter und erreichte den Zug nur, weil andere Fahrgäste den Zugchef alarmiert hatten. Wo wir gerade bei schönen Bahnhöfen waren: Auch Santa Ana hat ein optisch sehr eindrucksvolles Riesen-Empfangsgebäude. Überhaupt machten die Bahnhöfe alle einen topp gepflegten Eindruck!

An mehreren Stellen standen Fotografen am Gleis. Auf einem Bahnsteig standen zwei Eisenbahnfreunde im Schüleralter (mit dem Begriff "Jufu" kann vielleicht nicht jeder etwas anfangen), die unseren Zug vom Stativ aus filmten. Sie hatten aber noch ein Utensil in der Hand, das ich bei europäischen Eisenbahnfreunden noch nicht im Einsatz erlebt habe: Eine Radarpistole. Klar, das gehört künftig zu jeder guten Bildbeschreibung: Die Info, wie schnell der Zug gewesen ist...


Mitten auf einem zentralen Platz der Altstadt von San Juan Capistrano steigen wir aus dem Zug wieder aus. Der Bahnsteig befindet sich mitten auf dem Bahnübergang.

Unser Konzept war gewesen, das Essen auf San Juan Capistrano zu verschieben. Sonst hätten wir erst 16:40 zurückfahren können. Und sooo toll fanden wir es in LA dann auch nicht. Einzig hätte mich noch die komische Straßenbahn-ähnliche Metrolinie interessiert, die offenbar auf Brücken oder zumindest oberirdisch trassiert ist. Na ja, jedenfalls hatten wir nach Rückkunft in San Juan Capistrano richtig gut Hunger. Aus den ganzen Restaurants am Hp roch es schon verführerisch. Aber Yannick hatte im Netz einen Inder entdeckt. Zu dem war es zwar noch ein Stück zu gehen, aber das Essen war absolute Oberklasse! Dicker Daumen hoch für das "Himalayan Taste" in San Juan Capistrano!

Um 17 Uhr waren wir zurück im Hotel und hatten auch nicht vor, dieses nochmal zu verlassen. Wir hatten schon wieder 14000 Schritte auf der Uhr - das durfte reichen. Am Abend gab es dann noch den hervorragend spannenden Tatort aus Köln von letzter Woche.

Nach der Anreise durch Colorado und Utah waren in Kalifornien übrigens wieder vermehrt Mund-Nase-Bedeckungen zu sehen. Insbesondere die Angestellten in Restaurants und Geschäften trugen sie. Ihre Kundschaft hingegen eher weniger. Irgendwie fanden wir das alles etwas halbherzig, zumal der Selbstschutz ja nur bei FFP2 Masken gegeben sein soll, und die sah man praktisch gar nicht. Dafür gab es jede Menge Stoffmasken... In den Zügen und in der Metro herrschte grundsätzlich Maskenpflicht, aber auch daran hielten sich nur etwa 50% der Fahrgäste. Vom Personal wurde dahingehend nichts eingefordert. Aber das Personal hatte ja auch keinen Freund an Bord...

Montag, 04.04.2022

Irgendwie schienen die Wetterberichte immer unsicherer zu werden, was den Zeitpunkt der Nebelauflösung an der Küste in den nächsten Tagen anging. So gern wir auch hier unten noch was gemacht hätten, so einig waren wir uns auch, dass wir uns das Elend nicht lange mit ansehen. Oben in der Hochwüste soll ab heute bestes Wetter herrschen. Im Idealfall wäre man Dienstag im Hochlicht oder notfalls abends unterwegs nach Barstow. Heute sollte es ab Mittag aufreißen. Wir konnten nur hoffen. Gerade das Abendprogramm mit den dann in dichtem Takt fahrenden Coastern (=Nordlok) hätte ich ja schon gern einmal abgefrühstückt. Tagsüber ist es hier ja total anstrengend. Morgens fahren zwei passende Surfliner (=Südlok) im Stundenabstand und vermutlich im Nebel, dann erst wieder im Hochlicht drei hintereinander. Danach wieder lange Pause, bis die Surfliner eh kein Licht mehr auf der Front hätten.

Heute Morgen schien uns jedenfalls kein Grund zur Eile zu bestehen. Yannick durfte wieder bis 8 schlafen und wir frühstückten in Ruhe. Danach ging es mit dem Auto südwärts. Bereits unerwartet früh ging es dann doch mit Auflockerungen los. Ok, zwar früher als erwartet, aber eben doch erst "rechtzeitig" zur Hochlichtphase. Einen Coaster nahmen wir zwischen San Diego und Sorrento Valley im Rose Canyon. Nix besonderes, aber es passte gerade, und dort kurven die nordfahrenden Coaster mal ganz schön gen Osten. Parken konnte man nebenan auf dem Parkplatz der Universität.


Ein Siemens Charger brummelt mit seinen Plakatwänden durch den Rose Canyon und damit durch die Vororte San Diegos.

Danach ging es zurück nordwärts zum Damm der Batiquitos Lagoon. Wir hatten schon auf dem Weg südwärts gesehen, dass da was mit blühenden Blumen gehen müsste. Während Yannick erstmal für ein Stündchen an den Strand lief, beschloss ich, dass ich lange genug keine Fotos gemacht hätte und fotografierte trotz heftigen Hochlichts den 13-Uhr Amtrak. Wenn die Südfahrer halt alle nur im Nebel oder bei Hochlicht kommen, was will man machen? Leider war uns eben auf dem Weg nordwärts ein südwärts fahrender Güterzug entgegen gekommen. Der hätte ja nun gern eine Stunde später kommen dürfen, dann hätte ich ihn auch an der Batiquitos Lagoon bekommen.


Der spitze Blick von einer Straßenbrücke auf den zweiten mittäglichen Surfliner auf dem Damm durch die Batiquitos Lagoon. Wir schauen von Leucadia nach Carlsbad.

Auf einer Freifläche konnte man nun die Stunde bis zum nächsten Amtrak schön im Schatten in den Blumen sitzen. Mittlerweile hatte ich mehr Angst vor Zecken als vor Klapperschlangen und öffnete denen nun auch Tür und Tor. Aber will man die ganze Zeit nur rumstehen? Och nö! Diese Freifläche war übrigens "abgeriegelt" mit einigen "No Trespassing"-Schildern. Da die Schilder unterschrieben waren mit ATSF Railroad, konnte man sie wohl getrost ignorieren... Die San Diego Subdivision wird nichtmal mehr von der ATSF-Nachfolgerin BNSF betrieben, sondern schon seit vielen Jahren durch die San Diego Northern Railway (SDNR), die dem Coaster-Betreiber North Country Transit District (NCTD) nahe steht. BNSF darf hier Güterzüge fahren, wobei die Zeiten des Berufsverkehrs ausgenommen sind. Und Amtrak schickt natürlich seinen Surfliner auf die Strecke. Im Norden geht die SDNR San Diego Subdivision an der Countygrenze zwischen San Onofre und San Clemente in die bereits gestern erwähnte SCRRA Orange Subdivision über. Fahrdienstlich wird der Verkehr allerdings komplett vom Metrolink Operations Center in Pomona gesteuert.


Unser Hauptschuss mit dem dritten Zug aus dem Mittags-Tripel: Viele blühende Blumen und Surfliner 774. Die Surfliner sind nun fest in der Hand der Charger. (2 Pfähle geext).

Nun testete ich mal einen seitlichen Blick auf den Trestle aus. Dabei musste ich von einem mega feudalen Hotel, das oben auf der Klippe stand, hinunter fotografieren. Der Weg oben um das Hotel herum sowie die Treppe zum Strand waren offenbar öffentlich zugänglich. Von dort gab es einen Nachschuss auf die Trestlebrücke.


Seitlich ist die Trestle-Brücke fast am Ende des langen Damms durch die Batiquitos Lagoon besser zu erkennen. Man versucht, die Strecke überall zu ertüchtigen und zweigleisig auszubauen, wo es bei der dichten Besiedlung irgend machbar ist. Im Zuge dessen werden die Trestles nach und nach in Betonbrücken umgewandelt.

Ein weiterer Amtrak-Nachschuss war noch drin. Dazu zogen wir mal eine Lagune weiter, nämlich zur San Elijo Lagoon. Die Brücke ist zwar im Zuge des hier bereits getätigten zweigleisigen Ausbaus durch eine Betonbrücke ersetzt worden, aber der lange Damm bot allemal ein reizvolles Motiv. Vielleicht habe ich den Weitwinkel-Einsatz eine Spur übertrieben, aber ich fand es zu verheißungsvoll, noch ein Stück Meer mit drauf zu bekommen. Und Weitwinkel hilft gegen Schlonz. Es war leider schwül-dunstig, und es zeigten sich noch jede Menge hoher Schleierwolken.


Durch die San Elijo Lagoon führt bereits ein Zweigleisabschnitt. Der Pazifische Ozean ist immer in Blickweite. Im Hintergrund sehen wir die Häuser von Encinitas.

Nun wollten wir in unserem Konzept umschwenken zu den Coaster-Zügen, also die mit den Nordloks. Als erstes kam für Nordfahrer der Damm durch die Soledad Lagoon südlich von Del Mar ins Licht. Dort entrichteten wir brav unsere Parkgebühr und machten unser Foto.


Der Coaster hat den Hochwasser-Detektor in MP 246,9 passiert und wird gleich das schönste Stück oberhalb des Pazifikstrandes von Del Mar befahren. Die Leute im vierten Wagen haben sogar was davon.

Der Zug war leicht verspätet gewesen, so dass unser Parkschein schon wenige Minuten abgelaufen war. Und da fuhr doch tatsächlich gerade ein Auto der Stadt Del Mar vor und ein Ordnungshüter kontrollierte die Zettel. Bevor er sich über unseren beschweren konnte, hatten wir allerdings abgelegt. Nun war das große Anliegen (zumindest für mich), die lange Trestlebrücke in Solana Beach von der Nordseite aufzunehmen. Irgendwie war das Licht aber noch nicht wirklich auf der Front, so dass ich mich hier für den Rest des Abends festgesetzt habe, während Yannick nochmal nach Del Mar fuhr. Gerade als Yannick abfuhr, fuhr das bereits bekannte Auto der Stadt Del Mar nun auch hier vor...


An der Steilküste von Del Mar kommt Amtrak Surfliner 580 südwärts gefahren. (Baustellengerödel und Klohäuschen geext.)


Und nordwärts ist ein Coaster unterwegs.

Fast hätte ich jetzt geschrieben, es sei ein herrlicher, entspannender Abend gewesen. Herrlich war es hier am Meer definitiv, aber so recht entspannend war es nicht. Dies aber im sehr positiven Sinne, denn es gab viel zu tun! Für nen Amtrak lief man dann doch nochmal zum Südende der Brücke und für zwei Nachschüsse war ich zweimal auf die Klippe North Bluff gestiegen. Man war also ständig in Bewegung. Das beste war aber, dass die im Westen stehenden Wolkenfelder kein Bild vereitelt haben. Als die Sonne mal für 10min durch die Schleierschicht durch sank, war gerade Zugpause. Danach kam das Licht nochmal wunderbar raus.


Ein Surfliner mit den Häusern von Solana Beach und einem Ausläufer der San Dieguito Lagoon.


Blick in die andere Richtung: Die Garnitur mit der alten Lok rollt auf die Trestlebrücke.


Die Trestlebrücke in ihrer ganzen Pracht: Coaster 639 hat den Ausweichbahnhof ("Siding") Del Mar durchfahren, befährt die eingleisige Brücke und geht dann in den neuen Zweigleisabschnitt rund um den Hp Solana Beach. Wobei "Ausweichbahnhof Del Mar" nicht ganz richtig ist, denn bezeichnet werden hier die Einfahrten jeweils einzeln. Zumeist heißen die Einfahrten eines Sidings "Name des Sidings South" und "Name des Sidings Nord" (oder natürlich east und west), die SDNR bezeichnet hier aber das südliche Ende der 0,6 Meilen langen Ausweiche "Del Mar" und das nördliche Ende "Crosby".


Blick von den North Bluffs auf die San Dieguito River Brücken. Leider ist die San Dieguito Lagoon zugepflastert worden mit einem Messegelände, einer Pferderennbahn und anderen Einrichtungen.


Und nun schauen wir entlang des Strandes von Del Mar. Ein Zug ist auch zu sehen :-)

Leider war die alte Lok mit der schönen, fast werbefreien Garnitur heute einen Umlauf später dran als neulich. Aber sie kam dann nochmal um 18:59 im allerletzten Licht vorüber. Danach konnten wir den Tag beenden.


Im letzten Licht kommt nochmal die Coaster-Garnitur mit der alten Lok vorbei.

Wir besorgten uns noch bischen Bier (Y) und Wein (J) fürs Zimmer und checkten im Hoyland Inn Hotel in Carlsbad ein. Wir hatten aus Versehen das Zimmer für morgen Abend gebucht. Der Manager war aber sehr hilfsbereit und sorgte dafür, dass die Buchung über booking kostenfrei storniert wurde und wir heute Abend ein Zimmer bekamen. Dann ging es nochmal zu Panda Express, wo wir diesmal allerdings das Essen zum Mitnehmen bestellten und uns selbiges im Hotel schmecken ließen. Endlich hatte mal wieder was geklappt. Ich war mit dem Tagesergebnis zufrieden. Vielleicht klappen ja morgen die morgendlichen Amtraks noch, danach konnten wir aber definitiv die Pazifikküste verlassen. Und die lange Rückreise antreten.

Dienstag, 04.04.2022

Der Plan stand ziemlich fest. Wir wollten auch bei Hochnebel rechtzeitig zu den beiden Morgen-Südfahrern des Surfliners aufbrechen, da man nicht wissen konnte, wann sich der Nebel auflöst. Doch der Blick aus dem Fenster fiel auf einen komplett wolkenfreien Himmel! Das motivierte ungemein! Unser erstes Motiv hatten wir an der Buena Vista Lagoon zwischen Carlsbad und Oceanside. Für den zunächst kommenden Nordfahrer stellten wir uns etwas seitlicher auf. Im Hintergrund hatte man im Norden Hochnebelbewölkung über der See. Doch dann war der Hochnebel plötzlich überall und auch über uns. Das Bild vom Nordfahrer klappte wenigstens noch.


Abschied vom Surfliner: Zug 567 rollt über die Buena Vista Lagoon zwischen Carlsbad (unsere Seite) und Oceanside (drüben).

Danach hatte es sich aber mit einem Schlag komplett zugezogen. Unser schönes Motiv für den Südfahrer konnten wir uns sonstwohin stecken. Diese Gegend ist einfach nur frustrierend! Wir wollen hier weg! Und das war ja auch bald geplant. Erstmal gab es Frühstück in der nächsten Mäggesfiliale. Danach wollten wir erst unser Programm für den zweiten Südfahrer weiter abspulen und nach Del Mar runter fahren. Doch wir hatten nur noch geschlossene Wolkendecke vor uns. Das schauten wir uns zwei Abfahrten lang an. An der dritten wendeten wir. Wir hatten keine Lust mehr! Über Oceanside - Temecula verabschiedeten wir uns vom Großraum Los Angeles. Schlagartig ging die Besiedlung zurück, es ging in die Berge hoch und die Straßen waren wieder leer. Das kam zumindest mir wie ein zweiter Urlaubsanfang vor. Endlich wieder Einöde!


Bei Aguanga muss ich erstmal ein Bild von der leeren Straße machen. Endlich wieder Einöde!


Steinig ist das Land. Zwischenhalt am Coachella Valley Vista Point. Von hier...


...windet sich der Palms-to-Pines-Highway steil abwärts nach Palm Desert, einem überraschend grünen Retortenstädtchen in der Wüste.

Etwas besiedelter wurde es nochmal in Palm Desert, wo wir eine vorerst letzte Chance zum Tanken nutzten. Diese gepflegten Retortenstädte hier in der Wüste finde ich faszinierend. Auf der I10 ging es nun bis Desert Center. Ab da fuhren wir auf schnurgeraden, gähnend leeren Straßen nordwärts. Bei Freda (das ist kein Ort, sondern nur eine Ortsbezeichnung) erreichten wir die Arizona & California Railroad, für die Freda offenbar Tarifpunkt ist, standen dort doch paar Kesselwagen, die eher nicht nach Abstellern aussahen. An einer längst verflossenen Tanke, die mit Schuhen dekoriert war, gab es erstmal Pinkelpause und paar Hochlichtfotos. Ein Kojote streifte durch das Areal und schaute uns neugierig, aber auch etwas scheu an. Ein Arbeitsfahrzeug bewegte sich hier sogar. Seine "Baustelle" sahen wir etwas später.


Kunst in der Wüste: Die Tankstelle von Rice.

Wenige Meilen weiter kamen wir an unserem ersten Zug vorbei. Der stand allerdings nicht auf den Schienen, sondern zwischen Schiene und Straße. Man war gerade dabei, die Wageninhalte auf LKWs umzuladen, was auf eine noch nicht lange zurückliegende Entgleisung schließen ließ. Der Bahnkörper schien aber schon wieder in Ordnung gebracht, so dass wir uns noch keine Sorgen um unser weiteres Tagesprogramm machten. Wir hatten nämlich gehört, dass irgendwann am Nachmittag, so zwischen 14 und 16 Uhr, der Local von Parker in Richtung Westen, nach Cadiz, starten solle. Den wollten wir "chasen", wie der Anglonese sagt, also verfolgen. Vorher sollte der Zug frühmorgens ostwärts nach Castle Hot Springs und wieder zurück fahren. Parker ist der Betriebsmittelpunkt der Arizona & California Railroad.


Die ACRR besitzt noch diesen schmucken alten Kran.

In Parker angekommen, war der Bahnhof leer. Ok, zwei Loks standen in der Halle und ein Getreidezug (Yannick sagt, das sei ein Zementzug) war da auch abgestellt, aber es lebte noch nichts. Wir fuhren erstmal zu Taco Bell und setzten uns mit dem Fresschen am Bahnhof auf den Beobachtungsposten. Noch vor unserem Bäuerchen fuhr ein SUV mit Chauffeur vor, aus dem eindeutig eine Lokcrew stieg. Der Fahrer leerte den Briefkasten, die beiden Engineers verschwanden im Gebäude. Unser erster Gedanke war: Alles klar, die Spätschicht ist da für den Zug nach Cadiz.

Als die beiden aber wieder rauskamen, in ihre Privat-PKWs stiegen und jeder für sich nach hause fuhr, wurde das Vorfahren der beiden mit Chauffeur eigentlich noch logischer. Offenbar gabelt der SUV die Spätschicht in Parker am Bahnhof auf, fährt mit denen dahin, wo der Zug gerade ist, da ist Crewchange, und die Frühschicht wird zum Feierabend vom SUV wieder am Bf Parker abgesetzt. Später fand Yannick noch eine Quelle, dass der Personalwechsel östlich von Parker stattfände. Wir gingen davon aus, dass der Zug schon irgendwann kommen würde und jedenfalls noch nicht weg sei.

Als die Colorado-Brücke am westlichen Ortsrand ab 15 Uhr langsam Frontlicht bekommen musste, siedelten wir dorthin um und warteten einfach mal auf einem Geröllhügel in der brütenden Hitze. Immerhin ging ein kühler Wind, so dass es sich aushalten ließ. Eigentlich hofften wir ja schon auf eine Abfahrt bis 16 Uhr, um den Zug noch auf der Gesamtstrecke nach Cadiz "chasen" zu können. Nach 15:30 war aber noch nichtmal ein Tröt östlich des Ortes zu hören gewesen, der zumindest auf eine Ankunft des "Ostzuges" in Parker hätte schließen lassen. Wir warteten weiter. Was anderes konnten wir hier ohnehin nicht tun. Aber um 16:15 wurden wir dann doch zappelig. Es war zu ruhig. Wir hatten vermutlich beide im Urin, dass da nichts mehr kommen würde.

Ich erbarmte mich und kraxelte zum Auto runter. Ich wollte am Bahnhof nachschauen und vielleicht jemanden finden, der sich auskennt. Der Bahnhof war im selben Status wie anderthalb Stunden zuvor. Aber es war auch niemand zu finden. Bevor wir die Sache komplett abbrachen, wollte ich östlich des Ortes schauen, ob da irgendwo in der Ferne der Zug zu sehen wäre. War nichts. Noch um ne Ecke rumschauen. War nichts. Vielleicht über die nächste Kuppe noch? War nichts. Letztendlich landete ich an einer kleinen Industrie mitten im Nirgendwo. Hier konnte man weit schauen. Kein Zug.

Zurück in Parker gabelte ich Yannick auf. Wir hofften, vielleicht noch die letzte Stunde des Tages an der Hauptstrecke oberhalb von Needles nutzen zu können. Was für ein Mist. Es könnte doch auch einfach mal was klappen. Aber nicht bei uns. Wir waren sehr enttäuscht, zumal die Infos sich doch so sicher angehört hatten. Und immer wieder tauchen Bilder von der Fuhre mit entsprechendem Lichtstand im Netz auf. Ein kompletter Nachmittag bei Toppwetter für die Katz!

Der Highway 95 nordwärts hatte ziemlich viel LKW-Verkehr. Trotz meist schnurgerader Straße herrschte größtenteils Überholverbot - und das zu recht. Die Straße war ein ständiges Auf und Ab. In einigen Senken hätte man entgegenkommende Autos definitiv nicht gesehen. Vor Needles ging es durch eine einzigartige Felsenkulisse durch. Und wegen eines umgestürzten LKWs gab es am Ende auch noch eine kleine Umleitung.

Wir fuhren direkt hoch zur Arrowhead Junction bzw Bannock, wo ich gerne eine bestimmte Streiflicht-Aufnahme gemacht hätte. Immerhin hatten wir in der Steigung hinter Needles einen Kesselwagenzug überholt, der passende Nachschubloks hatte. Zumindest den müssten wir nehmen können, wobei ein sich von Westen nähernder Stacktrain sicher das Optimum gewesen wäre. Zu unserem Schrecken herrschte da oben Baustelle inklusive einer großen Containerburg als Stützpunkt. Nach anfänglichem Schrecken konnten wir uns aber sagen, dass das unseren Motiven keinen Abbruch tat. Am Ende war es dann tatsächlich der Tankwagenzug, der den Abend nicht zur kompletten Nullnummer werden ließ und den wir von vorn und hinten fotografieren konnten, während die Sonne unterging.


Der Kesselwagenzug passt längenmäßig genau, dass wir in der Rundkehre unterhalb Bannock auch noch seine Schlussloks mit ins Bild bekommen.


Ja, nett, aber wenn man hier mal einen leuchtenden Doppelcontainerzug erlebt hat, wirken die Kesselwagen etwas mickrig. (Beide untere Spitzenlichter ergänzt).

Zurück in Needles bezogen wir erstmal das Days Inn. Zum Abendessen (Frustessen?) ging es ins Restaurant Wagon Wheel, einem einheimischen Diner, das von außen bischen nach Honky Tonk aussah, das aber richtig nett und gemütlich eingerichtet war. Es gab Steak (Y) und Pot Roast (J). Trotz des Frustes hat es uns gut geschmeckt.

Mittwoch, 06.04.2022

Der Plan für unsere Rückreise ließ uns nicht viel Luft, Dinge zu vertiefen oder nochmal zu probieren. Wir mussten nun Tag für Tag paar Kilometer machen, das nützte nun alles nichts. Grob musste man sich an der Strecke des Amtrak Southwest Chief orientieren, also entlang der BNSF Southern Transcon bis New Mexico und dann via Raton Pass und Walsenburg hoch nach Denver. Nix Besonderes also, vielleicht bis auf eine Ausnahme, falls wir denn nach dem gestrigen Erlebnis noch Mut zu Besonderem hätten. Doch dazu später mehr...

Unsere letzte Nacht in Kalifornien liegt nun hinter uns. Nach Minimalfrühstück im Hotel (immerhin mit Pancake Maschine!) gab es tatsächlich noch ein allerletztes Bild in Kalifornien, da uns beim Park Moabi gerade ein Zug im Streiflicht entgegen kam. Dann reisten wir über die Coloradobrücke nach Arizona ein. Natürlich sahen wir auf der ganzen Fahrt keinen einzigen Ostfahrer, wie man ihn im von uns nun angepeilten Kingman Canyon brauchen würde. Gar kein Ostfahrer? Falsch! In dem Moment, wo man schon ernsthaft zweifelte, ob man es noch rechtzeitig ins Motiv schaffen würde, überholten wir dann doch noch einen Ostfahrer. Äh, habe ich "einen" gesagt? Tatsächlich waren es zwei parallel fahrende Stacktrains! Wir gaben alles, mussten aber halt noch den riesigen Bogen durch den Ort Kingman schlagen.


Kurz vor der Colorado-Brücke kommt uns am Park Moabi ein Containerzug im Streiflicht entgegen.

Mussten wir jetzt direkt wieder unseren 5minütigen Streiflicht-Aufenthalt am Park Moabi bereuen? Wir steuerten im Canyon die obere Brücke an, einfach weil man dort am schnellsten mit dem Auto rankam. Und im Prinzip lag dann auch das Wunschmotiv topp zu unseren Füßen, als der erste Zug auftauchte. Das dumme war nur, dass der Zug auf dem unteren Gleis kam. Und damit konnten wir eher gar nichts anfangen. Damit rechnend, dass der zweite Zug dann wohl auch unten kommt, erkletterten wir auch noch die obere Felsebene. Von dort gab es dann den zweiten Zug sehr höbsch.


Wir haben im Kingman Canyon die Felshöhen bezogen und blicken auf einen Containerzug, der auf dem unteren Gleis aufwärts fährt.

Wir richteten uns da oben nun für Blicke in beide Richtungen ein. Irgendwann kam natürlich auch der Hi-Railer vom Dienst auf der oberen Strecke angefahren, womit die ohnehin erstmal erledigt war. Unterwegs waren uns fünf Westfahrer entgegen gekommen, alles hochwertige Containerzüge. Doch nun war auch westwärts der große Strom beendet. Immerhin kam dann noch im schönen Licht ein abwärts fahrender Manifest, über den wir uns gefreut haben.


Abermals auf dem unteren Gleis, jetzt aber in die andere Richtung, kommt ein Manifest abwärts gefahren.

Ansonsten herrschte aber Ruhe auf den Gleisen. Für Bergfahrer auf dem oberen Gleis würde bald kein Licht mehr auf der Front sein. Natürlich war es schön, da oben in der Sonne zu sitzen, wobei es aufgrund des starken Windes ganz schön frisch war. Nach 9:00 fingen zwei Arbeitsfahrzeuge auf dem unteren Gleis an zu arbeiten. Doch nach 9:30 kamen netterweise zwei Bergfahrer, und zwar nun natürlich auf dem oberen Gleis. Sie hatten sogar gerade noch etwas Frontlicht. Das war fein! Und unmittelbar vor unserem Ultimo um 10:30 hornte es von Kingman und es tauchte auf dem oberen Gleis noch ein Talfahrer auf.


Und dann kommt doch noch auf dem oberen Gleis ein schöner Stacktrain angefahren, sogar mit fünf Loks komplett im Elephant-Style.


Es folgt noch ein Autozug, dessen Traktion an dritter Stelle im Santa Fe-Look daher kommt. Wir merken uns mal diese beiden Züge...


Zu guter Letzt kommt noch ein Zug auf dem oberen Gleis abwärts gefahren. Das war jetzt insgesamt nicht viel, aber immerhin ließen sich alle fünf Züge topp umsetzen.

Uns war die Burgerkette In-and-Out-Burger empfohlen worden. Die gab es hier in Kingman. Wir entschieden uns für ein frühes Mittagessen und wurden auch nicht enttäuscht. Danach machten wir uns auf den Weg gen Osten. Uns standen jetzt über drei Stunden Autobahnfahrt bevor. Da die Autobahnen in Arizona deutlich leerer sind als die in Kalifornien und die Leute sich hier doch stärker an die Regeln hielten, war die Fahrt angenehm. Nur der Zustand der Autobahn war schon ziemlich grottig. Da waren so heftige Schlaglöcher drin, dass die ortskundigen LKW-Fahrer sie wenn möglich umkurvt haben. Wir sind natürlich paarmal mitten hinein gesegelt. Damit erhielt das Auto allerdings schon mal einen guten Vorgeschmack auf die Zufahrt zu unserem nächsten Programmpunkt, ahäm...

Der nächste Programmpunkt war die Brücke über den Canyon Diablo zwischen Flagstaff und Winslow. Rechtzeitig zum Ende des Hochlichtes verließen wir die Autobahn. Der auf der Westseite in Richtung Brücke führende Highway 6910 hatte einen kleinen Haken: Er war eine Gravel Road, die vornehmlich aus üblen, teils sehr spitzen Steinen bestand. Aber im Schnitt konnte man vielleicht etwas mehr als Schrittgeschwindigkeit fahren. Es gab sogar ein Verkehrsschild, das vor einer Kurve warnte... In der Ferne hatten wir schon die ganze Zeit einen Containerzug stehen sehen. Ob wir den noch schaffen würden?

Der Weg, der natürlich kein Highway war, wohl aber die genannte Nummer führte, tauchte in einem Wash unter der Bahn durch. Wir waren optimistisch, dass hier nicht plötzlich riesige Wassermassen kommen, parkten unser Auto dort und liefen einen bahnparallelen Weg bis zur Brücke. Die bzw der von ihr überspannte Canyon war schon sehr eindrucksvoll. Rund herum nur flaches Land, und dann plötzlich diese tief eingeschnittene Schlucht, die man auch erst erkennt, wenn man an ihrem Rand steht. Allerdings führte auf der Südseite eine massive Leitung über die Schlucht, die einen all zu seitlichen Standpunkt verwährte. Der erwähnte Containerzug stand offenbar im Bahnhof Canyon Diablo. Der Grund für sein Stehen erschloss sich uns erst viel später. Es brannte nur das obere Spitzenlicht.

Nachdem uns schon auf der Autobahn einige Westfahrer entgegen gekommen waren, tauchte nun, als wir noch eine Minute zu gehen hatten, der nächste Westfahrer überraschend hinter dem stehenden Stacktrain auf. Wir hatten keine Chance mehr und konnten nur hoffen, dass das nicht der letzte gewesen war. Zum Glück tauchte dann wirklich bald noch ein Zug auf, den ich gut auf der Brücke fotografieren konnte.


Kam leider eine Minute zu früh und war wegen des hinten im Bahnhof Canyon Diablo stehenden Zuges auch nicht früher zu sehen: Ein Stacktrain mit einer Ferromex-Lok an zweiter Stelle. Von der Schlucht ist hier noch nicht viel zu sehen.


Nun stehe ich direkt am Canyon Diablo. Zum Glück kam bald ein weiterer Zug angefahren.

So richtig imposant konnte man die Brücke aber nur seitlich darstellen. Yannick war schon ein Stück in die Tiefe geklettert, um nach einem geeigneten Standpunkt zu suchen, bei dem man die Leitung unterfotografieren und den Zug durch die Schluchtränder abschneiden konnte. Denn bei allen seitlicheren Perspektiven gab es natürlich Probleme mit den langen Zügen. Entweder man schnitt sie ab oder man musste so spitz stehen, dass man nicht viel von der Schlucht sah. Eine Fünffach-Lz wäre hier ideal gewesen. Wegen der Leitung machte ich meine Drohne startklar. Blöde war halt, dass der im Bahnhof stehende Zug wie eine Mauer wirkte und man dadurch für fahrende Züge null Vorwarnzeit hatte.

Aber es kam leider auch nichts. Jedenfalls nicht aus der richtigen Richtung. Die Westfahrer waren hatten nun wohl tatsächlich fertig. Das war wieder mal typisch! Aus der anderen Richtung kam nun allerdings der Stacktrain, den wir heute Vormittag im Kingmancanyon fotografiert hatten.


✈ Den kennen wir doch: Fünf Loks im Elephant-Style - einer der Züge aus dem Kingman-Canyon heute früh. Ich nehme mal das Abschneiden des Zuges in kauf, um die Schlucht entlang fotografieren zu können.

Danach flog ich mal zum abgestellten Zug, um den wenigstens für ein Foto zu nutzen. Gerade hatte ich die Bilder gemacht, da näherte sich von hinten nun auch der Autologistikzug, den wir ebenfalls schon von vorhin kannten. Dieser hielt allerdings ein ganzes Stück vor der Brücke an. Offenbar hatte er keine Einfahrt. Sollte da doch noch ein Westfahrer kommen? Nichts tat sich. Eine kuriose Situation. Von beiden Seiten standen jetzt also Züge vor der Brücke, doch nichts tat sich.


✈ Der Stacktrain steht sogar im durchgehenden Hauptgleis des Bf Canyon Diablo! Die anderen Westfahrer mussten alle um ihn herum fahren.

Doch! Am abgestellten Zug lebte es plötzlich! Die Fronttür flog auf und es kamen orange Gestalten heraus, die geschäftig um die Loks herum wieselten. Plötzlich tauchte hinter dem Zug eine Lok auf. Der nächste Westfahrer? Nein, es war nur eine Lok. Und was die vorhatte, wurde schnell offensichtlich. Sie sollte an den stehenden Zug rangiert werden. Da hierzulande bis vors Einfahrsignal rangiert wird, musste die Lok bis auf die Brücke fahren. Yippieh, da hätte ich ja meine Lz auf der Brücke und ich konnte selbige mal in groß und mit Fahrzeug aufnehmen.


✈ Für den einen oder anderen Betrachter ist es vielleicht nur eine unscheinbare Lok viel zu weit rechts auf der Brücke, doch ich hab die Lok ziemlich gefeiert. Die Wahrscheinlichkeit, hier eine Lz zu bekommen, dürfte verschwindend gering sein, und immerhin war die Lok ja doch paar Meter auf die Brücke rausgefahren. So ließ sich die Brücke mal schön in groß seitlich darstellen.

Als das Rangiermanöver beendet war, durfte auch der Autozug endlich weiter. Bald darauf fuhr auch der abgestellte Zug aus. Außerdem kam noch ein Stacktrain von Westen. So konnten unsere Drohnen noch paar Bilder machen. Wobei Yannick ziemlich angesäuert war, da er gleich die zugegebenermaßen imposante und drohnenfreie Perspektive aus der Schlucht heraus aufgesucht hatte. Der letzte Westfahrer war für ihn leider zu früh gekommen, und dann kam nichts mehr in die richtige Richtung bis zum Zuschatten der Schlucht. Wobei ich aus seiner Perspektive auch einen Ostfahrer nicht schlecht fand. Die letzten Drohnenbilder machten wir dann noch zusammen.


Der Blick aus der Schlucht. Diese Montage zeigt, wie es mit einem Westfahrer hätte aussehen können.


✈ Der Autozug, den wir auch schon vom Vormittag kennen, darf nun weiterfahren und erreicht über die Brücke den Bahnhof Canyon Diablo.


✈ Kurze Zeit später darf auch der im Bahnhof stehende Zug endlich weiterfahren. (Zugverband etwas gekürzt).


✈ Der Canyon Diablo windet sich einer Schlange gleich durch die Landschaft.

Die Ostfahrer hätte man natürlich auch gern am nächsten Programmpunkt gehabt. Zweimal habe ich es schon versucht, von der Straßenbrücke am westlichen Ortsrand von Winslow abends Züge im Streiflicht aufzunehmen. Und beide Male war kein einziger gekommen. Ich hatte an das Motiv schon den Vermerk "verschissen" angebracht. Das heißt bei mir, dass ich keinen weiteren gezielten Versuch unternehmen werde. Aber da es uns nunmal hierher verschlagen hatte, wollte ich es nochmal versuchen. Wir juckelten also "Highway 6910" wieder über die spitzen Steine zurück, dann Autobahn bis Winslow, wo wir rund eine Stunde vor Sonnenuntergang ankamen.

Da wir sowohl auf "Highway 6910" im Rückspiegel als auch später auf der Autobahn keinen einzigen Ostfahrer gesehen hatten, schwante mir für Winslow ja schon wieder gar Böses. Doch diesmal mussten wir gar nicht groß warten! Bereits auf dem Weg vom Parkplatz die Brückenrampe hoch war in der Ferne ein helles Licht zu sehen. Wir hatten keine Ahnung, wo der so plötzlich her kam, aber da kam tatsächlich ein richtiger Zug - wenn auch leider nicht auf dem idealeren rechten Gleis, obwohl auf diesem Abschnitt augenscheinlich eher rechts gefahren wird.


Praktisch sofort tauchte der erste Zug für unser Streiflichtbild auf - allerdings auf dem hinteren Gleis, bei dem man etwas spitzer stehen musste, da es etwas tiefer liegt als das vordere. Die Steigung ist hier auch etwas gleichmäßiger.

Wenig später tauchte allerdings noch ein Stacktrain auf dem rechten Gleis auf. Der klappte dann auch richtig gut. Die Nahaufnahmen waren etwas erschwert, weil auf der Brücke ein hohes Gitter aus Maschendraht errichtet worden war. Und von hinten fuhr auch noch ein Gegenzug ins Bild. Aber egal; der Hauptschuss lag weiter hinten und hatte geklappt.


Nun tauchte noch ein Zug auf dem fotogenen vorderen Gleis auf, so dass man etwas seitlicher stehen konnte. Der Zug schlängelte sich schön durch die Neigungswechsel. Yippieh, das hatte schön geklappt!


Während der Zug von eben noch neben uns vor der Einfahrt verharrt, bekommt ein Manifest im letzten Tageslicht Ausfahrt aus dem Bahnhof Winslow.

Auf booking hatte es für Winslow nur die Auswahl zwischen schlecht und teuer gegeben. Deshalb hatten wir das "Brats Desert Inn" in Holbrook gebucht. So mussten wir noch eine gute halbe Stunde mit dem Auto weiterfahren. Die Unterkunft war ein klassisches altes und inhabergeführtes Motel. Zum Abendessen ging es zu Dennys. Paar Tische weiter war ein Typ furchtbar am husten. Hoffentlich war der nicht positiv. Positiv im positiven Sinne war jedenfalls unser Tag gewesen. Es hatte (zumindest für mich) alles irgendwie geklappt, auch wenn jetzt nicht die Züge in Massen kamen.

Donnerstag, 07.04.2022

Nachdem der gestrige Tag also ganz gut geklappt hatte, wollten wir dem heutigen Tag doch mal wieder eine Chance zum Versagen geben. Eine Besonderheit, die wir uns noch anschauen wollten, hatte ich ja noch angekündigt. Hier in Holbrook zweigt die Apache Railway ab. Die hat nur noch extrem wenig Verkehr, beschäftigt sich wohl in erster Linie mit Wagenabstellung und -reinigung. Der Donnerstag sollte unseren Infos zufolge deren einziger Fahrtag sein. Das wollten wir uns mal anschauen. Wohl wissend, dass das auch alles ganz anders kommen kann. Der Sitz der Bahn ist in Snowflake, ein Stück südlich von Holbrook.

Der Wetterbericht hatte heute etwas von -3 bis +22 Grad orakelt. Das konnte klamottentechnisch interessant werden. Bei Mägges gab es einen schweineteuren McMuffin und einen mega billigen Kaffee in large, dann machten wir uns auf den Weg nach Snowflake. Wir spähten paar Motive aus. Der Betriebshof der Apache Railway liegt weit westlich des Ortes Snowflake bei einem Werk. Leider wäre man da nur unter Missachtung eines No Trespassing rangekommen, was wir lieber vermieden. Aber aus der Ferne konnten wir beobachten, dass es noch (?) alles ziemlich ruhig aussah.

Wir tankten noch und parkten einfach mal im ersten potentiellen Motiv. Nach den Erlebnissen von vorgestern waren wir schon sehr skeptisch, ob wir hier heute einen Zug sehen würden. Wenn nicht, wäre es natürlich sehr schade um den mega klaren Morgen und Vormittag gewesen. Unser Konzept sah vor, dass wir, wenn bis 11 nichts gekommen wäre, erstmal wieder ordentlich Kilometer schrubben. Noch bestand allerdings Hoffnung.

10:15 Uhr. Es ist zu ruhig. Wir haben noch keinen Zug gesehen. Aber vielleicht hat die Schicht der Lokführer ja auch erst um 10 Uhr Dienstbeginn. Dann konnte es noch etwas dauern. Yannick flog mal mit seiner Drohne über den Hügel, doch weder bewegte sich was noch war das helle Licht der Lok zu sehen. 10:45. Wir feilen intensiv an einem gepflegten Rückzugskonzept. 11:00. Gemäß soeben beschlossenem Rückzugskonzept lasse nun ich meine Drohne hinter die Hügelkuppe schauen. Wieder nichts zu sehen.


Dieses Viehgitter westlich von Snowflake hatten wir uns nun paar Stunden lang anschauen können. So ist Urlaub ähnlich erholsam wie auf einem Handtuch am Strand liegend...

Das gab mir Rückendeckung, mal eben schnell mit dem Auto bis vor den Eingang des Bw-Bereiches zu schauen. Die Wagenwäscher waren fleißig bei der Arbeit. Diese Wagenwäsche ist nicht so zu verstehen, dass da Güterwagen von Schmutz und Graffiti gereinigt werden, sondern es wird das Innere von Kesselwagen spezialgereinigt. Das sah auch alles sehr professionell aus. Gerade kletterte ein Mann im Schutzanzug aus einem Wagen raus. Doch die Loks, die ich sehen konnte, standen still wie vorhin schon. Und andere Loks oder gar ein bespannter Zug waren nicht zu sehen. Ich fuhr zu Yannick und wir gemeinsam nach Holbrook zurück. Das Finale unseres Rückzugskonzeptes war ein Blick in den Bahnhof Holbrook. Hätte die BNSF inzwischen ihren Anteil zum Wagentausch mit der Apache Railway beigetragen, wären wir nachdenklich geworden. Hatte sie aber nicht. Der Bahnhof sah genauso aus wie heute Morgen (=zwei in den Gleisen verteilte einzelne Wagen).

Wir machten erstmal Mittag bei Carls Junior, einer Burgerkette, die wir noch nicht hatten. Die Burger waren lecker, meine zwei allerdings lütter als erwartet. Hatten wir Frust wegen des vergeblichen Vormittags? Hier muss man etwas weiter ausholen. Das Grundproblem der Tour war eigentlich, dass wir überhaupt in dieser Gegend waren. Für einen Kalifornien-Urlaub gibt es günstigere Flughäfen als Denver... Und so mussten wir halt den direkten Weg entlang der BNSF Southern Transcon zurück fahren.

Da war halt die Idee gekommen, dass wir uns die Transcon vorgestern und heute durch die beiden Nebenbahnen versüßen könnten. Gerade hier in und bei Holbrook hätte ich wirklich keine "Todos" für die Transcon auf dem Zettel gehabt. Insofern war der vertane, aber immerhin sehr entspannte Vormittag verschmerzbar gewesen. Nervig war dieses zweite Mal Pech, dass ausgerechnet bei unserem Besuch nichts fährt, aber schon. Bei anderen klappt sowas immer...

Nun mussten wir allerdings Kilometer machen. Wir setzten uns auf die Interstate, fuhren stramm ostwärts und reisten nach New Mexico ein. Hinter Gallup fingen wir an etwas zu kundschaften, doch ohne Erfolg. Am Bahnhof Thoreau konnte Yannick vermelden, dass der Sonnenstand auf 44,74 Grad gesunken und die Hochlichtphase damit beendet sei. Passend kam auch ein Zug.


Ein Zug mit Hackschnitzeln rollt durch den Bahnhof Thoreau.

Wir hatten eine Fotostelle ein kleines Stück weiter östlich im Netz entdeckt, die wir eigentlich hatten aufsuchen wollen. Auf dem Weg dorthin kam uns bereits der nächste Zug entgegen. Und als wir die Fotostelle gefunden und das Auto verlassen hatten, kam ein dritter Zug. Einer der wenigen Kohlezüge der Tour.


Östlich von Thoreau begegnet uns ein Kohlezug. In der Ebene im Hintergrund gibt es das Netz der Escalante Western Railway, einer Kohlebahn, die leider seit April 2020 nicht mehr befahren wird.

Weiter ging es. Die Landschaft wurde nun unaufregender. Irgendwie hatte ich was mit markanten Bergen auf einem Streckenstück, wo die Autobahn nicht unmittekbar parallel führt, in Erinnerung. Doch war der fragliche Abschnitt sehr spitzlichtig. So landeten wir im altbekannten Motiv bei Laguna, das ich aber immerhin gegenüber früheren Touren etwas optimieren konnte. Gerade der kurze Amtrak passte hier hervorragend. Einige Zeit später und nach leicht verspätetem Umstellen der Kamerauhren auf Mountain Daylight Saving Time kam noch ein Containerzug im schönen Abendlicht.


Das Motiv bei Laguna ist auch mein dritter Anlauf - diesmal ideal mit dem kurzen Amtrak 03 "Southwest Chief", der übrigens diesmal extrem kurz ist. Alles Corona-Nachwirkungen... Immerhin fährt Amtrak die Transkontinentalzüge wieder täglich.


Auch der nachfolgende Güterzug ist so kurz, dass es keiner Vorkehrungen benötigt hätte, um das Zugende natürlich auszublenden.

Das war es dann aber auch. Wir versuchten noch eine andere Variante, doch bis zum Einbrechen der Schatten kam nichts mehr. Eigentlich war nun der Plan, an einer Brücke ostwärts noch die eine oder andere Streifung auszuprobieren. Aber das konnten wir genausogut bleiben lassen, da im Ortsbereich Laguna jetzt für Stunden kein Ostfahrer zu sehen gewesen war. Die hatten sich alle vor Gallup gestaut, doch scheint kein einziger weiter gefahren zu sein.

Das hatte aber den Vorteil, dass wir das angedachte Streiflichtmotiv gar nicht mehr aufsuchen mussten und direkt ins Hotel fahren konnten. Wir hatten das Green Tree Inn im Norden von Albuquerque gebucht. Und vor allem freuten wir uns auf den Inder dort in der Nähe, wegen dem wir auch etwas auf die Tube drücken mussten, denn er hatte nur bis 21:30 auf. Das Essen war dann auch richtig gut und eine große Portion.

Freitag, 08.04.2022

Heute war mal wieder ein Tag mit wenigen zu fotografierenden Zügen, da auf der zu unserem Weg nach Denver parallel führenden Glorieta Subdivision, später Raton Subdivision, praktisch nur der Amtrak fährt. Morgens wollten wir allerdings mit einem verrückten Huhn im Streiflicht starten. Auf der Linie Belen - Albuquerque - Santa Fe verkehrt paarmal am Tag SPNV mit dem Namen "Railrunner".

Das Aufstehen war hart. Erstens war die Nacht nicht so toll gewesen, da das Essen leider doch schwer im Magen lag. Zweitens mussten wir praktisch zwei Stunden früher aufstehen als gewohnt, denn zu der Stunde früherem Aufbruch kam noch die "geklaute" Stunde durch den Zeitzonenwechsel. Aber wir hatten trotzdem vorm Aufbruch noch ein kleines Hotelfrühstück eingeplant. Wir müssen wohl etwas lange Gesichter gemacht haben, als wir in die Lobby kamen und da gar kein Frühstück aufgebaut war. Wir bekamen jeder ein Fresspaket in die Hand gedrückt. Enthalten ein eiskalter Käse-Ei-Sausage-Muffin, ein Blaubeermuffin und etwas Saft. Den erstgenannten hätte man wohl in die Mikrowelle stecken sollen. Und als Kaffee wurde auf den Zimmerkaffee verwiesen, wobei dort nur eine Packung richtiger Kaffee und eine mit entkoffeiniertem Kaffee bereit lag. Wir ließen das Zeug weitestgehend liegen und fuhren los.

Über die Autobahn ging es nordwärts nach Santa Fe. Auch wenn der Railrunner nirgends Frontlicht bekäme, hofften wir mal auf eine schöne Streifung. Wir suchten uns eine Autobahnbrücke auf einer kleinen Kuppe aus und warteten. Als erstes kam sogar noch ein Nordfahrer durch.


Erstmal kommt der Railrunner Schweif voraus nach Santa Fe.


Dann der Gegenzug. Südlich von Santa Fe verläuft die für den Railrunner neu gebaute Strecke in der Mitte der Autobahn. Die alte Anbindung der Stadt Santa Fe an die große weite Welt ist eine Stichstrecke von Lamy an der BNSF Glorieta Subdivision aus, auf der gelegentlich noch ein Ausflugszug fährt.

Danach ging es erstmal zu Mägges nach Santa Fe. Ich nahm mal zum großen Kaffee und dem McMuffin ein Schälchen Haferbrei mit Früchten und Rosinen. Die Früchte und Rosinen waren natürlich jeweils für sich in Plastik abgepackt. Aber es war nicht unlecker. Dann ging es auf der Autobahn weiter ost-nordostwärts. Unsere Aufgabe war nun, die Bahnstrecke nach den letzten Formsignalen abzusuchen. Zeit hatten wir dafür ja genug. Der Amtrak 3 "Southwest Chief" sollte planmäßig 10:30 ab Raton fahren, doch sammelte er bereits fleißig Verspätung.

Soweit wir die Bahnhöfe nicht von der Autobahn einsehen konnten, steuerten wir jeden an und guckten, ob noch Formsignale da sind. Das blöde war halt auch, dass wir dem für uns interessanten Zug entgegen fahren mussten, ihn dann auf zig Meilen zurück verfolgen wollten und dann den Verfolgungsabschnitt ein drittes Mal, nunmehr wieder in unserer eigentlichen Richtung nordwärts befahren mussten. Wie wir mit dem aus dem Licht fahrenden Gegenzug, dem Amtrak 4 umgehen würden, war schon gar nicht klar, denn der war mit über vier Stunden plus im Rennen.

Am Ende unserer Erkundung hatten wir ein ziemlich gutes Bild über die Formsignalsituation. Yannick wollte auf den 3er in Wagon Mound warten, ich hingegen in Levy. Aber das schloss sich auch gar nicht aus; wir trennten uns halt. Für mich in Levy war die Verspätung ziemlich blöde, da ich dadurch kein Seitenlicht mehr hatte. Aber ich wollte ohnehin mit ordentlich Tele reinbrezeln. Nun hieß es warten. Die Verspätung sollte bei unserem letzten Kontakt mit dem Internet stark steigen. In Levy war allerdings trotz der parallelen Autobahn kein Netz. Leider war die Verspätung auch für eines der Motive südlich von Las Vegas (NM) ziemlich blöde. Als das Licht genau in der Achse war, tat sich was. Die bisher allesamt Fahrt zeigenden Signale bewegten sich, das Asig vom Ausweichgleis ("Leave Siding Signal") und das Esig ("Entrance Signal") gingen in die Haltposition. Der Zug kam!


Amtrak Zug 03 "Southwest Chief" war auch heute wieder ziemlich kurz. Auf der BNSF Raton Subdivision durchfährt er gerade den Ausweichbahnhof Lewy. Sobald die Lokspitze das Ausfahrsignal ("Headblock Signal") passiert hat, gleitet der Flügel von der senkrechten Fahrtposition in die waagerechte Haltposition. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war die Bewegung so weit fortgeschritten, dass es nach einem für Deutsche sehr gewohnten Signalbild a la Hp1 aussieht. (Meilentafel entfernt)


Etwas später befindet sich das Signal in der Haltposition.


Wenige Minuten danach rollt er durch den Bahnhof Wagon Mound.

An dieser Stelle möchte ich wenigstens mal paar Sätze über dieses Signalsystem verlieren. Während auf fast allen anderen Strecken, die wir auf dieser und auf vorherigen Touren kennengelernt haben, das Operationsystem CTC verwendet wird, bei dem der Lokführer "ganz normal" über Signale seine Fahraufträge erhält und der Dispatcher die Fahrwege einstellt, haben wir hier eine Kombination aus ABS und TWC.

ABS steht für "Automatic Block Signaling". Während man als Europäer nicht weit von Formsignalen entfernt eine Wärterbude oder ein Stellwerk erwartet, aus dem die Signale durch das Personal vor Ort bedient werden, handelt es sich bei diesem System, das aber nur noch auf dieser Strecke motorbetriebene Formsignale verwendet, um genau das Gegenteil. Es ist ein völlig automatisches System, bei dem niemand irgendetwas einstellt, das also nichtmal ferngesteuert ist und bei dem der Dispatcher nichtmal stellwerkstechnisch angezeigt bekommt, wo die Züge gerade sind. Die einzigen Steuerimpulse für die Signale gehen von den Gleisstromkreisen und in Bahnhöfen von Weichenlagen aus. Das System ist genial logisch ausgeklügelt - vor allem, wenn man bedenkt, dass es 100 Jahre alt ist. Ohne jedes menschliche Zutun sorgen die Signale dafür, dass selbst zwei sich entgegen kommende Züge rechtzeitig zum Stillstand kommen. ABS ist nicht gleich ABS - hier gibt es von Bahn zu Bahn auch noch wieder unzählige Untervarianten. Hier auf unserer Strecke handelt es sich um einen Absolute Permissive Block (APB), und davon wieder die Unterart "Flat Pair ABS".

Der Däne Carsten Lundsten hat die Systeme hervorragend aufbereitet. Da weitere Erklärungen den Rahmen dieses Reiseberichtes sprengen, verweise ich hier gern auf seine englisch geschriebenen Seiten. Seine Beispiele zeigen Lichtsignale, gelten aber für die Formsignale sinngemäß. Grün = Flügel senkrecht, gelb = Flügel 45° gehoben, rot = Flügel waagerecht. Die Lampen der Formsignale haben eine Schaltung, dass sie nur leuchten, wenn sich ein Zug im Abschnitt vor dem Signal befindet. Bitte in dieser Reihenfolge lesen:
1. Absolute Permissive Block (APB)
2. Flat Pair ABS

Damit nun aber nicht zwei Züge, die durch das ABS gerade so Nase vor Nase an einem Blocksignalpaar auf freier Strecke zum Stehen gekommen sind, erst jetzt beginnen, über ein Konzept für eine Kreuzung nachzudenken, gibt es schon noch einen Dispatcher, der etwaige Kreuzungen plant. Der stellt bloß nicht die Signale und Fahrstraßen. Und um die sichere Zugfolge hintereinander folgender Zugfahrten muss er sich auch nicht kümmern. Zur Kommunikation kommt TWC ins Spiel. Das Kürzel steht für "Track Warrant Control". Es handelt sich um eine über Funk übermittelte Fahrerlaubnis, die ähnlich eines deutschen Befehls oder einer Fahrerlaubnis aus dem Zugleitbetrieb auf einem Vordruck festgehalten wird. Und wenn eine Kreuzung ansteht, muss vor dem Fahrt zeigenden Einfahrsignal (je nach Annäherung des Gegenzuges kann es auch Halt erwarten ("Caution", gelbes Licht, Arm im 45°-Winkel) oder Stop, then proceed (rotes Licht, Arm in der Waagerechten) zeigen) angehalten und die Weiche gestellt werden. Wobei man auch das gern praktisch löst, indem man den ersten Zug in das gerade Gleis ("Main Track") nimmt und das Zugpersonal des nun wartenden Zuges die Einfahrweiche für den Gegenzug in das Ausweichgleis und nach dessen Einfahrt wieder in die Grundstellung legt. Bei der Ausfahrt muss keine Weiche gestellt werden, da es sich zumindest hier auf unserer Strecke um Rückfallweichen ("Spring Switches") handelt.

Letztenendes war ich trotz Hochlichtes mit meinen Bildern nördlich und südlich Las Vegas (NM) zufrieden. Die Formsignale waren jedenfalls nochmal gut dokumentiert. Und während Yannick für ein zweites Bild hinter Las Vegas (NM) im Bf Chapelle wartete, wo Christian und ich 2016 den Zug gemacht hatten, konnte ich mal eine der Blockstellen umsetzen.


In Las Vegas (NM) geht die BNSF Raton Subdivision in die BNSF Glorieta Sub über. Auf dieser warten wir erneut auf den Dreier; Yannick in Chapelle...


✈ ...und ich ein Stück dahinter. Der markante Tafelberg befindet sich am Bahnhof Chapelle.


Neben den Bahnhöfen gibt es auch noch eine Reihe Blockstellen mit den alten Formsignalen. Zug 03 passiert die Blockstelle zwischen Chapelle und Blanchard.

In den folgenden Stunden erlebten wir ein Wechselbad aus Freude und Frust. Der stark verspätete Ostfahrer hatte ordentlich Zeit gut gemacht. Eine der wenigen Stellen, wo der sogar schon Frontlicht hätte, war ausgerechnet die Formsignal-Ausfahrt aus dem Bf Ojita. Einziges Problem: Wir hatten schon vorhin bei der Erkundung festgestellt, dass zwischen Fahrweg und Bahn ausschließlich Privatgrundstücke lagen, wieder eine dieser "trockenen Siedlungen" ohne viel Garten, dafür aber mit vielerlei Dingen, die man vielleicht nochmal brauchen konnte, rund um die Häuser. Wir schauten uns das jetzt nochmal an. Aber es sah nicht gut aus! In der Hoffnung, dass wir mal jemanden sehen, den man ansprechen könnte, cruisten wir auf dem Fahrweg hin und her. Ein Grundstück schien verwildert, aber wer weiß, vielleicht haust gerade da ein schrulliger Alter in seiner Holzbaracke und hat seine Schrotflinte locker sitzen?

Dann kam ein Pickup, der auf das Nachbargrundstück fuhr. Ein Typ wie ein Bär, ein Indianer mit tätowierten Armen, stieg aus. Wir sprachen den Mann an. Erstmals auf der Tour wurden wir mit "Howdy" begrüßt. Er war total nett, wusste auch, dass da hinten an der Bahn irgendwelche "old lights" wären und ließ uns die Fahrspur bis an die Bahn hineinfahren. Yippiieh! Wir schauten uns das an, und es gefiel. Gut gelaunt ging es nun erstmal zum Essen nach Las Vegas (NM). Endlich mal wieder Wendys. Es gab zwar nicht das Bestellte, aber was solls... Die Laune sank eigentlich erst wieder richtig in den Keller, als der Amtrak 4 plötzlich wieder massiv eingebrochen war. Wir hatten erwartet, dass er längst in Albuquerque angekommen und vielleicht auch schon wieder ab wäre. Ha, wie konnten wir so ein Vertrauen in Amtrak setzen?

Wir fuhren trotzdem auf eine kleine Siesta ins Motiv. Da stand man schön ungestört. Der Zug war aber erst 15:52 in Albuquerque (ABQ) angekommen. Wollten wir jetzt wirklich drei Stunden warten? Wir machten das von der Abfahrt ab ABQ abhängig. Und die kam und kam natürlich nicht. Der Zug wäre ein topp Spätnachmittagsprogramm gewesen, aber das sollte natürlich alles mal wieder nicht sein. Um 16:28 endlich die Abfahrmeldung. Danach hätte er hier in Ojita vielleicht (!) gerade noch vor Sonnenuntergang vorüberkommen können. Allerdings musste er auch noch mit seinem Gegenzug kreuzen. Und Railrunner in beiden Richtungen blockierten die eingleisige Strecke ebenfalls.

Die Amtrak Livemap zeigte dann auch ziemlich schonungslos, was Sache war. Zug 4 hatte in ABQ maximal den Bahnsteig freigemacht, stand nun aber minimal nördlich herum. Sein Gegenzug näherte sich derweil unaufhaltsam Albuquerque. Wir beobachteten das nur noch als Unbeteiligte. Die Hoffnung auf ein Bild hatten wir begraben, aber es war so schön in Ojita, dass wir dort einfach noch bischen abgehangen haben. Wir waren uns einig, dass wir jetzt sogar gern einen Hi-Railer fotografiert hätten. Es kam aber keiner. So gegen 17:30 machten wir uns auf den Weg. Der Anwohner saß mit seiner Familie beim Grillen und winkte uns nett zum Abschied zu. Morgen am späten Mittag wollten wir in Denver sein, so dass wir es heute noch bis Trinidad schaffen wollten. Der Zug 4 muss noch 50min im Vorfeld des Bahnhofs von ABQ gestanden haben. Er erreichte dann im Laufe des Abends Las Vegas (NM) mit einer Verspätung von 5 Stunden und 8 Minuten. In der Dunkelheit.

Die Landschaft hatte nördlich Las Vegas (NM) den Charakter des Mittleren Westens angenommen. Auch wenn sie nicht mehr spektakulär ist, faszinierte die endlose, hügelige Weite doch sehr - gerade jetzt im Licht der tief stehenden Abendsonne. Mit einem weiteren Mordlust:innen Podcast verging die Zeit schnell. Diesmal war es eine Folge über Entführungen. Ich habe gelernt, dass es nur noch Verbrecherinnen gibt. Klang jedenfalls so, da kann die Kunstpause noch so deutlich sein. Vielleicht sollte man da einen Knacklaut einführen, wie die Eskimos ihn praktizieren. Oder einen Pups :-)

In Trinidad kamen wir im Tower 64 Motel unter. Wieder mal ein schönes klassisches Motel, das nach einem historischen Feuerwachturm benannt ist, zu dessen Füßen es steht. Das Motel bot auch Raucherzimmer an, aber man möge doch bitte vom Rauchen ordinären Tabaks absehen! Als Yannick aus der Rezeption zurück kam, roch er, als käme er direkt aus einer Kifferhöhle...


Alles darf man hier nicht rauchen, im Tower 64 Motel zu Trinidad.

Wir bekamen aber ein herkömmliches Nichtraucherzimmer. Da wir spät zu Mittag gegessen hatten, besorgten wir uns nur paar (dann aber natürlich wieder viel zu viele) Kleinigkeiten aus dem Supermarkt.

Samstag, 09.04.2022

Nach mehreren Tagen herrlichsten Sonnenscheins zeigte der Himmel heute beim Aufstehen ein Wechselspiel aus Wolkenfeldern und klarer Sonne. Nach dem frühen Aufstehen gestern ließen wir es heute Morgen ruhiger angehen. Eine Stunde nach Sonnenaufgang hatte sich über der kompletten Gegend rund um Trinidad eine größere Wolkendecke breit gemacht. Unsere Ambitionen wären gewesen a) der Antrak 3 nordöstlich der Stadt oder b) auf dem Weg nach Denver der eine oder andere Güterzug. Möglichkeit a rückte schon deshalb immer weiter in die Ferne, da der Zug schon wieder 1:40h Verspätung hatte. Tendenz selbstverständlich steigend. Möglichkeit b hätten wir gut einbauen können, wenn die Wolken nicht gewesen wären. Ein Bauzug stand dort irgendwo fotogerecht, ansonsten sahen wir aber auf dem gesamten Abschnitt bis Pueblo keinen einzigen Zug.

Wir waren auch nicht unfroh, die restlichen Kilometer hinter uns bringen zu können. Erst hinter Colorado Springs gab es an der einsam gelegenden Abfahrt 167 einen kleinen Raststopp zu Füßen des Rattlesnake Butte. Irgendwie werde ich diese weite, offene und einsame Landschaft mit den in der Gegend verteilten markanten Bergen und Felsen vermissen.


Abschiedsbild vom Mietwagen unweit des Dörfchens Larkspur. Der RAV4 hat uns gute Dienste geleistet.

Die restliche Fahrt bis Denver verlief reibungslos. Als letztes Mittagessen war natürlich Panda Express auserkoren. Die Bigger Plate selbstverständlich. Bereits auf dem Parkplatz räumten wir unseren Kram zusammen, dann Tanken. Dies war die erste USA-Tour, bei der ich an Tankstellen mühelos mit der Kreditkarte hatte bezahlen können. Statt der gefürchteten Frage nach dem ZIP-Code wurde nun fast immer die PIN verlangt. Und wenn mal der ZIP-Code abgefragt wurde, begnügte sich der Automat mit meiner deutschen PLZ oder fragte danach nach der PIN. So lief das Tanken wesentlich unkomplizierter als in Deutschland.

Zum Luftfüllen der Reifen gab es in der Tanke zwar sogar eine kostenlos nutzbare Anlage, doch hatte die merkwürdigerweise gar keine Bar-Anzeige. Wir gaben einfach überall ein bischen nach, denn wir hatten seit Donnerstag morgens immer für paar Stunden die Reifendruckwarnung. Heute war die Warnung gar nicht ausgegangen, obwohl nichts erkennbar war. Jaaa, Toyota hat das manchmal.

Die Autoabgabe ging dann wieder extrem flott. Wenn den Avis-Mitarbeiter mein Hinweis auf den Steinschlag vom allerersten Tag interessiert hat, hat er sich das nicht anmerken lassen. Von der Reifendruckanzeige habe ich dann gar nicht erst angefangen. Schwuppsdiewupps saßen wir im Shuttlebus. Diesmal ohne den Autoschlüssel noch in der Hosentasche zu haben (siehe Reisebericht 2018).

Einchecken, Sicherheit, alles verlief außerordentlich reibungslos. Unser Flug war als pünktlich angekündigt. Da konnten wir nun nur noch eines tun: Warten. Volle drei Stunden hatten wir noch Zeit.

Auf dieser Tour hatten wir mal wieder überdurchschnittlich viele Personenzüge fotografiert. Darüber freuten wir uns. Wer weiß, vielleicht war das die letzte Tour, bei der man vor den Transkontinentalzügen von Amtrak noch die GE "Genesis" Loks fotografieren konnte. Wir hatten unterwegs recherchiert, dass die nördlichste Transkontinentalverbindung, der "Empire Builder", bereits auf Siemens Charger umgestellt sei. Mit Fortschreiten der Ausliefrung weiterer Langstrecken-Charger der Reihe ALC-42 dürften auch nach und nach die anderen Langstreckenzüge umgestellt werden.

LH 447: Denver 17:45+20 - Frankfurt 11:50

Nach dem Boarding wurden alle Fluggäste dreimal komplett in deutsch und englisch bei Strafandrohung darauf hingewiesen, dass an Bord ununterbrochen eine OP- oder FFP2-Maske zu tragen sei. Diese Deutlichkeit mochte vielleicht nötig sein, da der durchschnittliche Amerikaner das Masketragen bereits wieder verlernt hat. Ich fühlte mich dennoch etwas wie ein Verbrecher behandelt. Spätestens als es losging, dass der Saft durch die Gänge geschubst wurde, musste ich an einen Ausspruch eines Hoteliers auf unserer Slowenienreise im Corona-Jahr 1 denken, der grinsend meinte "Jetzt möchte ich mal sehen, wie Sie mit dem Tuch im Gesicht essen wollen!" Tja, der angedrohte Rausschmiss ließ sich mangels ausreichender Vorhaltung von Fallschirmen nicht mehr realisieren, und so war von einer Sekunde zur anderen die ganze Tragepflicht Makulatur...

Was soll man sonst zum Flug groß sagen? Nach einem Filmchen habe ich versucht, so gut es geht zu schlafen. Aber es ist ja durchaus positiv, wenn nichts weiter zu berichten ist, oder?

Sonntag, 10.04.2022

Zum Frühstück gab es für mich sogar zwei Bagel mit Eiersalat. Yannick mag nämlich kein Ei. In Frankfurt trennten wir uns und ich musste völlig unnötig nochmal durch die Sicherheitskontrolle. Ging aber reibungslos. Eile wäre auch unnötig gewesen, denn am Gate angekommen stand der Flieger bereits mit 15min in der Kreide, woraus dann sogar eine halbe Stunde wurde.

LH 016: Frankfurt 13:00+30 - Hamburg 14:05+25

Der Mittelplatz blieb frei. So konnte ich schön nochmal schlafen. Ich hoffe, ich habe nicht zu doll geschnarcht. Der Anflug auf Hamburg war ein Träumchen. Wir gingen über den Vierlanden in die Tiefe, berührten fast die Sendemasten von Moorfleet und cruisten dann mitten über Dulsberg und Barmbek in Richtung Landebahn. Das Gepäck dauerte etwas, aber um 15:13 saß ich mit nem Liter Milch vom Flughafem-EDEKA in der S-Bahn. Boah, bis Barmbek kamen drei Bettler durch. Aber irgendwie fühlte ich mich trotzdem wohler als in der Metro von LA. Das mag an der absoluten Überzahl des normalen Publikums gelegen haben...

Fazit

Es war wunderbar, mal wieder drüben zu sein. Ich genoss es Tag für Tag: Die Landschaft, die spektakulären Motive, die entspannt-einfache Art sich zu verpflegen, das "Sein". Nach der Corona-Zeit mit ihren Reiseeinschränkungen wusste man das einmal mehr zu würdigen.

Unser "Problem" mit dem Wetter werden sicher nur gleichgesinnte Fotografen verstehen können. Es ging ja was. Wir haben viele schöne Bilder mit nach hause bringen können. Dass das Wetter in Montana "nordisch-unsteter" sein kann, war uns ja klar. Warum sollte da nun auch was gehen, wenn wir kommen. Soweit ok. Wir hatten ja extra den "mittigen" Flughafen Denver gewählt, um uns alle Richtungen offen zu halten. Wenn dann aber gar keine Richtung so richtig gut aussieht, man nur nach dem Prinzip "geringstes Übel" (natürlich nur auf das Wetter bezogen) die Richtung einschlägt und man am Ende im "Sonnenstaat" Kalifornien auch tagelang unter Wolken sitzt, ist das schon doof und auch deutlich schlechter, als der Durchschnitt für den Südwesten normalerweise hergibt. Die Pazifikküste klammere ich mal aus, die ist ja schon eher berüchtigt für ihre Nebel-Situation, aber wir wären halt dankbar gewesen, wenn sich an einigen Tagen die Sonnenchancen im gesamten Südwesten nicht nur auf Barstow und nähere Umgebung beschränkt hätte...

Und, wo wir schon bei "ziemlich großem Pech" waren: Die "Rückschläge" durch Ausfälle oder übermäßige Verspätungen im Zuge unserer Rückfahrt, für die wir nun plötzlich wieder Wetter hatten, können sich auch nicht gerade positiv auf das Fazit auswirken.

Immerhin klappte es punktuell ganz gut: Meist kam ein passender Zug fürs Motiv (hat man in USA auch schon ganz anders erlebt...), wir haben am Anfang den Potash Local trotz früher Lage nicht verpasst und am Mittwoch Nachmittag bei Del Mar hatten wir immerhin paar Risse im Hochnebel, so dass trotz der Wolken wenigstens paar Bilder gingen. Und dass Amtrak angefangen hatte, unmittelbar vor unserem Urlaub wieder tägliche Abfahrten der Langstreckenzüge anzubieten, hat uns sicherlich auch das eine oder andere Bild "gerettet".

Was das "Sein" anging, so war das auch nicht der so ganz typische USA-Aufenthalt, wo wir normalerweise einen Bogen um Großstädte machen. Eine Woche im Großraum LA war verkehrstechnisch schon sehr anstrengend. Ausnehmen möchte ich auch in dieser Beziehung wieder die anderthalb Tage Lompoc. Der Pazifik ist herrlich. Jalama Beach ist wunderbar. Und wir hatten ausreichend Zeit, das Meer und seine Brandung zu genießen. Wie sehr man sich aber doch einsame Highways durch endlose Ödnis wünscht, ging mir so richtig auf, als wir "quer durch" von Oceanside nach Parker gefahren waren. DAS ist USA! Und genau deshalb möchte ich am liebsten schon wieder hin...

Trotz der Enttäuschung über die Gesamt-Wettersituation: Ein "schlechter" Urlaub war es definitiv nicht. Wir haben trotz der Umstände viele schöne Bilder gemacht und durchaus auch das eine oder andere Wunschmotiv mit nach hause bringen können. Es war Urlaub. Hetze ist eigentlich nie aufgekommen. An unseren Motiven herrschte entspanntes Warten. Wir hatten gute Unterkünfte und die Verpflegung auf unkompliziert-amerikanische Art (ein Punkt auf den ich mich im Vorwege besonders gefreut hatte) hat wieder mal einen Riesenspaß gemacht. Zum Glück hatten wir ja auch genug Gelegenheiten, die Kalorien wieder loszuwerden - ob nun durch Stadtspaziergänge oder Klettereien in der Wildnis. Ja, tatsächlich hatte ich mich im Vorwege auf diesen "american way of travel", auf dieses "anders reisen durch eine ganz andere Welt" extrem gefreut. Und das hat voll und ganz geklappt. Da mag man fast jedes entstandene Bild nur noch als "Bonus" sehen. Wie gesagt: Fast ;-)

Und Corona? Nun war es doch fast so, wie wir es uns gewünscht hatten: Nachdem die letzte USA-Tour den Beginn der Corona-Einschränkungen markiert hatte, markierte diese Tour nun doch ein gewisses Ende. Der im Vergleich zu Deutschland doch eher lockere Umgang mit Schutzmaßnahmen in den USA mochte einen guten Vorgeschmack gebracht haben auf das Ende eines Großteils Einschränkungen, das nach der Tour auch in Deutschland eintrat. Alles weitere wird dauern; wir müssen hoffen, dass keine gefährliche Variante mehr kommt.

Zum Eingang . Zum Archiv