Wann ist ein Eisenbahnfoto gut?
Hilfreiche Tipps zur Beurteilung...

Copyright by Jan-Geert Lukner
Stand 1. April 2003

Seien wir doch mal ehrlich. Ist die Eisenbahnfotografie nicht ein ständiger Wettbewerb zwischen den Fotografen? In einer Zeit, in der man nicht mehr Bellingrodt-like allein an der Strecke steht, sondern an schönen Wochenenden ganze Heerschaaren von Fotografen die Strecken säumen, will doch jeder versuchen, auf irgendeine Weise etwas besseres herauszuholen als die Konkurrenten.

Ist es nicht einfach ein Genuss, wenn man nach einem erfolgreichen Fototag die Hobbygenossen in anderen Landesteilen anrufen und sein Mitgefühl äußern darf? "Wie - Ihr hattet heute kein schönes Wetter? Das ist ja Pech, wo doch heute gerade die E03 mit dem stilechten Epoche II-Intercity fuhr. Ja -- ja, bei uns kam er im besten Licht durch. Dazu schöne Fotowolken hinterm Zug. Wie? -- Ja, wirklich schade, dass es bei Euch nicht geklappt hat. Das ist aber wirklich Pech. Ja nee, konntet Ihr denn den unmittelbar folgenden VT 601 machen? -- Nicht? Ach Mensch, so ein Jammer. -- Ja, der ging bei uns. Hatte ne Parallelfahrt mit einer grünen 150, beide Züge fuhren wirklich ideal nebeneinander...".

Was liegt angesichts eines solchen Wettbewerbes näher, als die wirkliche Wertigkeit eines Bildes über Punkte zu ermitteln? Hier kommen die einzig wahren Beurteilungskriterien. Jede mit "ja" beantwortete Frage ergibt den angegebenen Punktwert/-abzug. Bitte diese Liste unbedingt ausdrucken!

ALLGEMEINES

Handelt es sich bei dem zu beurteilenden Objekt um ein Foto?
2
Beantwortung mit "ja" wäre für das Folgende schon mal praktisch...
Ist ein Zug zu erkennen?
5
Suuuper! Aber da wäre noch was...
Ist der Zug auch als solcher zu erkennen?
3
Falls nein: Ist wenigstens die Loknummer erkennbar?
2
Man muss ja wenigstens sagen können, welche Lok man "hat".

MOTIV

Konzentriert sich das Bild auf das Wesentliche, nämlich auf den Zug?
5
Oder...
Lenken störende Elemente wie markante Bauwerke oder eindrucksvolle Landschaft unnötig vom Zug ab?
- 4
Bei lokbespannten Zügen: Hat der Fotograf es verstanden, die Lok möglichst groß draufzubekommen?
1
Es soll Leute geben, die auch die Wagen mitfotografieren...
Sind Personen im Bild?
- 6
Wenn ich Personen sehen will, kann ich mir die Blöd-Zeitung ankucken (insbesondere die letzte Seite...)! Aaaaber:
Handelt es sich bei der im Bild befindlichen Person um einen Eisenbahnfotograf, der mit einem Meter Abstand zum Puffer fotografiert?
1
Gut so! Auch durch Fotografie von wirklichen Profi-Fotografen kannst Du lernen, indem Du auf Deinem Bild genau studierst, wie so ein Profi seine Bilder macht!
Werden schmucklose Teile der Lok wie z.B. das Fahrwerk geschickt durch Bahnsteigkanten oder hohes Gras verborgen?
3
Wahlweise kann das Fahrwerk durch Höherlegung des Bildausschnittes vermieden werden.
Fährt der Zug durch ein Rapsfeld?
- 2
Das vom Feld reflektierte Licht sorgt für einen unnötigen Farbstich, der den Lackton der Lok verfälscht.
Liegen im Vordergrund frisch umgesägte Bäume oder herausgerissene Büsche rum?
3
Glückwunsch! Warum sollte der Eisenbahnfotograf nicht mal zeigen, dass er auch gärtnerische Fähigkeiten besitzt?
Wurden Fahrleitungsmasten am Bildrand unterhalb der Ausleger abgeschnitten?
3
Richtig so! Hinweg mit dem unnützen Getüdel!
Sind größere Tiere im Bild? Während eine kleine durchs Bild fliegende Taube noch geduldet werden kann, gilt folgender Punktabzug für alles größere wie Pferde, Rinder usw.
- 2
Wir sind mit Tieren noch nicht fertig:
Ist das fragliche Tier gerade dabei, sich zu entleeren oder sind gar zwei Viecher dabei, den Geschlechtsakt durchzuführen?
- 5
Der Fotograf is'n Schwein! Sowas fotografiert man nicht!
Ist ein einsames Bahnwärterhaus mit Satellitenschüssel im Bild?
1
Ein eindrucksvolles Zeitzeugnis, das den erschütternden Versuch einiger durch unsinnige Lage von Eisenbahnerwohnungen vereinsamter Menschen zeigt, mit dem Weltraum Kontakt aufzunehmen.
Stand der Fotograf bei der Aufnahme mitten in den Gleisen?
3
Man muss der Aufnahme regelrecht das Heranbrausen eines Zuges von hinten und den Herzschlag des Fotografen (und des Lokführers...) anhören - das ist Authentizität! Die Punkte gibt's aber nicht bei Blutspritzern auf dem Bild!

BELEUCHTUNG

Schien etwa die Sonne???
Bild
==>Tonne!!!
Ich seh' das Elend vor mir: Loknummer im Schlagschatten, weiße Beschriftungen überstrahlt, ich muss kotzen...
Herrschten hingegen optimale Bedingungen, also Himmel unproblematisch grau, gleichmäßiges Licht (damit die Lok auch von allen Seiten fotografiert werden kann)?
4
Mit der richtigen Wetter-Strategie kann das Vierfache an Aufnahmen mitgebracht werden!
Handelt es sich um die Nachtaufnahme eines fahrenden Zuges, dessen Lichter als Linien durch das Bild laufen?
- 7
Sowas kann man als Ufo-Meldung der Blöd-Zeitung verkaufen, aber doch nicht ernsthaft als Eisenbahnfoto deklarieren wollen!
Liegt hinter dem Zug eine drohende schwarze Wolkenwand?
- 3
Sollen die Betrachter jetzt schockiert werden oder was? Dran denken: Auch Kinder schauen sich die Bilder vielleicht mal an.

SELTENHEITSWERT

Stellt das Bild Fahrzeuge dar, die so heute nicht mehr umsetzbar sind? a = Anzahl Jahre, in denen es das Fahrzeug so schon nicht mehr gibt.
a x 0,5
Es handelt sich hier um den sogenannten Ätsch-Faktor, der besonders geeignet ist, andere Fotografen vor Neid erblassen zu lassen.
Wenn das Fahrzeug heute so noch umsetzbar ist: Befinden sich Menschen, Autos, Gebäude, Anlagen oder ähnliches auf dem Bild, die heute so nicht mehr umsetzbar sind?
0
Schön blöd! Zwar anno dazumal fotografiert, aber das falsche Fahrzeug aufgenommen? Was nutzen Leute in Schlaghosen und Ford Tauni auf dem Bild, wenn der Zug nicht interessant ist?
Sind an den Fahrzeugen auf dem Bild Graffitis zu erkennen?
2
Um eine Aufnahme dieses Fahrzeugs in dieser Lackierung werden Dich andere Fotografen beneiden!
Hat sich am Fahrzeug zwischenzeitlich ein Detail verändert (z.B. Türgriff zwei cm höher) und ist dies auf dem Foto deutlich zu erkennen?
3
Hier zeigt sich der Blick fürs Wesentliche, der einen guten Eisenbahnfotografen auszeichnet.

FOTOTECHNIK

Ist das Bild sehr körnig?
3
Joooup! 400 ASA zur Mittagszeit! Da muss das Bild einfach was werden. Für Leute, die auf Nr. Sicher gehen wollen.
Handelt es sich um ein Farbbild?
3
Was nutzt ein Bild vom "Adler" im Planbetrieb, wenn man die Farbe der Lok nicht erkennen kann?
Wurde das Bild zwei Blendenstufen überbelichtet?
5
So holt man noch jedes Detail aus dem Schlagschatten heraus...
Ist die Lok auf dem Bild bei einer Nachtaufnahme per 1,50m-Blitz gut ausgeleuchtet?
1
Es ist ja so einfach: Nah genug rangehen ist alles!

Es wird also schon ziemlich deutlich, dass ein Spitzenbild eine Farbaufnahme des Adlers aus den ersten Einsatzjahren bei bedecktem Himmel sein muss, auf dem der Adler (mit deutlich sichtbar um 2 cm höher gelegtem Türgriff) mit Graffiti "angereichert" sein sollte und geschickt zwischen einem fotografierenden Fuzzi und einem Bahnwärterhaus mit Satellitenschüssel "einzufrieren" ist. Die Kamerahaltung musste dabei so geschickt sein, dass weder vom Fahrwerk, noch vom Fahrdraht etwas zu sehen ist.

Hier zeigt sich also deutlich der wirkliche Anspruch in der Eisenbahnfotografie.

Die Auswertung

Für Dich als Fotograf ergibt sich aus den Punkten nun die wunderbare Möglichkeit, Deine Fähigkeiten selbstkritisch unter die Lupe zu nehmen. Was das Punktergebnis über Dich als Fotograf aussagt, kannst Du im Folgenden nachlesen:

Ihr habt Euch diese Eisenbahn-Fotobeurteilungsliste ausgedruckt? Prima! Dann habt Ihr etwas zum zerreißen! Viel Spaß dabei wünscht
Euer Blockwärter.

Zurück zum Studio . Zurück zum Eingang