Die Amerikalinie

Einst war sie eine bedeutende Hauptstrecke, heute dürfte sie zu den Strecken mit den geringsten Personenkilometern in Deutschland gehören: Die Amerikalinie. Der heute so bezeichnete Abschnitt von Uelzen nach Langwedel (-Bremen) war nur ein kleiner Teil der Magistrale Berlin - Bremen - Bremerhaven, über die Hunderttausende von deutschen Auswanderern aus Ost- und Westpreußen, Posen und Pommern die erste Etappe auf ihrem Weg ins "gelobte Land" absolvierten.

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Die Bilder:
Am 27.03.1989 war in Uelzen an die Umgestaltung des Bahnhofs im Stil des österreichischen Künstlers Friedensreich Hundertwasser noch nicht zu denken. Preußisch korrekt präsentierte sich der Bau den Reisenden des E 6571, der von zwei Loks der Baureihe 216 aus Bremen kommend auf die Westseite des in Insellage angelegten Bahnhofs gezogen wurde.
Zum Vergleich kommt hier ein Bild des Empfangsgebäudes vom 02.01.04. Anlässlich der Expo 2000 wurde der Bahnhof zum "Hundertwasser-Bahnhof" umgebaut, wobei möglichst keine geraden Kanten mehr vorkommen sollten. Auf der Bahnhofs-Ostseite steht ME 82124 zur Abfahrt nach Hamburg bereit.
Die zweigleisige Zeit der Strecke ist längst vorüber. Die erste Möglichkeit für Zugbegegnungen hinter Uelzen ist der Bahnhof Ebstorf, vor dessen mächtigem, aber unbenutzten Empfangsgebäude am 07.08.1997 RB 8574 einfährt.
Schnurgerade verläuft die eingleisige Strecke auf ihrer zweigleisigen Trasse nun durch die leicht hügelige Landschaft. Auffällig ist hier wie an der gesamten Strecke die Telegraphenleitung, deren Masten noch recht frisch wirken. Östlich des Haltepunktes Brockhöfe rollt RB 34792 am 08.08.03 dem Abendlicht entgegen.
Hinter dem Hp Brockhöfe wird die Landschaft noch einsamer als zuvor. Der Schienenstrang führt nun geradewegs in die ausgedehnten und am 22.03.1989 leicht nebelverhangenen Waldgebiete der Truppenübungsplätze rund um Munster. Der reichhaltigen Bundeswehr-Präsenz in Munster verdankte die Strecke ihren "Starzug", den D 2544 Munster - Krefeld, der freitags die Soldaten in ihre Heimat brachte. Als Zuglok kam kurioserweise bis Uelzen eine 212 zum Einsatz. Hier zu sehen ist der Leerzug auf dem Weg nach Munster Lagerbahnhof.
Den Wochenendurlauber-Zug gab es am 12.05.2000 noch immer. Allerdings präsentierte sich das Aussehen des Zuges bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof Munster eine Spur moderner, und das Zugziel hieß nun aufgrund der neuen Verkehrsströme in Deutschland nicht mehr Düsseldorf, sondern Leipzig. Für seine Fahrt nutzte der D 1149 die wiedereröffnete Verbindung Uelzen - Salzwedel. Eine Fußnote im Fahrplan gibt damals wie heute darüber Auskunft, dass der Zug bereits im Bundeswehr-Anschluss von Munster beginnt.
Dank der OHE wird Munster auch noch im Güterverkehr bedient. Am 12.05.2000 fand die Bedienung in Ringform statt. Der Zug 80137 hatte von Celle her bereits Unterlüß und Uelzen bedient und wird nach Umsetzen der Lok (hier zu sehen) über die OHE-Strecke mit Kopfmachen in Beckedorf wieder nach Celle gelangen. Heute wird Munster nur noch über die OHE-Strecke bedient.
Hinter Munster führen Gleis und Telegraphenleitung wieder kilometerlang durch Wald und Sperrgebiet. Neben den "langen" Triebwagen der Reihen 614, 624 und 634 gelangen vereinzelt auch 628.2 auf die Amerikalinie. Ein solcher näherte sich als RB 25832 am 18.06.2000 der Anschlussstelle Soltau Ost und dem dort gelegenen Gewerbegebiet.
Unverkennbar nähert sich der RB 25842 ein Stück weiter dem Bahnknotenpunkt der Lüneburger Heide schlechthin: Soltau. Auch heute noch kann man auf sechs verschiedenen Strecken, die allesamt nicht gerade übergeordneten Interessen dienen, die Stadt in der Südheide erreichen. Zwei davon muss RB 25842 auf seinem Wege von Uelzen unterqueren: Die OHE-Strecke von Winsen bzw Lüneburg mit ihrer feuerroten Stahlträgerbrücke und ein Stück später die nördliche Heidebahn von Buchholz.
In Soltau ist die Zeit stehen geblieben. Auch heute noch präsentiert sich der Knotenbahnhof im Charme der Deutschen Bundesbahn. Lediglich die Züge haben sich ein wenig gewandelt - eine Zuggarnitur mit Umbauwagen wie den E 6572 am 27.03.1989 wird man hier nicht mehr finden.
Stellwerk, Formsignale und Bahnsteig - an der Infrastruktur sind fast genau 13 Jahre nahezu spurlos vorüber gegangen. Einer der letzten 614er in mintgrün/weißer Lackierung verlässt den Bahnhof Soltau am 29.03.02 als Lt 74135 ostwärts.
In der Westausfahrt verlässt die südliche Heidebahn unsere Route und nimmt Kurs auf Walsrode, während RB 34786 am 02.03.02 mal wieder die Verfolgung der Telegraphenleitung in westlicher Richtung aufnimmt. Im Zug spiegelt sich das Vorsignal für die Ostausfahrt, dessen Standort aufgrund der Länge des Bahnhofs nicht beim Einfahrsignal, sondern ein Stück dahinter platziert ist.
Das Einfahrsignal ist als Zwergensignal angelegt, damit die Lokführer der Züge von Bremen unter der Brücke der ehemaligen OHE-Strecke nach Neuenkirchen hindurch die Signalstellung erkennen können. Am 25.03.1998 wurde der Kurzzug des RB 8570 von besagter Brücke, über die jetzt ein Fußweg führt, bei der Ausfahrt aus dem Soltauer Bahnhof beobachtet.
Hinter Soltau verschwindet die Amerikalinie wieder in unendlichen Waldgebieten. Die Garnitur aus 614-Triebköpfen und 934-Mittelwagen hat am 23.04.05 als RB 24284 das westliche Einfahrvorsignal von Soltau weit hinter sich gelassen und nähert sich der einsamen Ortschaft Leitzingen, die nur aus einigen verstreuten Höfen besteht.
Erst nach 15 Kilometern durch die Einsamkeit erreicht die Bahnstrecke wieder eine größere menschliche Ansiedlung: Visselhövede. Am 12.05.2000 kurvt RB 25834 aus dem Wald heraus in den Bahnhof, dessen Zeit als Abzweigbahnhof schon lange vorüber ist und an dessen Ostausfahrt sich das hübsche Weichenwärter-Stellwerk Vo befindet.
Der Blick auf die Westausfahrt lässt erahnen, dass die Gleisanlagen mal umfangreicher gewesen sind. Immerhin verfügt der Bahnhof Visselhövede, der mit neun Personenzug-Paaren nicht gerade ein üppiges Verkehrsangebot zu bieten hat, noch über Ladegleise, die dank der OHE auch noch genutzt werden. Mehrmals die Woche werden hier Holzwagen abgeholt. Als RB 34780 am 29.03.02 den Bahnhof verließ, war an der Ladestraße allerdings nichts los.
Lange hielten sich auf der Amerikalinie kurze lokbespannte Züge, die aus alten Schnellzugwagen von Bundes- und Reichsbahn gebildet wurden. Am 12.05.2000 beschleunigt eine solche Garnitur als RB 25838 aus dem Bahnhof Visselhövede westwärts.
Die Amerikalinie gehört zu den letzten Einsatzstrecken der auch als "Quadratschädel" bezeichneten Baureihe 634. Ein Vertreter dieser Baureihe passiert am 30.04.04 ein von Raps umgebenes Bahnwärterhaus westlich von Visselhövede.
Zwischen Visselhövede und dem an der Hauptstrecke Hannover - Bremen gelegenen Langwedel halten die Regionalbahnen 24 Minuten lang nicht an. Gemächlich geht es über Felder und durch Dörfer und nicht zuletzt durch den aufgelassenen Bahnhof von Kirchlinteln, dessen Formsignale am 15.04.04 noch standen, als RB 24286 durchbrummelte.
In den letzten Jahren gab es einen triftigen Grund, an der Amerikalinie keine Bilder zu machen. Die Zugfolge war ja schon gering genug, doch hinzu kam, dass die Triebwagen des Betriebshofes Braunschweig für ihre Beschmierung mit Graffiti bekannt waren. Nachdem in dieser Galerie die verunzierten Züge bisher der Zensur durch den Blockwärter zum Opfer gefallen sind, muss nun stellvertretend für die 50% beschmierten Züge der RB 24285 des 15.04.05 zwischen Langwedel und Kirchlinteln gezeigt werden.
Kehren wir zurück zu einer Zeit, als Spraydosen noch nicht auf Züge gerichtet wurden und die letzten grünen Umbau-Vierachser in der Heide unterwegs waren. Von Bremen kommend kann die 216 mit ihrem E 6579 auf der Hauptstrecke bei Etelsen am 23.03.1989 nochmal alles geben, bevor ab Langwedel die Bummelei über die Amerikabahn beginnt.
Im Hauptbahnhof der Hansestadt Bremen enden die Züge der Amerikalinie, denn der Bedarf an durchgehenden Zügen nach Bremerhaven mit Anschluss an die Schiffe "über'n Teich" ist in den letzten Jahrzehnten doch spürbar zurückgegangen. Ob die Fahrgäste des RB 24285, der am 14.06.05 in Bremen bereitgestellt wird, einen Gedanken daran verschwenden, dass auf "ihrer" Bahnstrecke schon potentielle Tellerwäscher und Millionäre befördert worden sind?

In Soltau besteht Anschluss an die Galerie über die südliche Heidebahn Soltau - Langenhagen.

Alles über die Heidebahnen und ihre Geschichte erfahrt Ihr nirgends besser als auf Heidebahn.de von Stefan Drewke.

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