USA: Einmal quer durch (2)

Copyright by Jan-Geert Lukner

Freitag, 03. April 2009: Nachtzug an Albuquerque NM - Belen NM

Zur Erinnerung: Die Frau im Nachbarabteil hatte gegen Mitternacht ihr Hust- und Röchelkonzert begonnen. Und meine Ohropax lagen unten im Koffer! Sehr schlau geplant, Herr Lukner!

So richtig einschlafen konnte ich jetzt nicht mehr. Etwas mit MP3-Musik aufs Bett gesetzt und auf die mondbeschienene Landschaft hinaus geschaut. Irgendwann nach 2 Uhr konnte ich dann aber doch einschlafen. Zumindest, bis es im Wagen so ab 5.30 wieder lebendiger wurde. Gegen 7 Uhr machten wir uns auf den Weg zum Frühstück. Heute nahm ich mal "Railway French Toast" mit Frühstückssirup und Bacon. Das sind Kombinationen, gell? Am Tisch diesmal ein Ehepaar aus der Ecke von Chicago. Auch mit ihnen sehr angeregt unterhalten. Beide Männer (der gestern und der jetzt) verrieten übrigens, dass sie davon träumen, mal in Deutschland auf der Autobahn zu fahren. Ahem, da können wir uns auf unser nicht vorhandenes Tempolimit ja wohl richtig was einbilden...

Beim Frühstück im Diningcar.

Nach dem Frühstück konnte man aus dem reichhaltigen Angebot an Restrooms auswählen, um die morgendlichen Geschäfte abzuschließen. Was für eine Wohltat gegenüber dem letzten Nachtzug! Danach zogen wir sogleich in das Observation Car um, das noch schön leer war, so dass wir auch mal paar Fotos von dem sonnendurchfluteten Wagen machen konnten. Im westlichen Kansas zogen noch paar Felder vorbei, aber es gab schon sehr viel wilde Fläche. Das Landschaftsbild veränderte sich vollends mit der Grenze zu Colorado. Nun ging es nur noch durch Steppe. Rinderherden mit vielen kleinen Kälbern mussten sich mühsam auf kleinen Stoppelfeldern ihre Nahrung suchen, doch irgendwann vor La Junta gab es nichtmal mehr diese kleinen "Beete".

Der sonnendurchflutete Panoramawagen. Es gab seitliche Plätze und normale Vierersitzgruppen. Die Vierersitzgruppen hatten den Vorteil, dass man auf beiden Seiten gut rausschauen konnte.

Hinter La Junta rückten die Rocky Mountains langsam näher. Eine eindrucksvolle Landschaft! Eines der schönsten Streckenstücke war in meinen Augen die stetige Steigung und das anschließende Gefälle vor Trinidad. Hier führt die Strecke durch weite, aber hügelige Steppe und eröffnete uns phantastische Ausblicke. Von der Trassierung jedenfalls aufwändiger war der Abschnitt von Trinidad nach Raton. Die in der Steigung hinter Trinidad sogar zweigleisig trassierte Strecke wand sich über einen Pass hinüber, der durch einen Tunnel "gekrönt" wurde. Die gesamte Strecke wurde fast im Schritttempo zurückgelegt. Güterzüge sahen wir gar keine. Na ja, das ist nicht ganz richtig. In fast jeder Ausweichstelle dieser offenbar nur von dem täglichen Amtrak-Paar genutzten Strecke standen abgestellte Containertragwagenzüge. Kleiner Gruß von der Konjunkturkrise.

Draußen zieht die Steppe am Fenster vorbei. Langweilig wird es uns dabei allerdings nie...

Viele dieser Ausweichbahnhöfe (hauptsächlich zwischen Raton und Lamy) waren mit Semaphors, also Formsignalen gesichert. Selbst einige Blocksignale auf freier Strecke waren Formsignale. Ich verbinde Formsignale ja immer mit örtlicher Besetzung. Doch das war hier wohl weit gefehlt! Es war definitiv nicht so, dass hier Menschen auf einsamem Posten auf den einzigen Zug des Tages warteten. Offenbar wurden die Formsignale elektrisch angetrieben und genauso ferngesteuert wie die Lichtsignale auch.

In Raton war paar Minuten Aufenthalt, die wir für ein Bahnsteigbild mit dem hübschen Empfangsgebäude nutzten. Danach war dann irgendwann Mittagessen angesagt. Dabei sahen wir erstmalig unsere Abteilnachbarin. Zum Glück hatte sich der Restaurantwagen um 13 Uhr so weit geleert, dass wir uns an einen anderen Tisch setzen konnten. Sie führte jedenfalls lauthals Selbstgespräche und wurde - ganz entgegen amerikanischer Gewohnheiten - kaum beachtet. Unsere "heitere" Bedienung nutzte das abklingende Mittagsgeschäft, um allen Anwesenden den Witz von Queen Mum und DollyParton zu erzählen, die beide in den Himmel wollen, in dem aber nur noch ein Platz frei ist. Als sie uns nach der Zeit fürs Abendessen fragte und wir antworteten, dass wir in ABQ raus müssten und per Leihwagen die restliche Strecke zurücklegen würden, meinte sie, das sei auch gut so. Das konnte man jetzt so oder so verstehen... Einen Typ, der verspätet zum Mittagessen erschien, schickte sie gleich runter in die Küche, damit er dem Koch helfen sollte...

Im Bahnhof Raton ist einige Minuten Zeit, die Beine zu vertreten.

Die ersten Wolken sahen wir eigentlich erst, als wir uns Albuquerque (ABQ) näherten. Nördlich der Stadt hing es richtig dicke in den Bergen, aber auch die Stadt selbst wurde durch große Wolkenfelder verdunkelt. Vorher konnten wir die Neubaustrecke des "verrückten Huhns" (so nannten wir den NM Railrunner, den neuen Nahverkehrszug für New Mexico) erkennen, die in einer breiten Schneise durch die Wildnis aus Richtung Santa Fe auf unsere Strecke traf. Vor ABQ kam der Hinweis im Zug, dass nun länger Aufenthalt sei, dass man aber rechtzeitig zurück sein solle, denn der nächste Zug führe erst in 24 Stunden. In ABQ war es ganz schön warm! Erste Bäume in der Umgebung zeigten erstes zartes Grün. Wir stellten uns einfach mal auf den Bahnsteig, denn jetzt sollte zumindest mal ein Bild vom verrückten Huhn gemacht werden. Wahre Menschenmassen wartete am Halteplatz des Railrunners und nach 16 Uhr wurden Züge in beide Richtungen bereit gestellt.

Leider hing da halt diese Wolkenbank über der Stadt. So konnten wir die Menschenmassen nur ohne Sonne verarzten. Und der Nordfahrer fuhr ab, ohne einen Sonnenstrahl gesehen zu haben. Der Südfahrer erhielt jedoch eine Minute vor Abfahrt endlich die ersehnten Sonnenstrahlen! So konnten wir erste schöne Bilder vom "verrückten Huhn" machen, dessen Design an eine Comicserie "Roadrunner" angelehnt ist. Dummerweise hatte ich das Auto erst für 18.30 gebucht. Zu der Zeit wäre ein Linienbus zum Flughafen gefahren. Aber andererseits waren wir am Bahnhof praktisch "durch" und hätten doch gern schon mal einen Vorstoß an die Strecke unternommen. Deshalb suchten wir also einen Taxistand, fanden jedoch keinen. Am Amtrak-Schalter wurde uns gesagt, dass normalerweise Taxen vorm Bahnhof stehen würden.

Ohne Sonne, aber mit Menschenmenge. Der "New Mexico Railrunner Express", kurz NMRX oder für uns einfach das "verrückte Huhn", wird bereitgestellt und von zahlreichen Menschen erwartet. Der Amtrak Zug steht derweil in unserem Rücken.

Die nebeneinander liegenden Bahnhofsgebäude von Amtrak und Alvarado Transportation Center vereinen alles, was es so an Verkehr in Albuquerque gibt, unter anderem auch den Busbahnhof. Es fehlte leider nur der Autoverleih.

Wir warteten einfach mal. Bald erschien tatsächlich eine Taxe, mit der wir zur Auto-Verleihstation des Flughafens fahren konnten. Die Fahrerin outete sich als "Zugverfolgerin". Allerdings ging es ihr dabei weniger um Fotos, sondern darum, dass sie schon häufiger Reisende, die den langen Aufenthalt des Zuges überschätzt hatten, hinter dem Zug her zur nächsten Station fahren musste. Das konnten schon mal zwei Stunden Fahrt bis Gallup sein... Ärgerlicherweise erfuhren wir am Alamo-Schalter am Flughafen, dass er mir das Auto erst um 18.30 buchen könnte, weil ich einen voraus bezahlten Tarif hatte und er mir bei Änderung der Zeit einen anderen Tarif hätte geben müssen. Das war insofern ärgerlich, da draußen mittlerweile das herrlichste, klarste Licht herrschte. Aber man hat ja genug zu schreiben, so dass die gute Stunde auch einigermaßen zügig verging.

Wenn schon so viel Zeit ist, kann man ja auch mal am Flughafen fotografieren. Zu sehen ist allerdings ausschließlich das Leihwagen-Terminal. Der eigentliche Flughafen ist noch ein Stück weg. Alles war sehr sauber und freundlich gestaltet. Und im Vordergrund tanzt gerade jemand für uns das gute Wetter herbei...

Selbst als ich um 18.25 am Schalter erschien, musste ich mit der Buchung noch 5 Minuten warten, unglaublich... Aber dann hatten wir eine Karte in der Hand, auf der zu entnehmen war, dass unser Auto auf Platz 38-41 stände, Schlüssel sollte stecken. Auf den genannten Plätzen standen nun aber zwei verschiedene in Frage kommende Autos. Wir begutachteten die Bodenfreiheit, die bei einem weißen Nissan Rogue S AWD etwas besser als bei dem anderen Model war. Zwar mag Weiß nicht gerade die ideale Farbe sein und der Wagen machte einen etwas plastehaften Eindruck, aber er fuhr sich ganz nett. Und er hatte ein Arizona-Kennzeichen (da würden wir ja durch kommen), während wir den anderen Wagen ganz schön weit von seinem Heimatland Colorado entfernt hätten.

Die ganze Aktion hatte nun so viel Zeit in Anspruch genommen, dass wir den Gedanken an Streckenaufnahmen vom verrückten Huhn aufgaben und gleich das Hotel aufsuchten. Wir hatten ja zwei Nächte im Super8-Motel in Belen, ein Stück südlich von ABQ, gebucht. Durch regelrechten Wüstensturm gelangten wir auf der Autobahn schnell dorthin. Als wir ankamen, war es bereits dunkel. Zum Abendessen gab es was aus dem örtlichen Supermarkt. Aber etwas muss ja nerven: Auf dem Nachbargrundstück klappert der Deckel einer Mülltonne laut im Sturm...

Samstag, 04. April 2009: Belen - Santa Fe - Belen

Dank Ohropax habe ich wunderbar und tief geschlafen. Morgens in der Lobby einen Happen eingeschmissen. Mit dabei waren einige nach Truckern aussehende Typen. Wir überlegten, dass das auch Lokführer sein könnten, weil Belen ja großer Personalwechselbahnhof an der transkontinentalen BNSF-Güterpiste ist. Diese Güterstrecke führt südlich an ABQ vorbei. Ein Stück östlich befindet sich das letzte eingleisige Stück dieser Strecke, das durch den Abo Canyon führt. Der Eingang zu diesem Canyon war dann auch das erste Ziel des heutigen Tages. Wir waren guter Dinge, denn es war praktisch wolkenlos. Nur an den Bergen hingen einige Wolken.

Es war ein völlig neues Fahrgefühl, auf einer schnurgeraden Straße durch die Pampa zu rollen. Das war bestenfalls mit dem Saltfjell in Norwegen o.ä. zu vergleichen, wobei die hiesige Wüste doch noch etwas größer wirkte. Jetzt wurde es leider schwierig, die richtige Zufahrt zum Fotostandpunkt zu finden. Eine auf unserer Google Karte verzeichnete Fahrstraße war mit einem Gatter abgesperrt. Wir versuchten mal den Diablo Drive, eine Naturpiste, die offenbar zur Erschließung künftiger Wüstengrundstücke dienen sollte. Bereits am Eingang zu dieser Straße begrüßte uns die Information "Private Property". Etwas weiter kam das unvermeidliche "No Trespassing". Wir fuhren trotzdem weiter.

Am BÜ der Hauptstraße gab es schon mal ein erstes Zugbild.

Auf dem nächsten Schild kam dann die Drohung "Neighborhood is watching", so so. Man muss sich das vorstellen: Kilometerweit ist nur Steppe zu sehen, das einzige Haus mindestens drei Kilometer entfernt, aber die Nachbarschaft wotscht also. Nun denn… Da der Drive nun von der Bahn wegdriftete, fuhren wir unverrichteter Dinge zur Hauptstraße zurück.

Einzige Zufahrt ohne irgendein Verbotsschild war der Unterhaltungsweg der BNSF direkt an der Bahn entlang. Gerade waren Güterzüge in beiden Richtungen durch, also hinein! Wir kamen bis zum östlichen Ende der Betriebsstelle Sais, wo die Strecke eingleisig wird. Hier gingen offenbar gerade Bauarbeiten zur Verlängerung der Zweigleisigkeit bis fast an die Kurve in die Berge der Vollendung entgegen. Weiter kamen wir nicht. Wir stellten das Auto hin und liefen zwischen Gleis und Grenzzaun des Bahngeländes zu den ersten Hügeln, von denen aus man in beide Richtungen gut was machen konnte - das hatte ich auf Railpictures.net gesehen.

Die Ausbauarbeiten störten auch gar nicht so im Bild. Viel ätzender war jedoch die in den Bergen hängende Bewölkung. Wir waren nämlich jetzt in diesen Bergen, in denen fett und stationär diese paar Wolken hingen. Rund um uns herum also Sonnenschein, bei uns jedoch nicht. Suuuper. Dazu ein eisiger Sturm, der von der Ebene hereinfegte. Freuen konnten wir uns, dass der von verschiedener Seite angekündigte starke Güterverkehr wirklich stattfand. Teilweise stauten sich sogar zwei Züge vor der Eingleisigkeit und mussten zwei Gegenzüge im Blockabstand passieren lassen. Nun, wir würden uns noch einige Tage mit dieser Strecke befassen. Für heute brachen wir jedoch ab, weil die Wolken eher zunahmen und kein Stück von der Stelle rückten.

Also zu Fuß und dann mit Auto auf der Bahnarbeiterpiste zurück zum BÜ der Hauptstraße gefahren. Bereits heute hatte es sich ausgezahlt, dass wir ein geländegängiges Auto hatten. Wir haben Huppel und Hindernisse überwunden, bei denen man im Kleinwagen ein Schrammkonzert von der Unterseite gehört hätte. Der alternative Programmpunkt war nun auch nicht zu verachten: Um 10.10 sollte ein Chicken von Los Lunas in Richtung Belen fahren. Wir fanden im Norden von Belen ein hübsches Wohngebiet, in dem mehrere BÜs lagen. Neben der Bahn führte ein Entwässerungsgraben entlang. Diesen konnten wir mit dem verrückten Huhn zusammen nett umsetzen, nachdem wir auf der benachbarten Güterstrecke auch noch einen Containerzug machten.

Der Railrunner erreicht seinen Zielort Belen.

New Mexico war für uns eine völlig andere Welt. Der Baustil der Häuser wirkte schon absolut mexikanisch. Viele Häuser waren im Pueblostil gebaut. Davon gab es ganze Wohnsiedlungen. Interessanterweise hielten sich auch viele der Zweckbauten entlang der Hauptstraßen an diesen Stil. Die Vegetation war hier immerhin schon so weit, dass einige Bäume erstes zartes Grün sprießen ließen. Aber uns hatte ein extrem starker Sturm empfangen. Dieser war heute auch noch beißend kalt. Natürlich wirbelte der Sturm in dieser Gegend auch sehr viel Sand auf. Den hatte man ständig auf den Zähnen und, was viel schlimmer war, an (hoffentlich nicht "in"?) der Kamera.

Wir machten weiter mit Chicken Run. Die nun folgende längere Zugpause nutzten wir zum großen Schlag nach Norden an ABQ vorbei. Erst in Bernalillo verließen wir die Autobahn. Das war eine schmackhafte Abfahrt. Hier hatten wohl alle Food-Ketten ihre Filialen. Es gibt hier auch nah an der Bahnstrecke eine Filiale vom Super8 Motel. Dies nur als Tipp, falls sich jemand aus der Leserschaft ebenfalls mal als Hühnchenjäger betätigen will. Die schönsten Motive für den Railrunner liegen definitiv im Norden. Von Bernalillo fährt das verrückte Huhn übrigens 50 Minuten lang ohne Halt durch ein-zwei kleine Weiler und sonst nur Wildnis bis Santa Fe.

Wir hatten noch Zeit und entschieden uns für eine vorgezogene Mittagsrast ohne Burger. Heute sollte es mal Denny's sein. Zu unserer Überraschung wurde man hier sogar am Tisch bedient. Nur das Bezahlen fand hinterher an einer separaten Kasse statt. Die Karte offenbarte einen großen Querschnitt durch die amerikanische Küche. Ich nahm Steak und Ei mit Kartoffelraspeln, garantiert gemüsefrei, garantiert ohne großen Vitaminschock. Dazu gab es Kaffee satt. Das tat gut, denn heute Morgen hatten wir ja doch eher wenig zum Frühstück gehabt.

Danach wurde es Zeit, mal nach einem Motiv für den nächsten Südfahrer zu suchen. Ein kleines Stück die Landstraße hoch vor Algodones fanden wir an einem Abhang einen schönen Standpunkt. Mittlerweile war der Himmel voller kleiner Fotowolken, die das gesamte Unternehmen natürlich sehr spannend machten. Aber es klappte. Wir konnten den Zug mit einem schönen Blick in das weite Tal verewigen. Nun wollten wir uns mal den interessantesten Abschnitt der Railrunner-Strecke rund um den Abzweig von der Hauptstrecke anschauen. Hier hätte man von verschiedenen Anhöhen aus gute Blicke auf die Züge gehabt, das hatten wir aus unserem Amtrak-Zug heraus beobachtet.

Nach Querung einiger Zäune erreichten wir gerade noch rechtzeitig diesen Ausblick zwischen Algodones (kein Bf) und Bernalillo.

Leider war das mit der Erreichbarkeit so eine Sache. Die Wege und Straßen hielten sich in dieser einsamen Gegend sehr in Grenzen. Und links und rechts der Wege war alles hermetisch mit Stacheldrahtzäunen abgeriegelt. Obwohl wir hier mitten in der Wildnis waren, setzten hier "private property" und "no trespassing" der amerikanischen Freiheit enge Grenzen. Das war ich aus den einsamen Gegenden Nord- oder Südeuropas anders gewöhnt. Zwar gibt es dort auch Viehherden in der Wildnis, aber wegen denen ist nicht gleich alles hermetisch abgeriegelt. Hier jedoch konnte man praktisch kein Stück durch die Botanik gehen! So mussten wir uns für den zweiten Mittagszug von Santa Fe mit einem Motiv auf dem Neubauabschnitt begnügen, für das das Licht eigentlich schon zu spitz kam.

Der Vogel auf der Neubaustrecke. Die einzige Fotomöglichkeit war vom Fahrweg aus.

Die Neubaustrecke war auf unseren Karten natürlich auch noch nicht drauf. Als wir den Fahrweg lang gefahren waren, tauchte sie plötzlich und unerwartet links unterhalb von uns auf. Der Fahrweg führte bald unter einer längeren Betonbrücke der Neubaustrecke durch. Hier gab es auf beiden Seiten des Weges sogar zwei Zaunreihen mit massiven Toren. Hinter dem ersten Zaun kam ein Durchlauf für das Weidevieh, damit das auch unter der Betonbrücke durch kann, danach kam der Zaun, der das Bahngelände begrenzete. Allein an dieser Stelle haben sich die Hersteller der „No Trespassing“-Schilder eine goldene Nase verdient.

Nach Durchfahrt dieses Südfahrers wurde es Zeit, sich mal um den Amtrak-Westfahrer zu kümmern, der nun bald auf der Hauptstrecke von Lamy her kommen musste. Wir entdeckten zwischen dem Streckenabzweig und der Ortschaft Los Cerrillos ein tolles Motiv mit markanten Felsenbergen im Hintergrund. Dort bauten wir uns einfach mal auf. Wie wir da so standen, fuhr ein Auto auf dem nahen Fahrweg langsam vorbei und hielt dann an. Es stieg ein weiterer Fotograf aus, der so bischen in der Gegend rumknipste und sich dann für den Zug (im letzten Moment, vorher war er uns im Motiv) zu uns stellte. Leider kam der Zug für ein Sonnenintervall etwa 10 Sekunden zu früh. Der Nachschuss ging mit voller Sonne ab...

Der "Southwest Chief" zwischen Lamy und der Einmündung der Neubaustrecke westlich der Ortschaft Los Cerillos. Von vorn war der Zug leider ohne Sonne abgegangen.

Wir fuhren den Weg nun bis Los Cerrillos weiter. Der Ort entpuppte sich als klischeemäßiger Westernort. Das war eine schöne Kulisse für paar Fotos ohne Zug. Auf der "richtigen" Straße ging es jetzt nach Santa Fe. Eigentlich hätten wir gern mal einen Blick in die Altstadt geworfen, doch entwickelte sich aus unserer Landstraße aus der Pampa eine derartig lange Einfallstraße (eine von diesen typisch amerikanischen mit Filialen aller gängigen Food-, Supermarkt- und anderen Gewerbeketten), dass wir schon dachten, wir wären durch die Stadt durch, als endlich die Bahnstrecke von rechts auftauchte. Viel Zeit war nicht mehr, denn den Zug, der jetzt gerade angekommen sein sollte, wollten wir nach der Abfahrt unten an der Hauptstrecke fotografieren.

Los Cerillos. Diesen Blickwinkel kann man auch aus dem "Southwest Chief" haben. Man muss schon sehr genau hinsehen...

Die Bahnlinie vom Abzweig der Hauptstrecke (zwischen Bernalillo und Lamy) bis Santa Fe ist eine Neubaustrecke, die erst aufwendig durch die Berge geschneist wurde und dann im Mittelstreifen der Autobahn auf Sante Fe zu führt. Sie wurde erst im Dezember 2008 in Betrieb genommen. Kurz bevor die Autobahn über die alte historische Stichbahn Lamy - Santa Fe führt, wird die Neubaustrecke von der Autobahn ausgefädelt und mit der alten Bahnstrecke vereinigt. Quasi auf der alten Trasse durch die Stadt Santa Fe, aber auf völlig modernisierter Anlage, gelangt das Gleis vorbei an mindestens zwei Haltepunkten (von denen komischerweise nur einer im Fahrplan steht) auf das Gelände des alten Bahnhofs und Santa Fe Depots (so heißt der neue Endpunkt auch). Die neuen Züge enden also vor dem alten Bahnhofsgebäude von Santa Fe, direkt neben der abgestellten Museumszugsgarnitur, die auf der alten Strecke gelegentlich nach Lamy fährt. Wir konnten außer dem Bf Santa Fe zwei Ausweichbahnhöfe auf der neuen Bahn erkennen: Einen im Stadtgebiet und einen auf der Autobahn.

Zurück zu unserer Tour: Der Zug von ABQ war verspätet und traf etwa zeitgleich mit uns am Santa Fe Depot ein. Während der Wendezeit konnten wir schön ein Sonnenbild mit den wolkenverhangenen Bergen im Hintergrund machen. Dann gaben wir alles, um schnell auf die Autobahn zu kommen und den Zug an dem vorhin entdeckten Motiv kurz hinter der Einfädelung in die Hauptbahn zu knipsen. Hier gab es einen wahren Wolkenkrimi. Aber es klappte. Der Railrunner kam im schönsten Nachmittagslicht vorüber. Damit hatten wir schon mal das erste von zwei abendlichen Wunschmotiven im Kasten.

Der einzige Bahnhof Amerikas, bei dem die Anschrift am EG sich gleichzeitig auf die einstige Bahngesellschaft und den Ortsnamen bezieht...

Es stand jetzt ein Nordfahrer an. Das Licht war zu schön und die Züge zu selten, als dass wir nicht einen Nachschuss versucht hätten. An der Stelle, wo wir vorhin die Neubaupiste vom Fahrweg aus entdeckt hatten, ergab sich ein schöner Blick. Leider war der Zug wieder mal wenige Sekunden zu früh für die Sonne. Pech gehabt!

Der Railrunner auf der Neubaustrecke zwischen Hauptstrecke und Autobahn-Abschnitt. Der Sonne gefiel das Motiv offenbar nicht so...

Aber nun stand das zweite "Muss-Motiv", das wir von Railpictures.net kannten, auf dem Programm: Der Blick von einer Autobahnbrücke auf den Freeway mit der Bahn auf dem Mittelstreifen. Dabei hatte man eine Top-Berg- und Wolkenkulisse im Hintergrund. Die Wolken hatten sich mittlerweile stark aufgelöst, so dass wir guter Hoffnung waren. Und tatsächlich klappte das Bild dann auch mit tief stehender Abendsonne. Somit konnten wir mit dem Thema "Railrunner" doch sehr zufrieden sein. Das war auch gut so, denn sonntags hat der Railrunner Betriebsruhe und Montag wollten wir eigentlich schon auf dem Weg gen Westen sein.

Nicht nur ein Autobahn-Motiv, sondern auch eine großartige Kulisse der (z.T. schneebedeckten) Berge. Ganz hinten vor den Bergen liegt Santa Fe.

Durch das herrlich tief stehende Licht fuhren wir auf der Autobahn nun wieder nach Belen zurück, wo wir eine Stunde später in der Dunkelheit eintrafen. Beim Tanken konnte ich meine Kreditkarte schon wieder nicht nutzen und musste drinnen vorausbezahlen. Damit ich nicht mehr bezahlte, als hinein passte, gab ich nur 25 Dollar hin. Dafür war der Tank dann aber leider nicht ganz voll geworden. Nächstes Mal muss man es halt mit 28 Dollar probieren... Bei Walmart noch Abendessen besorgt, dann ins Hotel gefahren.

Sonntag, 05. April 2008: Belen rund um den Kirchturm

Heute wollten wir es nochmal mit dem Abo Canyon wissen. Diesmal wollten wir allerdings die Zufahrt über das Schotterwerk / Basislager für den zweigleisigen Ausbau probieren. Auf dem Weg dorthin konnten wir einige sehr stimmungsvolle Landschaftsaufnahmen machen. Auch am BÜ vor Sais inmitten der Steppe konnten wir Züge in jede Richtung verarzten - mit Sonne!

Morgenstimmung an der Straße von Belen in Richtung Abo Canyon.

Als wir von der Straße aus den Zufahrtsweg zum Basislager endlich gefunden hatten, wurden wir bereits hinter der ersten Wegbiegung von einem unserer Lieblingsschilder begrüßt. Es war die Variante, wo "private property" und "no trespassing" auf einem Schild stehen. Wir fuhren trotzdem mal weiter. Doch am Eingang zum (offenbar menschenleeren) Basislager kam dann nochmal eine ganze Anhäufung dieser Schilder mit Strafandrohung. Da haben wir lieber mal kehrt gemacht. Da es so aussah, dass die Wolken ein wenig zur Seite rücken würden, wollten wir es mit dem tollen Ausblick aber doch gern nochmal wissen.

Das Wechselspiel der Wolken sorgte für ein imposantes Licht-Schattenspiel in der Wüste.

Als dann auch mal ein Zug kam, war leider gerade die Fläche hinter der Bahn dunkel geworden, so dass sich der Zug nicht mehr so gut abhob.

Daher fuhren wir einfach nochmal da rein, wo (warum auch immer) kein Verbotsschild stand, nämlich den BNSF-Betriebsweg zum Bbf Sais. Dort wieder Auto geparkt und zum Affenfelsen gelaufen. Erst hingen hier doch noch die Wolken massiv drüber. Doch nach einer Zeit, nachdem die Loks eines Zuges gerade durchs Motiv durch waren, wurde es richtig sonnig. Nur die Zugdichte ließ jetzt stark zu wünschen übrig. Und wenn ein Zug kam, dann war gerade mal ein kleiner Ausläufer, der östlich noch hängenden Wolkenfelder vor der Sonne. Da spielten sich wirklich unglaubliche Szenen ab, die BNSF-Loks zogen Wolken magisch an! Leider kamen vor allem kaum Ostfahrer. Den Blick zum Viadukt für Westfahrer hatten wir irgendwann dann doch mal geschafft, aber der schöne Ausblick für Ostfahrer stellte uns vor Schwierigkeiten!

Das Motiv für Westfahrer: Ein kleiner Viadukt am Ausgang des Canyons.

Das Motiv für Ostfahrer: Die "Einfahrkurve" in den Canyon. So richtig ging hier gar nichts. Kaum Züge, und wenn, dann war gerade ne Wolke zur Stelle. Dies ist ein durch EBV geretteter Nachschuss auf einen Zug mit (zu spät bemerkten) Schlussloks. Falsches Objektiv (=>Ausschnittsvergrößerung), viel zu hell belichtet (=>Belichtungskorrektur). Somit wurde es noch das beste Bild, das hier gelungen ist...

Kurz bevor wir wegen zu spitzem (und hohem) Lichtstand abbrechen wollten, tauchte doch nochmal ein Ostfahrer von Belen her auf. Über eine zu kurze Vorwarnzeit konnten wir uns hier ja nicht beklagen, und so dauerte es noch ne geschlagene Viertelstunde, bis der Zug bei uns war. Leider wurde die Seite tatsächlich nicht mehr wirklich brauchbar vom Licht erfasst. Das war schade, denn an sich war das ein netter gemischter Zug. Nachdem der Zug durch war, machten wir uns auf den Weg zum Auto zurück.

Als wir aus dem eisigen Wind zurück ins gut aufgeheizte Auto kamen, überfiel uns eine ordentliche Müdigkeit. Wir fuhren mal zur Autobahn und auf dieser nordwärts. Wir hatten überlegt, für den gestern bei Wolke vergeigten Amtrak-Zug nochmal ganz in den Norden zu fahren. Kurz vor Los Lunas, also hinter Belen, sahen wir weit im Norden eine stärkere Bewölkung, während sich bei uns die Wolken fast aufgelöst hatten. So weit fahren und womöglich wieder Wolkenpech haben - dazu hatten wir dann doch keine Lust. Also in Los Lunas mal bei Wendys eingekehrt, nachdem das benachbarte Dennys brechend voll war (Sonntag Mittag halt...). Die Burger sind ganz schön matschig gewesen, doch dass es als Beilage wahlweise einen Becher Chili statt Pommes gab, gefiel uns ja schon wieder.

Wir nahmen das Zeug mit und befuhren nun mal die hier abzweigende Straße in Richtung Westen an die Bahn ran. Wieder diese phantastische offene Prärielandschaft! Unterwegs sahen wir an mehreren Stellen Leute mit Pferden, das hatte regelrechte Wildwest-Atmosphäre. An einer Stelle wurde sogar Polo gespielt, mitten in der Pampa, bei paar kleinen Hütten. Als wir wieder auf die Bahn trafen und ein Weg über die Bahn auf die Südseite abzweigte, der nicht mit unseren Lieblingsschildern versehen war, fuhren wir rüber und aßen erstmal unser Mitgebrachtes. Das Burgeressen musste ich für einen vorbeifahrenden Zug unterbrechen, aber das schadet ja nichts.

Kurze Unterbrechung der Mittagsrast... Der Zug-Schwanz ist noch ganz hinten zu sehen.

So wirklich das Hauptmotiv war das hier allerdings nicht, so dass wir nach dem Essen gleich weiter fuhren. Ich hatte Motive im Bereich Laguna und Mesita notiert. Nach Laguna fuhren wir als erstes. Wir entdeckten einen schönen Ausguck. Leider konnte man auch hier nichtmal ein Stück ins Gelände gehen, um die Perspektive zu optimieren, weil da gleich der unvermeidliche fette Stacheldrahtzaun kam. Und zwar einer, den man an keiner einzigen Stelle unter- oder überklettern konnte! Allerdings herrschte nun auf der Schiene erstmal wieder Stille, nachdem wir auf der Fahrt hierher mehrere Güterzüge gesehen haben.

Und so kam es, dass wir an dieser Stelle genau gar keinen Güterzug erwischten. Es kamen drei aus der falschen Richtung, aber keiner in Richtung Westen. Zum Glück hatten wir ja noch den Amtrak-Zug in der Hinterhand. Für diesen wollten wir allerdings einen großen Felsen bei Mesita als Hintergrund nehmen. Rechtzeitig wechselten wir hinüber. Dabei kamen wir durch eindrucksvolle Felskulisse. Nach einigem Hin und Her fanden wir einen geeigneten Standpunkt. Auch hier rollten wieder zwei Züge aus der falschen Richtung. Erst als der Amtark-Zug kommen sollte, kam vor diesem ein Güterzug angefahren. Damit das alles heute aber nicht zu einfach würde, kam gleichzeitig auch ein Güterzug von hinten. Die beiden begegneten sich genau im Motiv.

Zugbegegnung am Felsen von Mesita...

Es geht nicht kurioser? Doch, geht es. Der Amtrak-Zug tauchte nun bald im Blickfeld auf. Als wir die Kamera schon ans Auge nehmen wollten, hörten wir hinter uns den knirschenden Kies eines haltenden Autos. Ah, noch ein Fotograf? Kurz noch hingeschaut und aus dem Augenwinkel nur die Aufschrift "Laguna Police" gelesen. Allein die Tatsache, dass diese kleine Indianersiedlung eine eigene Polizei mit eigen designten Polizeiauto hat, ist ja schon kurios genug. Und heute hatte der indianisch aussehende Polizist also mit uns zu tun. Immerhin störte es ihn nicht, dass wir erstmal unsere Bilder vom Zug zuende machten. Dann fragte er nach unseren Ausweisen und wies uns darauf hin, dass hier Fotoverbot bestände. An der Autobahn ständen auch entsprechende Hinweisschilder. Die hatten wir nun definitiv nicht gesehen (auch hinterher bei bewusstem Hinschauen nicht).

Er war allerdings sehr freundlich und meinte, eine Abfahrt weiter könnten wir Bilder machen. Was für ein Glück, dass wir gerade den Amtrak-Zug erwischt hatten! Nun zogen wir es allerdings vor, zu einer Brücke der alten Route 66 über die Bahn zu wechseln, die wir auf der Hinfahrt gesehen hatten. Unterwegs kamen uns natürlich zwei Westfahrer entgegen! Immerhin ging von der Brücke dann noch ein Dritter. Hier hätten wir allerdings bald lieber Ostfahrer gehabt, denn man hatte hier eine schöne Streiflicht-Stimmung. Und es tauchte schon wieder (eher zufällig) die Polizei auf. Er hielt kurz an und fragte freundlich, ob bei uns alles in Ordnung sei.

Blick von der Route 66-Brücke mit dem Licht gen Osten.

Tatsächlich war dieser Brückenaufenthalt dann durchaus eine Entschädigung für die Merkwürdigkeiten, die dieser Tag für uns bereit gehalten hatte. Nachdem es zwanzig Minuten ruhig geblieben war, rollte es plötzlich in der verbleibenden Zeit bis zum Sonnenuntergang im Blockabstand aus beiden Richtungen. So konnten wir gerade die Streiflicht-Szene noch in drei Varianten ausführen. Das war ein wunderbarer Tagesausklang. Über die nette Landstraße durch die Steppe gelangten wir zügig wieder nach Los Lunas und von dort über die Autobahn nach Belen, wo wir bei Walmart noch tankten (hier wurde mein ZIP-Code anerkannt) und unser Abendessen einkauften.

Und die Streiflicht-Perspektive. In der Ferne begegnen sich zwei Züge.

Montag, 06. April 2009: Belen NM - Winslow AZ

Zwar planen wir unsere Fototouren nie so genau vor, doch hatten wir uns für diese Tour durchaus eine Übersicht gemacht, wie wir aus den wenigen Tagen das beste rausholen könnten. Diese Zeitplanung sah für heute den großen Sprung nach Arizona vor. Und es gab nichts, was gegen den heutigen Aufbruch gesprochen hätte. Wir wollten dabei so früh los, dass wir den ostfahrenden Amtrak-Zug vor der Kulisse der roten Felsen vor Gallup bekämen.

Kaffee und ein Stück Kuchen konnten wir uns vom Frühstücksbuffet mitnehmen, dann ging es um 6 Uhr im Angesicht der Dämmerung eines klaren Morgens los. Zunächst hatten wir ja den gleichen Weg wie gestern. Und gerade als wir die Brücke über die Bahn, wo wir gestern Abend so viel haben machen können, erreichten, war die Sonne aufgegangen und es näherte sich ein Zug. Den habe ich zwar im Angesicht der Hektik etwas unterbelichtet, aber bei RAW-Aufnahmen kann man das ja zum Glück ausgleichen. Netterweise kam auch noch ein Zug in der Gegenrichtung aus dem Streiflicht. Danach sind wir aber gleich weiter gefahren.

Der Morgenblick von der Route 66-Brücke im Streiflicht.

Trotz zahlreicher Baustellen auf der Autobahn waren wir noch dicke rechtzeitig in der tollen Felsszenerie vor Gallup. Die Wildnis dort hat sogar eine eigene kleine Autobahnabfahrt. Und es führten in Richtung der angestrebten Motive richtige Dirtroads ohne unsere Lieblingsschilder! Zwar war dies hier auch alles wieder Indianergebiet, aber wir waren im Motiv weit abseits irgendwelcher Behausungen, so dass sich durch unsere Kameras niemand gestört gefühlt haben dürfte. Ein richtig schöner Foto-Fahrweg führte direkt am Gleis entlang in die Motive. Bei der kleinen Ausweiche North Guam machten wir halt.

Die beiden Streckengleise laufen hier weit voneinander entfernt, wobei das Regelgleis für Ostfahrer dichter an den Felsen entlang führt (Linksverkehr!). Tja, alles stimmte nun: Die Sonne lachte vom strahlend blauen Himmel, Lichtstand und Motiv passten, aber was nicht kam, waren Amtrak oder gern auch BNSF. Erst mit einer Stunde Verspätung tauchte endlich der Amtrak-Zug auf. Und - das sei dazu gesagt - er tauchte auf dem richtigen Gleis auf. Wenn er hier Gegengleis gefahren wäre, hätten wir ihn nur weit entfernt gesehen!

Der "Southwest Chief" von Amtrak vor den roten Felsen von Gallup.

Wir fuhren den schönen Foto-Fahrweg mal weiter in die Motive und entdeckten noch eine andere schöne Stellen. Die Felsformationen im Hintergrund waren hier wie Häuserblocks aufgereiht. Doch es fehlte der Zug. Auf der Autobahn waren uns mehrere Ostfahrer entgegengekommen, doch jetzt herrschte absolute Sendepause. Genau der gleiche Mist wie gestern! In der Ferne sahen wir einen Westfahrer auf seinem Gleis stehen. Plötzlich tauchte auf unserem Gleis ein zweiter Westfahrer auf, der den anderen Zug überholte! Aber das war es dann auch. In Richtung Osten herrschte Totentanz! Sehr schade, aber angesichts des nun einsetzenden Hochlichts beschlossen wir, lieber mal weiter zu fahren.

Im weiteren Streckenverlauf kamen wir auf der Autobahn vor und hinter Gallup an weiteren wunderbaren Felsformationen vorbei, von denen man die eine oder andere gut als Kulisse für Züge hätte nutzen können. Und natürlich rollte es wieder in allen Richtungen, kaum dass wir auf der Autobahn drauf waren. Unser Vorwärts-Trieb, den man bei diesen Entfernungen einfach braucht (so dachten wir jetzt wenigstens noch), und die Hochlichtphase hielten uns jedoch davon ab, hier für Fotos anzuhalten. In Holbrook schauten wir mal am Bahnhof vorbei, ob vielleicht zufällig gerade die Apache Railway mit ihren hübschen grünen Loks im Bahnhof stände. Der Bahnhof war jedoch leer. Zum Mittagessen probierten wir heute mal die Kette "Taco Bell" aus. Wir waren beide sehr zufrieden, diese mexikanischen Spezialitäten waren wirklich lecker.

Der nächste Anlaufpunkt war Winslow. Von einer Straßenbrücke westlich des Ortes hat man den berühmten Blick auf ein neigungsreiches Stück Bahn mit Autobahn daneben und den schneebedeckten Gipfeln der San Francisco Peaks in der Ferne. Berühmt sind hier die Streiflicht-Aufnahmen. Doch wir hatten 14 Uhr mittags! Nachdem wir schon die Felsen von Gallup (fast) ohne Umsetzung passiert hatten, waren wir der Meinung, dass das so nicht weitergehen sollte. Eigentlich hatten wir zwei Nächte in Williams und dazwischen den Besuch beim Grand Canyon geplant gehabt.

Aber zum Grand Canyon würden wir morgen auch von Winslow aus starten können. Und hier gab es nicht nur den genannten abendlichen Streiflicht-Blick. Ein Stück weiter bei Winona (Bf Darling) gab es auch noch einen schönen Ausblick in die Ebene, den man nachmittags machen konnte. - Das in der Mittagshitze daliegende Winslow fand ich in Puncto Ödnis schon sehr eindrucksvoll. Von unserer Brücke konnte man über den Ort hinweggucken und dahinter die Steppe wieder beginnen sehen. Eine kleine Oase im Nichts! Übrigens war heute (seit Holbrook) der erste Tag auf dieser Reise, an dem man nur noch das T-Shirt anhatte. Bisher war es dazu immer deutlich zu kalt gewesen.

Abends entstanden: Blick über die Wüstenstadt Winslow unter dem wachsamen Blick des Mondes.

So checkten wir also in Winslow bei Super8 ein. Der kautzige Rezeptionist meinte, er gäbe uns Rabatt, weil wir Touristen sind, und zeigte uns persönlich mehrere Zimmer, unter denen wir eins auswählen konnten. Danach starteten wir nach Winona. Dorthin ging es eine halbe Stunde auf der Autobahn durch eine wunderbare steppenartige Ebene, die von mehreren Canyons durchzogen war. In dieser Ecke herrscht nicht gerade Ruhe unter der Erdoberfläche. Neben den „Rissen“ in der Erde gibt es hier auch viele Vulkane. Die größten von ihnen, die bis zu 3850m hohe Gruppe der San Francisco Peaks, hatten wir ständig als hoch aufragendes Gebirge am Ende dieser Steppe vor Augen. Die Berggruppe ist übrigens weit weg von der Stadt San Francisco. Der Name ist dem heiligen Franz von Assisi gewidmet, denn im 17. Jahrhundert haben sich hier Franziskaner-Mönche als Missionare betätigt.

Unterwegs überholten wir einen Containerzug, den wir heute schon früh morgens von unserer Fotobrücke und jetzt vor (!) dem Einchecken von der Brücke Winslow umgesetzt hatten. In Winona fanden wir dank ausgedruckter Google Maps den Fahrweg auf die Anhöhe auf Anhieb. Vom Weg-Ende waren es nur noch paar Meter auf den Gipfel eines Berges, von dem man einen Traum-Ausblick über die ganze Ebene Richtung Winslow hatte. Und das ganze völlig ohne Zäune und Verbotsschilder! Nur einem "Jagen verboten" begegneten wir.

Als erstes kam der nun schon bestens bekannte Containerzug. Bei diesem haben wir beide etwas geloost, weil wir gar nicht gesehen hatten, dass vor dem Auslösepunkt die Drähte einer Hochspannungsleitung in der Luft hingen. Das war jedoch nicht weiter wild, denn der nächste Zug war bereits weit hinten in der Ebene zu sehen. Er brauchte dann aber wohl noch eine halbe Stunde, bis er von uns ohne Drähte aufgenommen werden konnte. Zwischendurch hatten wir noch auf einer anderen Baustelle zu tun: Vom Hügel konnte man gut auf den Bahnhof Darling runter schauen. Und dort rangierten zwei Lokomotiven in Santa Fe Lackierung einen Local zusammen.

Blick von den ersten Hügeln in die weite Ebene ostwärts. Die Züge kommen im Blockabstand, die nächste Wagenschlange mitsamt Spitzenlicht ist schon hinten in der Wüste zu sehen. Die hübschen und bestens gepflegten Loks von Ferromex liefen leider immer nur an hinterer Stelle.

Blick von demselben Hügel in die andere Richtung: Zwei Santa Fe Maschinen rangieren im Bahnhof Darling.

Nachdem der Panoramablick im Kasten war, fotografierten wir den bald nach Flagstaff ausfahrenden Local im Bahnhof und nochmal auf Strecke etwa mittig nach Flagstaff. Leider kam er dort auf dem linken Gleis, was für das Foto eher mäßig begeisternd war. Aber so eine saubere und noch nicht verwitterte Warbonnet-Lackierung hatte halt Vorrang vor allen anderen Aktivitäten. Andere Aktivitäten wären die zwei Ostfahrer gewesen, die vor und bei Ausfahrt des Local durch Darling gekommen waren.

Oh Darling ;-)

Wir hofften, diese Züge auf der Autobahn trotz des Abstechers in Richtung Flagstaff bis Winslow wieder einzuholen. Doch vor Winslow begegneten wir zwar einem regelrechten Stau der Westfahrer, nicht jedoch auch nur einem einzigen Ostfahrer. Etwa anderthalb Stunden vor Sonnenuntergang bezogen wir Posten auf der Brücke von Winslow mit dem tollen Streiflicht-Blick zum San Francisco Peak. Wir konnten in dieser Zeit noch zwei Züge bei der Ausfahrt aus Winslow beobachten und diese dank Schlussloks auch im Streiflicht nachschießen. Doch es kam kein einziger Zug von Westen, so dass die Sonne irgendwann unterging und wir das Motiv leider nicht annähernd vollwertig umgesetzt hatten. Das war extrem schade. Was uns blieb, waren nur die Nachschüsse, die aber schon deshalb ungünstig waren, weil das westführende Gleis anfangs tiefer hinter dem Ostfahrer-Gleis liegt, so dass man erst sehr spät auslösen kann.

Der Streiflicht-Blick - so gut er eben ging - als Nachschuss. Hinten erheben sich die San Francisco Peaks.

Und der Blick mit dem Licht auf den Wüstenbahnhof Winslow.

Entsprechend enttäuscht drehten wir noch unsere Tank- und Supermarktrunde durch den Ort, wobei wir keinen so richtigen Supermarkt entdecken konnten (den entdeckten wir am nächsten Tag auf der anderen Seite der Autobahn). Dafür verfügt Winslow über Massen an Hotels und Motels. Offenbar lebt der Ort von Durchreisenden...

Sonnenuntergang in Winslow...

Dienstag, 07. April 2009: Winslow - Grand Canyon

Dass Arizona sich nicht an der Sommerzeit (USA: Daylight Saving Time) beteiligt, ist nicht günstig. Zu Beginn des Frühstücks war bereits die Sonne aufgegangen. Nüchtern betrachtet hätte man auf das Frühstück vielleicht verzichten können. Denn statt des angebotenen Kaffees hätte ich mir auch ein Glas heißes Wasser aus dem Hahn nehmen können. Und der Toast war jetzt auch nicht so toll, dass man ihn unbedingt hätte kosten müssen.

Als wir ausgecheckt hatten, ging es bereits auf 7 Uhr zu. Wir hofften, das Motiv von der Brücke am Ortsrand wenigstens jetzt nochmal MIT dem Licht hinzubekommen. Eine Zeit lang rechneten wir sogar mit dem Amtrak-Zug, doch irgendwann fiel uns ein, dass der ja wegen der Sommerzeit-Geschichte jetzt 1h früher als im Fahrplan angegeben abfährt. Als wir schon wieder glaubten, dass nichts käme, ging immerhin das Esig auf Fahrt. Also weiter warten. Nach rund 70 Minuten Wartezeit tauchte endlich ein Güterzug auf, den wir - leider mit sehr spitzem Lichtstand - umsetzen konnten.

Die San Francisco Peaks - Vulkane mit Schneehäubchen...

Danach fühlten wir uns kalt und hungrig. Außerdem fehlte mir mein Morgenkaffee (ein richtiger Kaffee!). Also kurz noch zu Mc Donalds gefahren und Mc Muffins mitsamt Kaffee für die Fahrt rausgeholt. Es ging nun nochmal nach Winona Darling. Wir wollten mal schauen, ob man von hier die San Francisco Peaks auch umsetzen könnte. Man konnte, und wie! Ein wunderschönes Panorama tat sich von einer Straßenbrücke aus auf und in der Ferne stoppte gerade ein passender Ostfahrer vorm Signal. Wir mussten allerdings noch ca 45 Minuten und zwei Gegenzüge abwarten, bis es weiter ging. Mittlerweile war hinter dem stehenden Zug sogar schon der nächste Zug zum stehen gekommen.

Blick von der Straßenbrücke am Bahnhof Darling in Richtung San Francisco Peaks.

Während der Wartezeit kam eine mexikanisch oder indianisch aussehende Frau vorbei und erzählte irgendwas. Bald bekamen wir mit, dass sie offenbar Geld haben wollte. Wir gaben ihr allerdings nichts. Das ist zwar nicht nett, aber wenn man hier in der Wildnis schon wie am Hamburger Hbf angebettelt wird, kann man ja auch genau so reagieren... Nachdem nun beide Motive das Panorama passiert hatten, fuhren wir nochmal einen Fahrweg rein zu einem Aussichthügel, von dem aus man auch schöne Aussicht auf Bahn und SF-Peaks hatte. Glück gehabt, auch hier kam der passende Zug vorbei, sogar mal mit anderen Loks. Auch sonst war der Hügel ein nettes Plätzchen, ohne jegliche Schilder oder Absperrungen! Vielleicht war die Ecke rund um ABQ in dieser Hinsicht besonders extrem gewesen?

Seltener Anblick auf dieser Ferngüterlinie: Loks der Baureihen SD40-2 und GP60 geben sich die Ehre.

Allmählich stieg die Sonne gewaltig in die Höhe. Nun konnten wir uns unserem nächsten Programmpunkt zuwenden: Dem Grand Canyon. Auf der Autobahn ging es weiter bis Flagstaff. Schlagartig waren wir in Skandinavien! Eben noch die endlose Steppe, jetzt Berge mit Nadelwald und Häusern, die in jeden skandinavischen Ort gepasst hätten. Auch das Ortsbild von Flagstaff hätte gut nach Kongsberg oder Östersund gepasst. An einer unscheinbaren Abzweigung ging die Straße 180 in Richtung Grand Canyon ab. Sie führte auf der Rückseite des SF Peaks stetig aufwärts bis auf über 8000 ft an. Hier gab es viele hölzerne Ferienhäuschen vor der Kulisse des schneebedeckten Peaks. Wir mussten natürlich paar Fotos machen.

Skandinavische Landschaft zu Füßen der San Francisco Peaks bei Flagstaff.

Irgendwann führte die Straße wieder in eine weite Ebene hinab. Rechts mal ein einsames Haus mit großem Sonnenkollektor einsam auf weiter Pläne. Stück weiter folgten Schilder: Grundstücke zu verkaufen! Weiter Blick über eine endlose gelbe Grasfläche garantiert! (letzteres stand aber nicht auf dem Schild). Bei Valle trafen wir auf die Straße Williams - Grand Canyon. Diese ging es nun nordwärts. Im Touriort Tusayan unmittelbar vor dem Nationalpark Grand Canyon fragten wir mal bei Best Western, ob wir denn heute Abend hier übernachten könnten. Doch der Riesenbunker war ausgebucht! Auch bei Holiday Inn griente uns an der Rezeption schon das Schild "no vacancies" entgegen. Uns wurde empfohlen, es mal gegenüber bei der Red Feather Lodge zu probieren. Dort reservierte man uns verbindlich (wurde dreimal betont!) ein Zimmer für die Nacht zum stolzen Preis von 181 Dollar. Na ja, man gönnt sich ja sonst nichts... Bezugsfertig würde das Zimmer erst am Abend sein.

Nun wollten wir uns mal die Grand Canyon Railway anschauen. Deren Bahnhof liegt ja im Grand Canyon Village direkt im Nationalpark. Wir fuhren also die Straße weiter und standen plötzlich im Stau. Hier in den weiten Wäldern gab es einen Stau! Zum Glück waren es nur ca 20 Minuten, bis wir das Kassenhäuschen zum Nationalpark erreichten. Für 25 Dollar pro Auto inkl Insassen wurden wir eingelassen. Dank der mit der Eintrittskarte gelieferten Kartenskizze fanden wir schnell die richtigen Straßen zum Abstellbahnhof der zwei Zuggarnituren. Leider waren beide Garnituren mit "stinknormalen" Dieselloks des Typs F40PH bespannt. Wir hatten fest mit MLW-Rundnasen gerechnet. Eine solche lief lediglich bei der einen Granitur an zweiter Stelle mit.

Der Abstellbahnhof im Grand Canyon Village. Selbst diese Touristenbahn fährt schon mit relativ modernen, wenn auch gebraucht gekauften, Lokomotiven durch die Gegend.

Dieses Grand Canyon Village ist wirklich beachtlich. Es gibt hier die vollständige Infrastruktur einer Kleinstadt inklusive Schulen, einem Busliniennetz und natürlich dem Bahnhof. Alles liegt ein wenig im Wald verborgen. Nachdem wir die optimal im Licht stehenden Züge fotografiert hatten, verließen wir den Nationalpark wieder. Wir hatten alles gesehen! Zurück in Tusayan deckten wir uns erstmal bei Wendys mit Cheeseburgern, Chili und Cola ein. Das alles nahmen wir mit, denn nun ging es in die Einsamkeit des Kaibab National Forest. Wir fuhren die Hauptstraße erst ein Stück südwärts.

Dann mussten wir rechts auf eine Naturpiste abzweigen. In den Google Maps ist der Weg als "Anita Rd" eingetragen. Ausgeschildert ist er aber nur mit National Forest Road 347. Nun ging es eine Viertelstunde lang auf der meist gut befahrbaren, aber auch manch heftige Delle aufweisenden Dirtroad westwärts. Erst führte der Weg durch Wald. Dann kamen einige Lichtungen, dann wieder Wald. Doch dann lag sie plötzlich vor einem: Die weite wilde Steppe. Und am Rande der Steppe lag das Bahngleis der Grand Canyon Railway.

Hier herrschte Einsamkeit pur! Willkommen in Anita! Viel von der einstigen Ansiedlung ist aber nicht mehr vorhanden. Dafür Stille, nur der Wind war zu hören. Und es gab, abgesehen von paar halb verfallenen Pferde-Fenzen, keine Zäune! Nichts schränkte die Freiheit ein. Rinder grasten friedlich frei um uns herum, selbst wildes Campen war im Kaibab National Forest ausdrücklich erlaubt! Wir aßen erstmal unser Chili, dann suchten wir uns Motive für den ersten Zug. Mit einer dieser verfallenen Pferde-Fenzen kam richtig Wildwest-Stimmung auf. Da ließ sich was machen! Einen kurzen Augenblick lang rollte die Zivilisation durch Anita, dann waren wir wieder vollkommen allein mit dem Wind, der Weite und den wild grasenden Rindern. Es war wunderbar. Für den zweiten Zug eine Stunde später wählten wir einen abgestorbenen Baum und als Nachschuss einfach den Blick in die Weite als Motiv.

Wildwest pur in Anita, mitten im Kaibab National Forest,...

...außerdem eine wunderbare, ewig scheinende Weite. Unser Reiseführer schreibt, dass die Grand Canyon Railway durch eine Landschaft ohne Höhepunkte verlaufe. Für mich war die ganze Landschaft ein einziger Höhepunkt. Aufgrund der Abgeschiedenheit und der Ruhe war Anita für mich einer der schönsten und "nachhaltigsten" Orte unserer Reise.

Leider hatten wir es nach dem zweiten Zug etwas eilig, denn wir wollten natürlich die letzte Stunde des Tages am Grand Canyon verbringen. Ja, selbstverständlich hatten wir die 25 Dollar Eintritt in den Nationalpark NICHT nur für den Besuch des Bahnhofs ausgegeben. Hat das etwa jemand geglaubt? ;-) Schnell also staufrei in den Nationalpark eingereist (die Eintrittskarte gilt sieben Tage lang!), den uns bekannten Weg zum Bahnhof gefahren und dort geparkt. Wir mussten nur die Gleise queren, zwischen paar Lodgen durch laufen und da lag er im Abendlicht vor uns: Der Grand Canyon! Ein sagenhafter, imposanter Anblick!

Kommst Du vom Bahnhof, schreitest zwischen paar Häusern hindurch, und Du hast diesen atemberaubenden Anblick vor Dir!

Das tief stehende Abendlicht zauberte eine wunderbare Schattenbildung in diese unwirkliche Welt. Die Felsen wirkten dadurch doppelt plastisch. Ein deutscher Chor stand auf dem Rim Trail, dem Pfad am Abgrund entlang, und sang Lieder. Unglaublich! Wir hetzten nun in Richtung Maricopa Point, um für die letzten Sonnenstrahlen des Tages einen möglichst weiten Blick in den Canyon hinein zu haben. Der Rim Trail ist ein wirklich schön angelegter Beton-Fußweg immer an der Steilkante entlang. Leider sackte die Sonne irgendwann in eine über dem Horizont hängende Schmodderschicht, nachdem es den ganzen Tag wunderbar klar gewesen war. Aber womit wir nicht gerechnet hatten: Kurz vor dem Untergang kam die Sonne nochmal hervor und beleuchtete die Canyon-Landschaft knallrot. Trotz der zeitlichen Knappheit sind uns auch hier schöne Aufnahmen gelungen!

Die allerletzten Sonnenstrahlen verzaubern die Landschaft knallrot!

Entspannt ging es nun zum Auto zurück. Als wir dort ankamen, war es dunkel. Nach kurzer Fahrt waren wir zurück in Tusayan. Dort herrschte massig Betriebsamkeit. Es war gar nicht so leicht, einen Parkplatz zu finden. Letztendlich bekamen wir mit viel Geschick (ich stand schon ganz woanders, Nico, der schon mit Gepäck ausgestiegen war, stellte sich mit den Koffern einfach in die Parklücke) doch noch einen Hotel-Parkplatz. Das Zimmer war dann nur vom Preis her luxuriös, sonst nicht. Bei einem Store auf der anderen Straßenseite besorgten wir uns noch etwas zu trinken. Für mich gab es erstmals das amerikanische Budweiser. Gegen den Durst kam es sehr gut! Danach trotz irgendwelcher immer wieder anspringender Aggregate gut geschlafen.

Mittwoch, 08. April 2009: Grand Canyon AZ - Needles CA

Den Wecker hatten wir nicht gestellt. Und die Arizonasche ever lasting Winterzeit macht einem Frühaktionen ja auch nicht gerade leicht. Aber zufällig war ich um 5.10 wach geworden. Also Nico geweckt und angezogen. Nun sollte es auch nochmal der Sonnenaufgang im Nationalpark sein! Zügig kamen wir zu den geeigneten Aussichtspunkten. Am Parkeingang war um 5.50 noch kein Stau. Es hatte nichtmal eine Kasse geöffnet. Aber wir hatten ja unser Ticket. Wir hielten erstmal am Mather Point an, wo wir gerade rechtzeitig bereit standen, als die Sonne über dem Canyon aufging.

Die Sonne blinzelt hervor.

Danach fuhren wir noch ein kleines Stück weiter bis zum Yavapai Point, um in nordwestliche Richtung schauen und das "Aufwachen" der Felsformationen beobachten zu können. Ein Fels nach dem anderen wird unten im Abgrund nach und nach von der Sonne erfasst. Die Schattenbildung schuf wieder wie gestern eine schöne Plastizität. Fast zwei Stunden spazierten wir am South Rim entlang und ließen die Verschlüsse rattern. Es waren schon einige Leute auf den Beinen, aber die Massen waren noch weit weg. Ein Grund mehr, sich dem Grand Canyon nur zu den Sonnenaufgangs- und -untergangszeiten zu nähern.

Eine Reihe von Nicht-Eisenbahnbildern gehören an dieser Stelle einfach in den Reisebericht:

Das "Erwachen" der Felsformationen. Um 6.21 herrscht noch viel Ruhe im Canyon:

Um 6.42 hat die Sonne jedoch bereits den Großteil der Felsen "geweckt":

Weitere Stimmungen:









Der Blockwärter mit Wollmütze am Abgrund.

Als wir um 8 Uhr wieder zurück im Hotel waren, wunderten wir uns schon über viele in der Lobby frühstückende Leute. Ein Blick in den Frühstücksraum verschaffte Klarheit: Für so einen riesigen Touri-Hotelbunker war der Raum viel zu klein ausgelegt. Wir packten uns am Buffet einfach zwei Teller voll und frühstückten dann ungestört auf unserem Zimmer. Zwischendurch musste ich auch mal zuhause anrufen und jemandem zum Geburtstag gratulieren. Da hier in der gesamten Ecke irgendwie kein Handyempfang war, nutzte ich mal das Zimmertelefon. Es sollte das teuerste Telefonat meines bisherigen Lebens werden. Red Feather Lodge velangte für dieses ca 3-4 minütige Gespräch 20 Dollar. Ich habe es unter "Erfahrung" verbucht. Wir waren jedenfalls froh, dass wir nicht noch weitere touristische Dinge auf dem Zettel hatten. Diese Abzocke macht keinen Spaß. Später lasen wir übrigens, dass unser Hotel noch das preiswerteste vor Ort war!

Um 9 Uhr saßen wir auf der Landstraße Richtung Williams. Der Wetterbericht sah für Kalifornien längerfristig gar nicht gut aus. Aber nach eingehendem Studium des Wetterberichtes (es lebe die Kombination WLAN plus Notebook!) meinten wir das Wagnis eingehen zu können, zumindest noch bis Needles kurz hinter der kalifornischen Grenze fahren zu können. Zumindest bis Freitag Mittag war für Kingman Sonne angesagt, und Needles lag ja nur ein Tal weiter...

So stand also hauptsächlich "fahren" auf dem Programm. Als wir hinter Valle waren, stellten wir fest, dass uns ja irgendwo vor Williams der erste Grand Canyon Zug entgegen kommen müsste. Ich hatte ein Stück südlich von Valle, in Quivero, von Railpictures.net ein Motiv notiert. Wir fanden auch den richtigen Zufahrtsweg. Es gab hier ein ganzes Netz von Fahrwegen mit verstreut in der Wildnis liegenden Häusles. Die Zufahrt von der Hauptstraße war allerdings mit haufenweise Hinweisschildern vollgepflastert, darunter natürlich auch unsere Lieblingsschilder "no trespassing" und "private property". Und das für ein ganzes Wegenetz???

Wir fuhren einfach mal hinein. Kurz bevor wir das Gleis erreichten, gab es von etwas abseits des Weges einen hübschen Ausblick auf die Bahn. Dort stellten wir uns einfach mal hin. Ein vorüberkommendes Auto bremste zwar ab und kam nochmal ein Stück zurück, um zu gucken, doch man ließ uns unbehelligt. Der Zug ließ uns auch nicht übermäßig lange warten, so dass wir bald wieder verduften konnten. Leider war die Rundnase wieder als zweite Lok eingereiht. Das verwunderte nicht weiter, da wohl die ganze Garnitur über ein Gleisdreieck gedreht wird. Der Kanzelwagen muss ja immer hinten laufen.

Die moderne Westernbahn in ihrem einheitlichen schmucken Outfit bei Quivero.

Als wir wieder zurück zur Hauptstraße fuhren, gab es einen kleinen Schreck: Die Tankanzeige, die bei Abfahrt aus dem Hotel noch 4 von 13 Strichen angezeigt hatte, stand nun nur noch auf einem. Würden wir es bis Williams schaffen??? Im Laufe der Fahrt bauten sich allerdings die Striche Nr 2 und 3 wieder auf, so dass wir beruhigt weiterfahren konnten. Die Tankanzeige war eh ein Kapitel für sich. Nach dem Volltanken (bis die Brühe oben raus kam) fehlten auch oft noch 1-2 Striche. Ansonsten waren wir mit dem Auto nach wie vor sehr zufrieden. Die Geländegängigkeit hatte es mittlerweile zur Genüge unter Beweis stellen können und es hatte einen außerordentlich kleinen Wendekreis, was bei unserem Hobby nicht ganz unerheblich ist. Und die Farbe weiß erwies sich als ideal. Auch nach fünf Tagen sah das Auto noch sauber aus, weil der ganze helle Staub sich nicht abzeichnete.

In Williams suchten wir doch lieber mal ne Tanke auf. Ein Ehepaar ließ sich dort gerade vor einem Route66-Schild und ihrem Campingbus mit Cuxhavener Kennzeichen fotografieren. Äh, Moment mal - ein deutsches Womo auf amerikanischen Straßen? Alle Achtung! - Im Bahnhof der Grand Canyon Railway waren auch keine frei stehenden Rundnasen auszumachen. Also zog es uns bald weiter auf die Autobahn. Durch ein Gebirgsstück ging es bald hinab in eine Ebene. Die Bahn beschreibt hier einen großen Bogen und traf in Seligman wieder auf unsere Route. Dort verließen wir auch die Autobahn, um der Bahn parallelen Route 66 zu folgen. Vorher stellten wir uns allerdings in einer S-Kurve oberhalb von Seligman hin, um trotz Hochlicht mal auf einen Zug zu warten. Wir hatten Glück: Nach ca 15 Min Wartezeit kam ein Containerzug in die richtige Richtung. So konnten wir westwärts aufbrechen.

Kampf gegen die Gravitation östlich Seligman.

Die Landschaft war eindrucksvoll. Kahle Berghänge, weite Ebenen, tausend Fotomöglichkeiten. In Peach Springs, einer heruntergekommenen Indianersiedlung mit den ersten blühenden Bäumen dieser Tour, stand ein kleiner Local, den wir fotografierten. Dahinter gab es wunderschöne Ausblicke auf die Bahn, doch die Straße befand sich zum Fotografieren auf der falschen Seite. Immerhin fanden wir einen Weg zur Bahn, an dem nur der freundliche Hinweis war, dass man das Gatter hinter sich schließen soll. Unten an der Bahn war der Ausblick dann aber nicht mehr so toll. Zwischen Truxton und Valentine entdeckten wir nun ein Motiv, dass sich völlig unkompliziert vom Straßenrand der schwach befahrenen 66 aufnehmen ließ. Auch hier hatten wir Glück und mussten nicht lange warten, bis ein Zug kam. Dann bei Hackberry und Valentine etwas mit Ostfahrern versucht, war aber schwierig.

Hübsche Kurve zwischen Truxton und Valentine.

Valentine, eine Oase von frischem Grün im kargen Wüstengebirge.

In Kingman war erstmal ein Besuch bei Taco Bell angesagt. Wie das alles hieß, was ich aß, kann ich gar nicht sagen. Es war im Prinzip immer Salat und Fleisch in irgendwelchem Teig, mal härter, mal weicher. Aber wieder mal eine ernsthafte Alternative zu Burger und Co. Wir wären auch gern mal wieder zu Dennys gegangen, aber wir glaubten keine Zeit zu haben, denn es war nun nach 15 Uhr und das Licht wurde wieder besser. Südlich Kingman stellten wir uns bei Griffith mal an die Strecke. Es kam aber nur ein Nord- / Ostfahrer. Was fehlte, waren die Westfahrer. Außerdem zogen von Westen nun Wolken auf. Hatten wir uns der kalifornischen Wolkenfront doch zu dicht genähert? Wir waren uns jedoch einig, dass es sich um sogenannte "Schönwetterwolken" handeln muss!

Allerdings setzte sich dieses Gewölk jetzt so richtig fett auf die Bergkette, die unser Tal vom Colorado-Tal trennte und hinter der unser Zielpunkt Needles lag. So verdunkelte sich leider das Licht, bevor folgende Situation eintrat: "Ich sehe ein Licht leuchten in der Ferne" ist bei uns mittlerweile der Standardspruch, wenn in der Ferne der starke Scheinwerfer einer Lok auftaucht. Gerade beim Blick gen Süden diesen Ausruf gebracht, musste ich mich korrigieren: "Ich sehe zwei Lichter leuchten in der Ferne!". Es kamen zwei Züge parallel zueinender auf beiden Streckengleisen auf uns zu! Wie gesagt - das Sonnenlicht war leider ausgegangen.

Parallelfahrt zweier BNSF-Züge bei Griffith, südlich von Kingman AZ.

Wir fuhren mal weiter. Die Fahrt war stimmungsvoll mit den nur in diesem Bereich hängenden fetten Wolken. Bereits in Needles auf der anderen Seite der Bergkette, die wir U-förmig umrundeten, musste wieder Sonne scheinen. Unterwegs kam uns ein Güterzug nach dem anderen entgegen. Alles Ostfahrer. Den letzten Westfahrer hatten wir etwa 14.30 gesehen! Wir sahen eine hübsche Fotokurve, die ein Programmpunkt für morgen wäre. Mit der Querung des Colorado River reisten wir nach Kalifornien ein. Es gab natürlich keine Passkontrolle, aber eine Auto-Sicherheitskontrolle. Auf die Frage "Where are you from?" antworteten wir "Germany", worauf er scherzhaft meinte "whole way by car?". Wir durften jedenfalls mit unserem Vehikel in den Sonnenstaat einreisen.

Noch mehr war anders in Kalifornien: Plötzlich wimmelte es von Palmen! Und als wir in Needles am Bahnhof den Wagen verließen, traf uns der Schlag. Ein Tal weiter östlich mochte es wohl 10 Grad kälter gewesen sein. Zwar wehte auch hier ein starker Wind, aber der war richtig warm! Am Bahnhof konnten wir paar abgestellte helper engines vor dunklen Wolken fotografieren, ansonsten herrschte aber tote Hose. Wir beschlossen, die letzten Sonnenstrahlen des Tages mal zur Erkundung der folgenden Steigungsstrecke aus dem Colorado Valley hinaus zu nutzen. Motive gab es hier massig, die Landschaft im Abendlicht vor der Kulisse der schwarzen Wolken über Arkansas sah phantastisch aus, doch was fehlte, waren die Züge.

Palmen, viele Palmen! Welcome to California! Betriebsruhe im Bahnhof Needles...

An einem BÜ der Straße nach Las Vegas auf der Hochebene warteten wir noch den Sonnenuntergang ab, dann ging es in den Ort zurück. Unterwegs kamen uns zwei Westfahrer entgegen. Die Welt kann so ungerecht sein... Ein Super8-Motel gab es in Needles nicht, aber zwei weniger taten es auch: Motel 6 war jetzt angesagt. Das war so richtig billig, wir zahlten für beide (!) Nächte mit rund 90 Dollar (für beide zusammen!) die Hälfte dessen, was wir am Grand Canyon für eine (!) Nacht bezahlt haben. Noch etwas gefiel an dem Motel 6: Nebenan war Dennys, und da bekommen Motelgäste 10% Rabatt. Ich nahm ein T-Bone-Steak. War durchaus lecker, aber sowas isst man dann doch besser beim "Spezialisten", was Dennys als Familienrestaurant sicher nicht ist.

Wo die Landschaft hoch zur Mojave Wüste ansteigt, fällt der Blick zurück über das Colorado Valley auf die wolkenverhangenen Hügel Arizonas zwischen Needles und Kingman.

Fortsetzung

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